Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Kripo stellt im Klinikum Computer und Akten sicher
Nach dem Selbstmord einer Oberärztin: Ermittlungsverfahren gegen fünf MCB-Mediziner
FRIEDRICHSHAFEN - Polizeieinsatz am Medizin-Campus Bodensee (MCB): Die Kripo hat am Donnerstag im Klinikum Friedrichshafen Computer und Akten sichergestellt. Zugleich wurde bekannt, dass die Staatsanwaltschaft Ravensburg ein förmliches Ermittlungsverfahren gegen fünf aktive und ehemalige Ärztinnen und Ärzte des MCB eingeleitet hat. Die Häf ler Klinik verweist auf die Unschuldsvermutung.
Gegen die Mediziner besteht laut MCB der Anfangsverdacht des „angeblichen Abrechnungsbetrugs aufgrund medizinisch nicht indizierter Eingriffe“(also Behandlungen, die nicht nötig sind) und der „Anfangsverdacht angeblich ärztlicher Fehlleistungen“. Nach Auskunft der Staatsanwaltschaft kommen dabei die Tatbestände Körperverletzung, unterlassene Hilfeleistung oder fahrlässige Tötung in Betracht.
Die Ermittlungsbehörde war aktiv geworden, nachdem der Selbstmord einer Oberärztin Anfang Dezember innerhalb und außerhalb des Klinikums für Aufsehen gesorgt hatte. Die Medizinerin hatte laut einer Pressemitteilung des MCB vom Donnerstag „einem Chefarzt unter anderem vorgeworfen, Komplikationen bei der Behandlung von Patienten verheimlicht und damit das Patientenwohl gefährdet zu haben. Außerdem, so der Vorwurf der Oberärztin, seien auf der Intensivstation eingesetzte Assistenzärztinnen und -ärzte überfordert gewesen.“Die Ärztin hatte ihre Kritik intern geäußert, gegen die Frau stand eine mögliche Kündigung im Raum. Das Klinikum hatte alle Kritikpunkte auf Anfrage stets als falsch zurückgewiesen.
Die Staatsanwaltschaft hatte nach dem Tod der Medizinerin mehrere Monate lang Vorermittlungen in der Sache geführt, um zu prüfen, ob ein strafrechtlich relevanter Anfangsverdacht vorliegt. Den sehen die Behörden mittlerweile als gegeben, deshalb nun das förmliche Ermittlungsverfahren.
Am Donnerstagvormittag war deshalb rund ein Dutzend Kripobeamte am Klinikum erschienen, um Beweismittel sicherzustellen.
Man habe den Ermittlern „in den Räumen des Klinikums und der Verwaltung angeforderte Unterlagen übergeben“, berichtet der MCB. „Wir arbeiten hier selbstverständlich mit polizeilichen Ermittlern zusammen und stellen alle gewünschten Daten und Unterlagen zur Verfügung“, sagt Susann Ganzert, Sprecherin des Klinikums Friedrichshafen. Und weiter: „Es liegt selbstverständlich und nach wie vor im Interesse des Klinikums Friedrichshafen,
die Ermittlungsbehörden bestmöglich zu unterstützen und den Sachverhalt aufzuklären.“
In einer Pressemitteilung von Polizei und Staatsanwaltschaft steht, dass sich die im Raum stehenden Vorwürfe „in zwei Bereiche aufteilen. Zum einen besteht der Anfangsverdacht des Abrechnungsbetrugs. Zum anderen wird wegen des Verdachts ärztlicher Fehlbehandlungen ermittelt. Hierbei kommen die Tatbestände der Körperverletzung, unterlassenen Hilfeleistung und fahrlässigen Tötung in Betracht.“Die Aufarbeitung der erhobenen Beschuldigungen erfolge bei der Kriminalpolizeidirektion Friedrichshafen durch die Ermittlungsgruppe „Cura“, zu der rund ein Dutzend Beamte gehören und die schon vor einigen Wochen gebildet worden ist.
Man werde jetzt die Daten und Akten „sichten, auswerten, bewerten“, sagt Oberstaatsanwältin Christine Weiss. Man darf davon ausgehen, dass zudem auch Zeugen befragt werden. „Dann werden wir irgendwann ein abschließendes Bild haben“, so Weiss. Wie lange die Untersuchung dauern werde, könne man nicht vorhersagen. Beobachter rechnen mit mehreren Monaten.
Zu den fünf Medizinern, gegen die ermittelt wird, geben die Behörden keine Auskunft, auch nicht zu ihrer Funktion am Klinikum. Sie verweisen dabei auf den Persönlichkeitsschutz. Der MCB betont, dass bisher nur ein Anfangsverdacht und somit „lediglich die Möglichkeit einer Straftatbegehung“im Raum stehe. Die gesetzlichen Anforderungen an die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens seien gering, „auch um den Betroffenen behördlicher Ermittlungen nicht ihre Rechte vorzuenthalten“. Das Ermittlungsverfahren diene dazu, „in einem geregelten Verfahren zu überprüfen, ob sich der Anfangsverdacht erhärten lässt oder aber unbegründet ist“. Bis zum Abschluss des Verfahrens gelte die Unschuldsvermutung.
Das Verfahren richtet sich nur gegen Mediziner und damit nicht gegen den Geschäftsführer des Klinikums, Franz Klöckner. Er war, wie der Chefarzt, von Teilen der Belegschaft kritisiert worden. Immer wieder waren auch Forderungen nach einer Freistellung der beiden laut geworden.
Bisher hatte sich der Aufsichtsrat des Klinikums, der von Friedrichshafens Oberbürgermeister Andreas Brand geleitet wird, gegen solche personellen Schritte ausgesprochen. Laut MCB wird sich das Kontrollgremium „zeitnah mit der aktuellen Entwicklung beschäftigen“.
Neben den behördlichen Ermittlungen läuft auch eine Compliance-Untersuchung, die der Aufsichtsrat des Klinikums bei einer externen Kanzlei in Auftrag gegeben hat. Das Ergebnis soll im Juli vorliegen.