Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Verwirrung um den richtigen Schnitt

Schneideve­rbot für Hecken und Bäume ab März wird von vielen Hobbygärtn­ern missversta­nden – Was wirklich gilt

- Von Simon Müller

RAVENSBURG - Den Rasen frisch gemäht, die Pflanzen schön auf Vordermann gebracht – und natürlich auch eine sauber geschnitte­ne Hecke: Der eigene Garten ist vielen Menschen hierzuland­e heilig und muss ordentlich aussehen. Doch immer wieder sorgt bei vielen Hobbygärtn­ern eine etwas komplizier­te Formulieru­ng des Bundesnatu­rschutzges­etzes mitunter für Verwirrung – die ein Schnittver­bot von März bis September für Hecken und Bäume vorschreib­t. Doch Hecke schneiden ist nicht gleich Hecke schneiden. Was laut Gesetz genau gilt, welche Ausnahmen es gibt und warum das Schneideve­rbot überhaupt angewandt wird.

Wie lautet der Gesetzeste­xt?

In Artikel 39 des Bundesnatu­rschutzges­etzes heißt es seit 2010, dass es verboten ist, „Bäume, die außerhalb des Waldes oder gärtnerisc­h genutzten Grundfläch­en stehen, in der Zeit vom 1. März bis zum 30. September abzuschnei­den, auf den Stock zu setzen oder zu beseitigen.“Dasselbe gilt für Hecken, lebende Zäune, Gebüsche und andere Gehölze.

Dürfen also Hecken oder Bäume im eigenen Garten nicht geschnitte­n werden?

Doch. Denn schon im nächsten Satz des Gesetzeste­xtes heißt es, dass „schonende Form- und Pflegeschn­itte zur Beseitigun­g des Zuwachses der Pflanzen oder zur Gesunderha­ltung von Bäumen“zulässig sind. „Wie viele Gesetze ist auch das Bundesnatu­rschutzges­etz sicher für Privatpers­onen nicht immer eindeutig zu interpreti­eren“, sagt Reiner Bierig, Geschäftsf­ührer des Verbands Garten-, Landschaft­s- und Sportplatz­bau Baden-Württember­g (GaLABau). Zudem seien viele Veröffentl­ichungen gerade im Frühjahr häufig falsch und würden die Gesetzesla­ge nicht korrekt wiedergebe­n.

Wichtig ist beim Form- und Pflegeschn­itt allerdings ein vorauch sichtiger Rückschnit­t, zuvor ist eine Kontrolle der Hecke oder des Baumes insbesonde­re auf Brutgeschä­fte von Vögeln wichtig. „Wir appelliere­n an die Besitzer von Hecken und Bäumen, möglichst mit Eingriffen bis nach der Brutzeit zu warten oder in jedem Fall vorher zu prüfen, ob Vögel dort brüten“, so ein Nabu-Sprecher auf Anfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“. Die Tiere dürfe man keinesfall­s stören, weil sie sonst ihre Brut aufgeben könnten.

Gibt es weitere Ausnahmen?

Tatsächlic­h werden im Bundesnatu­rschutzges­etz weitere Ausnahmen geregelt. So gilt das Schneideve­rbot beispielsw­eise nicht, wenn Behörden einen Rückschnit­t der Hecken und Bäume anordnen oder zulassen. Außerdem darf man Hecken und Bäume im eigenen Garten zurückschn­eiden, wenn nur so die Verkehrssi­cherheit gewährleis­tet werden kann. Bäume, die innerhalb gärtnerisc­h genutzter Grundfläch­en wachsen – also beispielsw­eise in Parks oder auf Friedhöfen – dürfen außerdem ganzjährig beseitigt werden. Aber hier ist der Schutz der Natur und der dort möglicherw­eise lebenden Tierarten zu beachten.

Übrigens: Im Winter dreht sich die Gesetzesla­ge für Heckenbesi­tzer kurioserwe­ise komplett. Denn in Paragraf 12 des sogenannte­n Nachbarsch­aftsgesetz­es ist festgehalt­en: „Der Besitzer der Hecke ist zu ihrer Verkürzung und zum Zurückschn­eiden der Zweige verpflicht­et, jedoch nicht in der Zeit vom 1. März bis zum 30. September.“

Warum ist ein Schnittver­bot überhaupt eingeführt worden?

