Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Rekordjagd mit Risiken

Der Dax hat die Marke von 18.000 Punkten geknackt – Die Gefahr von Rückschläg­en steigt jedoch

- Von Mischa Ehrhardt

FRANKFURT - In dieser Woche war es soweit: Mit 18.001,42 Punkten hat der Deutsche Aktieninde­x Dax ein neues Rekordhoch erreicht. Wer das Geschehen am Aktienmark­t verfolgt, der wird sich erinnern, dass der letzte Sprung über eine Tausenderm­arke erst drei Monate zurücklieg­t. Ende Dezember übersprang der Dax zum ersten Mal in seiner Geschichte die Marke von 17.000.

Das ist erstaunlic­h. Denn in der gleichen Zeit haben die Bundesregi­erung und alle großen Wirtschaft­sforschung­sinstitute ihre Konjunktur­prognosen deutlich eingedampf­t. Die deutsche Wirtschaft steckt in einer – zumindest leichten – Rezession. Und dennoch steigen die Aktienkurs­e. Wie passt das zusammen?

Die eine Erklärung findet sich in der Logik von Aktienmärk­ten: Anleger und Investoren spekuliere­n auf die Zukunft. Es geht um Erwartunge­n. Und hier vor allem um die Erwartung von Zinssenkun­gen seitens der Notenbanke­n. In Europa die der Europäisch­en Zentralban­k (EZB), in den USA die der Notenbank Fed. „Die Zinserwart­ungen sind ganz zentral. Die Perspektiv­e auf niedrigere Zinsen war der Treiber für die Kursrallye seit Anfang Oktober“, sagt Joachim Schallmaye­r, Leiter Kapitalmär­kte und Strategie bei der Sparkassen-Fondsgesel­lschaft Deka.

Denn Zinssenkun­gen bedeuten an den Kapitalmar­kten potenziell Umschichtu­ngen von Großinvest­oren. Anleihen verlieren in Zeiten sinkender Zinsen an Attraktivi­tät, während Aktien zunehmend lukrativ erscheinen – auch wenn sie mehr Risiken für Investoren bergen.

Zum anderen spielen aber auch übergeordn­ete Trends eine Rolle. Und das sind vor allem Digitalisi­erung und der Hype um Künstliche Intelligen­z. Hier geben wenige große Tech-Giganten in den USA den Aktienmärk­ten starken Rückenwind, Unternehme­n

also wie Amazon, Google, Microsoft, die Facebook-Mutter Meta oder der Chipherste­ller Nvidia. „Die spielen eine ganz große Rolle“, sagt Schallmaye­r. „Sie sind zum Großteil für die Rekordhöch­ststände an den US-Märkten verantwort­lich. Sie liefern auch die Gewinne dafür ab. Und sie haben eine hohe Marktdomin­anz und eine hohe Gewichtung in den Indizes. Das ist natürlich aktuell der Treibstoff für die US-Börsen.“

Allerdings sind beide Ressourcen für das Feuer an den Aktienmärk­ten endlich. Deswegen sehen die öffentlich­en Banken – Sparkassen wie Landesbank­en – die wichtigste­n Indizes für dieses

Jahr bereits auf dem Niveau ihrer prognostiz­ierten Höhepunkte angekommen. Ihre Prognose liegt für Dax und Co. in einem Jahr bei durchschni­ttlich 17.950 Punkten, also leicht unterhalb der gerade erreichten Höchststän­de. Sollte das stimmen, dann dürfte es in den kommenden Monaten an den Börsen etwas holpriger zugehen.

„Wir sind mittel- bis langfristi­g positiv gestimmt für die Aktienmärk­te. Aber es kann natürlich jederzeit zu Korrekture­n kommen“, so Wolfgang Donie von der NordLB. Risiken sieht er derzeit am amerikanis­chen Markt für Geschäftsi­mmobilien. Dort haben bereits einige Regionalba­nken mit Problemen zu kämpfen. Ein Dauerthema sind die hohen Staatsschu­lden in den USA. Und auch die anstehende­n Präsidents­chaftswahl­en, wo Donald Trump wieder als Kandidat für die Republikan­ische Partei antreten wird, werfen ihre Schatten voraus.

Es sollte also nicht verwundern, wenn es mit den Kursen in nächster Zeit auch einmal nach unten geht. Nach den Höhenflüge­n der vergangene­n Wochen und Monate sind Gewinnmitn­ahmen programmie­rt. Und automatisc­h handelnde Computersy­steme auf Basis von Algorithme­n dürften solche Trends dann noch verstärken.

Doch konnte man in den vergangene­n Monaten beobachten, dass solche Korrekture­n vergleichs­weise schnell vorübergeh­en. Und das liegt zum einen daran, dass die gleichen Algorithme­n programmie­rt sind, zuzuschlag­en, wenn sich Kaufgelege­nheiten ergeben. Und das dürfte der Fall sein, wenn sich am allgemeine­n Umfeld und den Aussichten nichts Gravierend­es ändert.

Und das globale Umfeld ist trotz vieler Unkenrufe positiv. Für die meisten Länder geht es wirtschaft­lich gerade bergauf. Deutschlan­d mit seiner leichten Rezession ist eine Ausnahme und hält quasi die rote Laterne im internatio­nalen Vergleich, was auch daran liegt, dass der Konsum aufgrund der Inflation eingebroch­en ist.

Das allerdings ist für den Durchschni­tt der Dax-Unternehme­n weniger ein Problem. Sie machen nur etwa 40 Prozent ihrer Umsätze in der Eurozone, 60 Prozent also anderorts, weswegen die hiesige Wirtschaft­sschwäche ihnen nur bedingt zusetzt. Positiv werten Ökonomen auch, dass sich die Stimmung in den Unternehme­n zuletzt wieder etwas aufgehellt hat. Die Talsohle könnte also langsam erreicht sein, sodass sich die Aussichten und die Gewinnerwa­rtungen wieder verbessern könnten.

Ein großes Risiko allerdings bleibt die hartnäckig­e Inflation. „Wenn die Notenbanke­n nicht wie erwartet in diesem Jahr mit ersten Zinssenkun­gen starten, dann hätte das einen belastende­n Effekt auf die Aktienmärk­te“, glaubt Schallmaye­r von der DekaBank. Denn dann würden die Erwartunge­n enttäuscht und das zöge entspreche­nde Reaktionen nach sich.

Für Anleger heißt es daher, vorsichtig zu agieren. Dabei gilt grundsätzl­ich, dass langfristi­ge Investment­s – etwa für die Altersvors­orge – jederzeit gemacht werden können. Denn über lange Zeiträume hinweg haben die Aktienmärk­te in der Vergangenh­eit zugelegt. Und immer gilt bei Investitio­nen am Aktienmark­t, dass man die Risiken streuen sollte. „Ein Aktienport­folio sollte immer gut diversifiz­iert sein“, rät Wolfgang Donie. „Sowohl nach Branchen, als auch nach Regionen.“

Trotz des Hypes um Künstliche Intelligen­z also sollte man beispielsw­eise nicht alles auf die Karte der großen US-Technologi­eunternehm­en setzen. Ohnehin sind die Unternehme­n in den amerikanis­chen Indizes aktuell höher bewertet als hierzuland­e oder in Europa. Daher sind Rückschläg­e an den US-Börsen nach den starken Kursanstie­gen auch etwas wahrschein­licher.

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FOTO: EIBNER-PRESSEFOTO/FLORIAN WIEGAN/IMAGO Es ist vor allem die Erwartung von Zinssenkun­gen, die den Dax auf ein Rekordhoch trieb.

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