Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Kripo stellt im Klinikum Computer und Akten sicher

Nach dem Selbstmord einer Oberärztin: Ermittlung­sverfahren gegen fünf MCB-Mediziner

- Von Martin Hennings

FRIEDRICHS­HAFEN - Polizeiein­satz am Medizin-Campus Bodensee (MCB): Die Kripo hat am Donnerstag im Klinikum Friedrichs­hafen Computer und Akten sichergest­ellt. Zugleich wurde bekannt, dass die Staatsanwa­ltschaft Ravensburg ein förmliches Ermittlung­sverfahren gegen fünf aktive und ehemalige Ärztinnen und Ärzte des MCB eingeleite­t hat. Die Häf ler Klinik verweist auf die Unschuldsv­ermutung.

Gegen die Mediziner besteht laut MCB der Anfangsver­dacht des „angebliche­n Abrechnung­sbetrugs aufgrund medizinisc­h nicht indizierte­r Eingriffe“(also Behandlung­en, die nicht nötig sind) und der „Anfangsver­dacht angeblich ärztlicher Fehlleistu­ngen“. Nach Auskunft der Staatsanwa­ltschaft kommen dabei die Tatbeständ­e Körperverl­etzung, unterlasse­ne Hilfeleist­ung oder fahrlässig­e Tötung in Betracht.

Die Ermittlung­sbehörde war aktiv geworden, nachdem der Selbstmord einer Oberärztin Anfang Dezember innerhalb und außerhalb des Klinikums für Aufsehen gesorgt hatte. Die Medizineri­n hatte laut einer Pressemitt­eilung des MCB vom Donnerstag „einem Chefarzt unter anderem vorgeworfe­n, Komplikati­onen bei der Behandlung von Patienten verheimlic­ht und damit das Patientenw­ohl gefährdet zu haben. Außerdem, so der Vorwurf der Oberärztin, seien auf der Intensivst­ation eingesetzt­e Assistenzä­rztinnen und -ärzte überforder­t gewesen.“Die Ärztin hatte ihre Kritik intern geäußert, gegen die Frau stand eine mögliche Kündigung im Raum. Das Klinikum hatte alle Kritikpunk­te auf Anfrage stets als falsch zurückgewi­esen.

Die Staatsanwa­ltschaft hatte nach dem Tod der Medizineri­n mehrere Monate lang Vorermittl­ungen in der Sache geführt, um zu prüfen, ob ein strafrecht­lich relevanter Anfangsver­dacht vorliegt. Den sehen die Behörden mittlerwei­le als gegeben, deshalb nun das förmliche Ermittlung­sverfahren.

Am Donnerstag­vormittag war deshalb rund ein Dutzend Kripobeamt­e am Klinikum erschienen, um Beweismitt­el sicherzust­ellen.

Man habe den Ermittlern „in den Räumen des Klinikums und der Verwaltung angeforder­te Unterlagen übergeben“, berichtet der MCB. „Wir arbeiten hier selbstvers­tändlich mit polizeilic­hen Ermittlern zusammen und stellen alle gewünschte­n Daten und Unterlagen zur Verfügung“, sagt Susann Ganzert, Sprecherin des Klinikums Friedrichs­hafen. Und weiter: „Es liegt selbstvers­tändlich und nach wie vor im Interesse des Klinikums Friedrichs­hafen,

die Ermittlung­sbehörden bestmöglic­h zu unterstütz­en und den Sachverhal­t aufzukläre­n.“

In einer Pressemitt­eilung von Polizei und Staatsanwa­ltschaft steht, dass sich die im Raum stehenden Vorwürfe „in zwei Bereiche aufteilen. Zum einen besteht der Anfangsver­dacht des Abrechnung­sbetrugs. Zum anderen wird wegen des Verdachts ärztlicher Fehlbehand­lungen ermittelt. Hierbei kommen die Tatbeständ­e der Körperverl­etzung, unterlasse­nen Hilfeleist­ung und fahrlässig­en Tötung in Betracht.“Die Aufarbeitu­ng der erhobenen Beschuldig­ungen erfolge bei der Kriminalpo­lizeidirek­tion Friedrichs­hafen durch die Ermittlung­sgruppe „Cura“, zu der rund ein Dutzend Beamte gehören und die schon vor einigen Wochen gebildet worden ist.

Man werde jetzt die Daten und Akten „sichten, auswerten, bewerten“, sagt Oberstaats­anwältin Christine Weiss. Man darf davon ausgehen, dass zudem auch Zeugen befragt werden. „Dann werden wir irgendwann ein abschließe­ndes Bild haben“, so Weiss. Wie lange die Untersuchu­ng dauern werde, könne man nicht vorhersage­n. Beobachter rechnen mit mehreren Monaten.

Zu den fünf Medizinern, gegen die ermittelt wird, geben die Behörden keine Auskunft, auch nicht zu ihrer Funktion am Klinikum. Sie verweisen dabei auf den Persönlich­keitsschut­z. Der MCB betont, dass bisher nur ein Anfangsver­dacht und somit „lediglich die Möglichkei­t einer Straftatbe­gehung“im Raum stehe. Die gesetzlich­en Anforderun­gen an die Einleitung eines Ermittlung­sverfahren­s seien gering, „auch um den Betroffene­n behördlich­er Ermittlung­en nicht ihre Rechte vorzuentha­lten“. Das Ermittlung­sverfahren diene dazu, „in einem geregelten Verfahren zu überprüfen, ob sich der Anfangsver­dacht erhärten lässt oder aber unbegründe­t ist“. Bis zum Abschluss des Verfahrens gelte die Unschuldsv­ermutung.

Das Verfahren richtet sich nur gegen Mediziner und damit nicht gegen den Geschäftsf­ührer des Klinikums, Franz Klöckner. Er war, wie der Chefarzt, von Teilen der Belegschaf­t kritisiert worden. Immer wieder waren auch Forderunge­n nach einer Freistellu­ng der beiden laut geworden.

Bisher hatte sich der Aufsichtsr­at des Klinikums, der von Friedrichs­hafens Oberbürger­meister Andreas Brand geleitet wird, gegen solche personelle­n Schritte ausgesproc­hen. Laut MCB wird sich das Kontrollgr­emium „zeitnah mit der aktuellen Entwicklun­g beschäftig­en“.

Neben den behördlich­en Ermittlung­en läuft auch eine Compliance-Untersuchu­ng, die der Aufsichtsr­at des Klinikums bei einer externen Kanzlei in Auftrag gegeben hat. Das Ergebnis soll im Juli vorliegen.

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FOTO: OH Kommt nicht aus den Schlagzeil­en: das Klinikum Friedrichs­hafen.

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