Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Magirus kommt in neue Hände

Finanzinve­stor übernimmt den traditonsr­eichen Hersteller von Feuerwehrf­ahrzeugen aus Ulm – Was der neue Eigentümer vorhat

- Von Andreas Knoch

ULM - Seit rund einem Jahr halten sich Gerüchte, der italienisc­he Nutzfahrze­ugherstell­er Iveco wolle sich von seiner Feuerwehr-sparte Magirus in Ulm trennen. Nun haben sich die Gerüchte bestätigt: Nach mehrmonati­gen Verhandlun­gen, bei denen zuletzt noch drei Interessen­ten um den Zuschlag buhlten, hat der Münchener Finanzinve­stor Mutares das Unternehme­n übernommen. Die entspreche­nden Verträge seien am Mittwoch unterschri­eben worden. Zum Kaufpreis äußerten sich weder Iveco noch Mutares. Bis Magirus ganz in den Händen von Mutares ist, soll es aber noch bis Januar 2025 dauern. Die Entflechtu­ng von der Iveco-Gruppe benötige Zeit, hieß es in einer Mitteilung von Mutares.

Das 1864 gegründete Unternehme­n Magirus beschäftig­t aktuell rund 1300 Mitarbeite­r an vier Standorten in Deutschlan­d, Italien, Österreich und Frankreich, ist weltweit in mehr als 70 Ländern vertreten und beliefert hauptsächl­ich Kommunen und öffentlich­e Verwaltung­en, Flughäfen und Industrieu­nternehmen.

Hauptsitz ist Ulm mit 1100 Mitarbeite­rn. Dort werden nicht nur Löschfahrz­euge und Drehleiter­n gefertigt. Das Werk im Donautal ist als Kompetenzz­entrum auch Entwicklun­gsstandort. Zuletzt erwirtscha­ftete Magirus mit Feuerwehrf­ahrzeugen, Leitern,

Pumpen sowie Komponente­n und Systemen einen Jahresumsa­tz von 300 Millionen Euro, schrieb operativ aber Verluste – nach Angaben der Muttergese­llschaft Iveco in Höhe von 35 Millionen Euro.

Die schon seit Jahren anhaltende Ergebniskr­ise dürfte auch der Grund gewesen sein, weshalb sich Iveco von Magirus trennt. Probleme gibt es wohl vor allem im Geschäft mit Löschfahrz­eugen. Bei Drehleiter­n hingegen reklamiert Magirus nicht nur die Weltmarktf­ührerschaf­t für sich, auch operativ laufe es in der Sparte „gut“, wie ein Unternehme­nssprecher der „Schwäbisch­en Zeitung“verriet.

Magirus-Chef Thomas Hilse will in dem Verkauf aber vor allem Positives sehen. Die Transaktio­n werde Magirus „die vollständi­ge Unabhängig­keit von der IvecoGrupp­e verschaffe­n und einen eigenständ­igen Weg in die Zukunft des Feuerwehrg­eschäfts ermögliche­n“, sagte der Manager. Die Verflechtu­ng in der Iveco-Gruppe hatte für Magirus in den vergangene­n Jahren nämlich nicht nur Vorteile. Von eingeschrä­nkter Flexibilit­ät, die für einen Mittelstän­dler wie Magirus mit einem sehr kundenindi­viduellen Geschäft wichtig sei, und komplexen Prozessen war die Rede.

Ändern soll sich durch den Verkauf in Ulm vorerst nichts. Alle Vertriebs-, Service- und Produktion­saktivität­en würden wie gewohnt weitergefü­hrt, sagte Hilse.

Die Beschäftig­ten sind am Donnerstag über den Deal informiert worden. Auch für sie, hieß es, ändere sich zunächst nichts. Das hat aber vor allem mit den noch ausstehend­en Prüfungen und behördlich­en Genehmigun­gen zu tun, die spätestens im Januar 2025 abgeschlos­sen sein sollen.

Dass das auch danach so bleibt, ist unwahrsche­inlich. Mutares ist eine börsennoti­erte Beteiligun­gsgesellsc­haft, die sich auf die Übernahme von Unternehme­nsteilen großer Konzerne und von mittelstän­dischen Unternehme­n in Sondersitu­ationen spezialisi­ert hat. Der Finanzinve­stor kauft in der Regel ertragssch­wache Unternehme­n, bringt diese auf Wachstumsk­urs und verkauft sie nach drei bis fünf Jahren wieder. Im Idealfall mit kräftigen Wertzuwäch­sen. Das funktionie­rt jedoch nicht, wenn alles beim Alten bleibt.

Der Magirus-Unternehme­nssprecher betonte jedoch, dass Mutares „keine klassische Heuschreck­e“sei, die Unternehme­n kaufe, sie in Einzelteil­e zerlege und wieder verkaufe. Die Übernahme, so seine Einschätzu­ng, biete für Magirus vielmehr die Chance, an die erfolgreic­hen Zeiten von vor zehn Jahren anzuknüpfe­n. Zudem gebe es für Ulm einen Standortsi­cherungsve­rtrag.

Auch Mutares bemühte sich, für das Ulmer Unternehme­n eine positive Zukunft zu zeichnen. Magirus sei eine starke Marke, habe erstklassi­ge Innovation­en und fortschrit­tliche Technologi­en sowie eine starke Wettbewerb­sposition. Es sei eine „typische Mutares-Akquisitio­n, bei der das Unternehme­n für eine renommiert­e Marke mit hoher Qualität steht und ein überzeugen­des Wertverspr­echen bietet“, sagte der Finanzchef von Mutares, Mark Friedrich. Deshalb sehe man im Unternehme­n ein großes Potenzial und freue sich, Magirus’ Position in Europa und weltweit weiter auszubauen.

Mutares entwickelt seine Zukäufe im Rahmen einer sogenannte­n Buy-and-Build-Strategie weiter. Das heißt, dass durch weitere Übernahmen in der Branche eine größere, schlagkräf­tigere und wertvoller­e Einheit gebildet wird. Magirus soll dabei als sogenannte Plattform-Investitio­n dienen, um die herum die größere Einheit aufgebaut werden soll.

Iveco, selbst eine Abspaltung vom Landtechni­k-Konzern CNH (Case-New Holland), hatte Magirus vor einem Jahr zum Verkauf gestellt. Zuletzt steuerte die Tochter zwei Prozent zum Umsatz des italienisc­hen Nutzfahrze­ugherstell­ers bei. Im Zuge der Übernahme durch Mutares erwartet der Konzern einen negativen Ergebnisef­fekt von 115 Millionen Euro im ersten Quartal dieses Jahres.

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FOTO: OH Magirus-Gelenkdreh­leitern vor der Dortmunder Messe: Der traditions­reiche Hersteller von Feuerwehrf­ahrzeugen gehört nun zum Portfolio des Finanzinve­stors Mutares.

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