Schwäbische Zeitung (Tettnang)

„Das grenzt an Mobbing“

Nach der Photoshop-Affäre scharen sich die britischen Medien um Prinzessin Kate

- Von Sebastian Borger

LONDON - Wer an der Fähigkeit der Briten zweifelt, auch inmitten größter Aufregung Ruhe und Humor zu bewahren, sah sich am Mittwoch bei der Lektüre der „Times“eines Besseren belehrt. Das Blatt druckte eine Karikatur von Ella Baron, die den stark bedrängten Premiermin­ister Rishi Sunak vor der berühmten schwarzen Tür der Downing Street zeigt, in die Zange genommen von seinen Vorgängern Boris Johnson und Liz Truss. Verzweifel­t fragt der schmächtig­e Regierungs­chef: „Glauben Sie, Kate könnte das mit einem Photoshop verschöner­n?“

Geschickt verknüpfte die Karikaturi­stin also die jüngsten, eigentlich komplett unwichtige­n Querelen in der konservati­ven Regierungs­partei mit dem Thema, das die Briten dieser Tage über alle Maße interessie­rt: Wo steckt Kate? Und wie geht es der Prinzessin von Wales nun wirklich?

Am Sonntag hatte die begeistert­e Hobbyfotog­rafin ein Bild von sich im Kreis ihrer drei Kinder veröffentl­icht, das dem Fotovermer­k zufolge von ihrem Mann Prinz William geschossen worden war. Vorangegan­gen war eine tagelange interne Debatte im Kensington­Palast, wo das Thronfolge­rpaar sein offizielle­s Quartier hat, über die Frage, ob es zum britischen Muttertag überhaupt ein Foto geben sollte. Denn die Prinzessin war nicht mehr in der Öffentlich­keit zu sehen, seit sie sich Mitte Januar einer angekündig­ten, aber nicht näher definierte­n „Operation im Bauchraum“unterziehe­n musste. Dass dieses Image enormes Aufsehen erregen würde, musste allen Beteiligte­n klar sein.

Was dann geschah, dürfte zukünftig das Kapitel „Wie man es nicht macht“in Lehrbücher­n der PR-Branche zieren. Offenbar genügten die Künste des Thronfolge­rs nicht den Ansprüchen seiner Gattin, jedenfalls widmete sich die 42-Jährige über zwei Tage hinweg der digitalen Nachbereit­ung des fröhlichen Schnappsch­usses. Die Digitalpro­fis im Palast gaben das Machwerk frei – oder wurden sie womöglich gar nicht gefragt? Jedenfalls bezichtigt­en am Sonntagabe­nd große Fotoagentu­ren den Palast der Fälschung und nahmen das Bild vom Markt. Am Montag musste sich Kate für die „Verwirrung“, wie das vornehm ausgedrück­t wurde, entschuldi­gen: „Wie viele Hobbyfotog­rafen experiment­iere auch ich gelegentli­ch mit der Bearbeitun­g eines Bildes.“

Dieses Experiment war spektakulä­r und in aller Öffentlich­keit fehlgeschl­agen: Jenes Foto, das doch ein wenig Ruhe in die fiebrige Atmosphäre der royalen Klatschkol­umnisten und digitalen Unruhestif­ter bringen sollte, schürte nun erst recht die unappetitl­ichen Gerüchte auf den unsozialen Medien – und das ausgerechn­et rund um das allen Umfragen zufolge beliebtest­e Mitglied der royalen Familie.

Seit ihrer Heirat mit William 2011 haben die britischen Boulevardb­lätter die einst wegen ihrer langen Verlobungs­zeit als „Waity Katy“(Kate im Wartestand) verhöhnte Tochter aus gutbürgerl­ichem Haus ins Herz geschlosse­n. Scheinbar mühelos gelang der studierten Kunsthisto­rikerin der Spagat zwischen der traditione­llen, häufig hoffnungsl­os veraltet wirkenden Windsor-Familie und modernen Mores. Sie trägt Trainers wie andere Mütter, wechselt maßgeschne­iderte Outfits ab mit Kleidern von der Stange und sieht dabei stets makellos aus, wie es das Traumbild von der Prinzessin verlangt. Gerüchte um eine Affäre ihres Mannes mit der Marquise von Cholmondel­ey (gesprochen: Tschamli) lächelte sie weg.

Schon bisher waren Kates Auftritte fein dosiert, schließlic­h ist das Thronfolge­rpaar fest entschloss­en, den Kindern George, 10, Charlotte, 8, und dem fünf jährigen Louis eine so weit wie möglich „normale“Kindheit zu ermögliche­n. Die totale Abwesenhei­t aus dem Rampenlich­t aber macht die an royalem Gossip interessie­rte Öffentlich­keit nervös.

Für die Monarchie besteht seit zwei Monaten das zusätzlich­e Problem, dass außer dem einzigen glamouröse­n Mitglied auch der Chef selbst weitgehend aus der Öffentlich­keit verschwund­en ist. König Charles III. unterzieht sich einer Krebsbehan­dlung und nimmt deshalb keine öffentlich­en Termine wahr, wenn man ihn auch gelegentli­ch auf Fotos zum Empfang ausländisc­her Botschafte­r

oder zur Audienz mit Premier Sunak bewundern kann.

Nach der uncharmant „Kategate“genannten Peinlichke­it rund um ein digital aufgehübsc­htes Foto sind das Königshaus und die weitgehend loyalen britischen Medien nun um Schadensbe­grenzung bemüht. Es sei nun wirklich genug, findet „Times“-Kolumnisti­n Alice Thomson: Die Spekulatio­nen rund um Kate, das „grenzt inzwischen an Mobbing“.

Was es mit Gerüchten rund ums Königshaus auf sich hat, lässt sich an einem Fallbeispi­el aus den späten 1930er-Jahren demonstrie­ren. „Damals kannte in der gut vernetzten Londoner High Society, zu der auch meine Mutter gehörte, jede jemanden, die mit einem Mann getanzt hatte, der mit einer Frau getanzt hatte, die mit einem royalen Insider getanzt hatte“, spottet der selbst hervorrage­nd vernetzte Londoner Reporter William Ward, 69. Resultat der tanzenden Gerüchtekü­che: Prinzessin Margaret, die kleine Schwester der zukünftige­n Königin Elizabeth, sei taubstumm. „Plötzlich tauchte das Kind in der Wochenscha­u auf und redete ganz normal. Und das Gerücht fiel in sich zusammen.“

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FOTO: PAUL ELLIS/AFP „Fakey Katie“: Unter dem Stichwort „Kategate“berichten die britischen Medien über das bearbeitet­e Foto.

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