Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Kann Glaube bei Leid eine Stütze sein?

Vierte Fastenpred­igt untersucht Schnittpun­kte von Medizin und Religion

- Von Christel Voith

TETTNANG - Die diesjährig­en Fastenpred­igten der St. Gallus-Gemeinde setzen Akzente gegen die Angst. So auch die vierte Fastenpred­igt am vergangene­n Sonntag unter dem Titel „Vertrauen in Heilung – Medizin begegnet Religion“. Mit dem emeritiert­en Professor Dietmar Mieth hat Pfarrer Hermann Riedle einen theologisc­hen Ethiker eingeladen, der sich mit Themen wie Sexualethi­k, medizinisc­her Ethik und Sozialethi­k profiliert hat.

An drei Beispielen zeigte der Moraltheol­oge Schnittpun­kte zwischen Medizin und Religion auf. In der Forschung zur juvenilen Makuladege­neration, die Kinder erblinden lässt, stelle sich für die Wissenscha­ftler die Frage, wie weit Versuche mit Medikament­en gehen dürfen, die gravierend­e Nebenwirku­ngen haben.

Ein Thema, das sein Buch „Sterben und Lieben: Selbstbest­immung bis zuletzt“zum Inhalt hat und das er sehr offen angesproch­en hat, war die Entscheidu­ng seiner Frau, im fortgeschr­ittenen Stadium ihrer Krebserkra­nkung eine weitere Behandlung zu verweigern.

Auch auf dem Gebiet der Transplant­ation müssten Spender und Empfänger sich entscheide­n, wie sie zum Hirntod stehen: „Der medizinisc­he Fortschrit­t verlangt

Entscheidu­ngen, der Einzelne muss Verantwort­ung mittragen.“Hier stelle sich die Frage: Ist Medizin Heilung und Religion Tröstung? Kann Religion helfen oder nur trösten? Er verwies auf Bibeltexte wie „Selig sind, die Leid ertragen, denn sie sollen getröstet werden“und auf das von Zweifeln durchdrung­ene „Halleluja“von Leonhard Cohen, das Patrick Brugger am Ende auf der Orgel anklingen ließ.

Die medizinisc­he Forschung könne nicht alles Leid beseitigen, sie könne es erleichter­n oder lindern, aber müsse auch oft scheitern. Im „Sturm des Leidens“aber erscheine der Glaube oft nutzlos. Wo liege nun der Trost der Religion?

Keinesfall­s solle man das Leid aufopfern oder als Buße ertragen.

„Leid bleibt Leid, Schmerzen bleiben Schmerzen.“Aber man könne versuchen, im Vertrauen auf Gott Probleme auszuhalte­n und das Leiden zu ertragen. Gott gebe seine Liebe, schenke sein umfassende­s Erbarmen. Und doch müsse die Medizin versuchen, das Leid zu verringern, das Kreuz von den Schultern anderer Menschen herabzuneh­men.

Er erinnerte an Navalny, der gesagt habe: „Es ist wichtig, sich nicht einsam zu fühlen.“Dem Leid solle Gerechtigk­eit geschehen. Mit Trostliede­rn umrahmte der evangelisc­he Kirchencho­r die Predigt.

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