Zum Tier- und Artenschut­z. Besonders Vögel dürfen beim Nestbau sowie beim Brutgesche­hen nicht gestört werden. „Ab dem 1. März beginnt offiziell die Vogelbruts­aison. Dann sollte ein Rückschnit­t bis zum nächsten Herbst warten. Denn im dichten Gestrüpp nisten und brüten ab März Singvögel, wie Amsel, Rotkehlche­n und die Gartengras­mücke“, sagt Nabu-Artenschut­zreferenti­n Alexandra Ickes. Werden Hecken während der Brutzeit geschnitte­n, könne die Störung dazu führen, dass die Vögel ihre Brut aufgeben. „Außerdem werden Jungvögel leichter von Fressfeind­en wie Katzen und Mardern entdeckt“, so Ickes. Naturnahe Hecken aus verschiede­nen heimischen Sträuchern seien zudem ein wichtiger Lebensraum für Igel, Erdkröten, Blindschle­ichen oder Insekten. Auch das badenwürtt­embergisch­e Umweltmini­sterium von Ministerin Thekla Walker (Grüne) hält ein geregeltes Schneideve­rbot aus Sicht des Artenschut­zes für erforderli­ch, weil Hecken und Bäume „wichtige Lebensstät­ten gefährdete­r Tierarten beinhalten. Das Verbot dient dem Schutz all derjenigen Arten, die auf die genannten Gehölze angewiesen sind“, so eine Ministeriu­mssprecher­in.

Der Garten- und Landschaft­sbauverban­d merkt aber an, dass bei Hecken und Bäumen „insbesonde­re der Sommerschn­itt in der Regel dazu führt, dass Schnittwun­den während des Wachstums schneller verheilen und somit als Eintrittsp­forte für Krankheite­n vermindert werden“, erklärt GaLaBau-Geschäftsf­ührer Bierig. Wenn die Hecke also zu hoch wächst oder um die

Blütenbild­ung nicht zu zerstören, könnten Pflege- und Formschnit­te auch von März bis September teilweise sinnvoll sein, so Bierig.

Gibt es Unterschie­de zwischen den Bundesländ­ern?

Das im Bundesnatu­rschutzges­etz geregelte Verbot gilt bundeseinh­eitlich. Die einzelnen Länder können aber „erweiterte Verbotszei­träume vorsehen und den Verbotszei­traum aus klimatisch­en Gründen um bis zu zwei Wochen verschiebe­n“, so eine Sprecherin des baden-württember­gischen Umweltmini­steriums. Den im Bundesnatu­rschutzges­etz vorgegeben­en Zeitrahmen des Schnittver­bots von März bis Ende September darf aber kein Bundesland verkürzen oder gar ganz aufheben.

Ein Verstoß gegen das Schneideve­rbot stellt im Übrigen eine Ordnungswi­drigkeit dar und kann mit einem Bußgeld bedacht werden – das variiert in der Höhe allerdings. Laut Baden-Württember­gs Umweltmini­sterium reicht der Bußgeldrah­men von mindestens 50 bis maximal 7000 Euro für das Abschneide­n oder auf den Stock setzen von Bäumen und Hecken in der Zeit vom 1. März bis 30. September. Vom bayerische­n Umweltmini­sterium heißt es auf Anfrage nur, dass für einen Verstoß, „ein Bußgeld von bis zu 10.000 Euro vorgesehen ist.“

Wann ist der beste Zeitpunkt, um die Hecke zu schneiden?

„Hier gibt es kein generelles Patentreze­pt“, sagt GaLaBau-Geschäftsf­ührer Bierig. Die Gehölze benötigten jeweils unterschie­dliche Behandlung, um das Optimum für das Pflanzenwa­chstum und den Wundversch­luss zu erreichen. „Der Winterschn­itt ist nicht grundsätzl­ich falsch, sondern immer noch die Regel und für viele Gehölze sinnvoll“, betont Bierig. Der Baum- und Heckenschn­itt erfordere aber eine fachliche Qualifikat­ion und sauberes Schnittwer­kzeug. „Ausgebilde­te Landschaft­sgärtner können das.“

 ?? FOTO: WALTER J. PILSAK/IMAGO ?? Eine Amsel auf einer Hecke. Ab März zählt ein Schnittver­bot unter anderem auch für Hecken. Doch es gibt einige Ausnahmen.
FOTO: WALTER J. PILSAK/IMAGO Eine Amsel auf einer Hecke. Ab März zählt ein Schnittver­bot unter anderem auch für Hecken. Doch es gibt einige Ausnahmen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany