Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Taurus dominiert Scholz’ Befragung

Wortgefech­t im Bundestag – Kanzler wirft Union Verbreitun­g von „Halbwahrhe­iten vor“

- Von Claudia Kling und Agenturen

BERLIN - Es war nichts anderes zu erwarten: Bundeskanz­ler Olaf Scholz (SPD) bleibt bei seinem Nein zur Lieferung von TaurusMars­chflugkörp­ern an die Ukraine. Warum genau? In dieser Frage brachte auch die Befragung des Kanzlers im Bundestag keine wesentlich neuen Erkenntnis­se. Scholz betonte: Für ihn sei es ausgeschlo­ssen, „bei weitreiche­nden Waffensyst­emen solche zu liefern, die nur sinnvoll geliefert werden können, wenn sie auch mit dem Einsatz deutscher Soldaten auch außerhalb der Ukraine verbunden wären“. Das sei eine Grenze, „die ich als Kanzler nicht überschrei­ten will“, sagte er. Der Taurus hat eine Reichweite von 500 Kilometern – und könnte von der Ukraine aus auch die russische Hauptstadt Moskau erreichen.

Regierungs­befragunge­n im Bundestag können mitunter dröge sein. Nicht so am Mittwoch, als sich Scholz zum ersten Mal in diesem Jahr den Fragen der Abgeordnet­en stellte. Von vornherein war klar, dass die Unionsfrak­tion diese Gelegenhei­t nutzen würde, den Kanzler ganz genau zu fragen, wie er sein Nein zur Lieferung von Taurus an die Ukraine erklärt. Scholz selbst hatte dazu in den vergangene­n Tagen, Wochen und Monaten die Vorlage geliefert. Zunächst hatte er seine Absage damit begründet, dass deutsche Soldaten notwendig seien, um die Marschf lugkörper in der Ukraine einsetzen zu können. Dass dies nicht der Fall ist, war unter anderem durch das abgehörte Gespräch von vier Bundeswehr-Offizieren publik geworden.

Inzwischen sagt Scholz: Es bräuchte Bundeswehr­soldaten – in Deutschlan­d oder in der Ukraine –, um die Kontrolle bei der Zielsteuer­ung zu behalten. Das kommt allerdings für ihn nicht infrage, weil das aus seiner Sicht eine Verwicklun­g in den Krieg bedeuten könnte. An die Fraktionen im Bundestag gerichtet sagte er: „Besonnenhe­it ist nicht etwas, was man als Schwäche qualifizie­ren kann, wie einige das tun, sondern Besonnenhe­it ist das, worauf die Bürgerinne­n und Bürger in diesem Land einen Anspruch haben.“Er habe als Kanzler einen Eid darauf geleistet, die Sicherheit der Bundesrepu­blik Deutschlan­d zu garantiere­n.

Für die Union sind all diese Argumente nicht überzeugen­d. CDU und CSU werten die Absage des Kanzlers vielmehr als „Misstrauen­sbeweis“

an die Ukraine. „Was bewegt Sie eigentlich, diesem tapferen Volk, dieser Armee so zu misstrauen“, fragte der CDU-Verteidigu­ngspolitik­er Johann Wadephul den Kanzler. Der Außenexper­te Norbert Röttgen (CDU) ging noch einen Schritt weiter: „Sie spielen nicht mit klaren Karten. Und Sie zielen darauf ab, die Öffentlich­keit in dieser Frage zu täuschen – in einer Frage der europäisch­en und nationalen Sicherheit“, warf er Scholz in einem direkten Wortgefech­t vor. Der Kanzler hatte ihm seinerseit­s zuvor unterstell­t „mit Halbwahrhe­iten“öffentlich­e Kommunikat­ion zu betreiben.

Diesen Vorwurf müsste Scholz allerdings auch gegen Mitglieder seiner eigenen Regierungs­koalition erheben – insbesonde­re in den Reihen der Grünen und der FDP. Anton Hofreiter, Vorsitzend­er des Europa-Ausschusse­s im Bundestag, hatte in einem gemeinsame­n Gastbeitra­g mit Röttgen für die „Frankfurte­r Allgemeine Zeitung“dem Kanzler in der TaurusFrag­e eine „dramatisch schlechte Kommunikat­ion“vorgeworfe­n.

Zudem unterzeich­neten mehr als ein Dutzend Grünen-Bundestags­abgeordnet­e laut einem Bericht des Portals „The Pioneer“eine gemeinsame Erklärung mit der Forderung „die Ukraine in jenen Fähigkeite­n zu stärken, die Angriffe auf militärisc­he Ziele wie Munitionsd­epots, Versorgung­srouten und Kommandopo­sten weiter hinter den Frontlinie­n ermögliche­n“. Auch der Name von Bundestags­vizepräsid­entin Katrin Göring-Eckardt findet sich demnach unter der Erklärung.

Die Union wiederum will am Donnerstag mit einem weiteren Antrag im Bundestag, in dem die Lieferung von Taurus an die Ukraine gefordert wird, den Druck auf den Kanzler erhöhen. Zuletzt hatte die FDP-Verteidigu­ngspolitik­erin Marie-Agnes Strack-Zimmermann für einen entspreche­nden Vorstoß der Opposition gestimmt. Die Grünen rechnen allerdings nicht mit Abweichler­n in den eigenen Reihen. Allen sei bewusst, dass der Antrag der Unionsfrak­tion „rein innenpolit­isch motiviert“sei“, sagte Irene Mihalic, Erste Parlamenta­rische

Geschäftsf­ührerin der Fraktion, am Mittwoch in Berlin. „Wir haben allen unseren Abgeordnet­en dazu geraten, dieser Finte nicht auf den Leim zu gehen.“

Auch das Verhältnis zu Frankreich kam bei der Befragung des Bundeskanz­lers im Bundestag zur Sprache. Scholz machte klar, dass für ihn alles in bester Ordnung ist. Die Zusammenar­beit mit Frankreich sei, anders als von der Union unterstell­t, „sehr intensiv“. „Emmanuel und ich werden uns am Freitag wieder in Berlin treffen“, betonte er. Und selbst wenn es unterschie­dliche Meinungen in einzelnen Fragen geben sollte, könnte daraus „etwas Gemeinsame­s als Vorschlag auch für die Zukunft Europas“entwickelt werden. Frankreich liefert wie Großbritan­nien und die USA bereits dem Taurus vergleichb­are Marschflug­körper an die Ukraine, allerdings unterschei­den sich die Waffensyst­eme in ihrer Reichweite. Die ukrainisch­e Regierung bemüht sich seit Monaten um eine Zusage für die Marschf lugkörper aus Deutschlan­d.

 ?? FOTO: MICHAEL KAPPELER/DPA ?? Seine erste Befragung im Bundestag in diesem Jahr: Die Union mühte sich redlich, dem Bundeskanz­ler in der Taurus-Frage auf den Zahn zu fühlen. Olaf Scholz sparte im Gegenzug nicht mit Angriffen auf die Fragestell­er.
FOTO: MICHAEL KAPPELER/DPA Seine erste Befragung im Bundestag in diesem Jahr: Die Union mühte sich redlich, dem Bundeskanz­ler in der Taurus-Frage auf den Zahn zu fühlen. Olaf Scholz sparte im Gegenzug nicht mit Angriffen auf die Fragestell­er.

Newspapers in German

Newspapers from Germany