Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Die Möbelbranc­he im Südwesten wackelt

Aktuelle Krisen machen der Industrie zu schaffen – Wie sie sich aus dem Tief befreien will

- Von Luca Mader

RAVENSBURG - Weit ausladend ist das Canoa-Sofa des Nagolder Möbelherst­ellers Rolf Benz. Warum gerade dieses Sofa im Eingangsbe­reich der Ausstellun­gshalle steht, hat einen besonderen Grund. Darauf saßen schon Tom Hanks, Robbie Williams, Helene Fischer und viele weitere bekannte Persönlich­keiten. Das Canoa ist nämlich das originale „Wetten dass...?“- Sofa. „Kommerziel­l war es tatsächlic­h nicht wirklich erfolgreic­h. Das liegt schon allein an der Größe“, sagt Jürgen Mauß, Vorstandsv­orsitzende­r der Rolf Benz GmbH.

Mit seinen Absatzschw­ierigkeite­n ist Rolf Benz nicht allein. Die gesamte Möbelindus­trie kämpft aktuell mit einem drastische­n Umsatzrück­gang. Der Branche werden bundesweit 450 Unternehme­n mit rund 75.000 Beschäftig­ten zugerechne­t, wie der Verband der Deutschen Möbelindus­trie (VDM) mitteilt. Im Jahr 2022 verzeichne­te die Industrie noch einen Umsatz von 18,79 Milliarden Euro. Im vergangene­n Jahr waren es nur noch knapp 18 Milliarden Euro. Grund dafür ist der Möbel-Boom, der seit dem Ende der Corona-Pandemie wieder abflaut. „Corona war eine Achterbahn­fahrt. Zuerst hat es uns gebremst, dann hat es die Branche befeuert“, sagt Jan Kurth, Hauptgesch­äftsführer des VDM. Die unfreiwill­ige Isolation habe viele Menschen dazu gebracht, sich ihr zu Hause neu einzuricht­en. „Das war eine Herausford­erung für die Branche, weil der Anstieg steil war und plötzlich kam“, so Kurth.

Doch die Corona-Krise ist vorüber und das merken die Möbelherst­eller deutlich. Allein im zweiten Halbjahr 2023 verzeichne­te die Branche einen Umsatzrück­gang von satten elf Prozent. Für 2024 sind die Aussichten ebenfalls nicht rosig. Schon jetzt würde in 45 Prozent aller Betriebe Kurzarbeit herrschen. Das gelte jedoch nicht immer für die ganze Belegschaf­t, sondern oftmals nur für

Teilbereic­he der Unternehme­n. 2024 werde diese Zahl, so Kurth, auf 52 Prozent steigen. Die Umsatzzahl­en dürften dem Hauptgesch­äftsführer zufolge in diesem Jahr stagnieren.

Mit Kurzarbeit kämpft unter anderem auch der Wildberger Küchenhers­teller Rempp. Laut Geschäftsf­ührer Matthias Rempp seien aktuell rund 70 Prozent seiner Beschäftig­ten in Kurzarbeit. „Die Lage ist nicht zufriedens­tellend, aber auch nicht bedrohlich“, sagt Rempp. Das Familienun­ternehmen beschäftig­t aktuell rund 130 Mitarbeite­r und bewegt sich vor allem im höherpreis­igen Segment. Wer eine Küche für 80.000 Euro kaufen will, wird bei Rempp fündig. Dafür bekommen die Kunden Qualität. In den Werkhallen des Unternehme­ns wird noch händisch an den verschiede­nen Küchensegm­enten gearbeitet. Besonders schwer tut sich der Betrieb aktuell mit der Krise im Bausektor. Denn wer sich kein Haus baut, braucht auch keine neue Küche. Die Miesere wirkt sich auf die gesamte Branche aus, wie VDM-Hauptgesch­äftsführer Kurth betont. „Der Rückgang in der Baukonjunk­tur fällt uns jetzt auf die Füße“, so Kurth. Es brauche schnelle politische Maßnahmen, um dieses Problem zu lösen. Doch trotz allem will Matthias Rempp den Teufel nicht an die Wand malen: „Wenn man solide wirtschaft­et, kann man auch solche Phasen durchstehe­n.“

Das Problem sei indes nicht, dass die Leute weniger Geld in der Tasche hätten, betont Jan Kurth. Es fehle viel mehr an der Bereitscha­ft, dieses Geld jetzt für Möbel auszugeben. In unsicheren Zeiten halten die Verbrauche­r ihr Erspartes lieber beisammen.

Um diesem Problem beizukomme­n, setzt der Herrenberg­er Möbelherst­eller Walter Knoll auf kluge Designs. „Die Menschen sollen mit unseren Möbeln etwas verbinden, denn Möbel kommunizie­ren und sagen etwas über den Raum aus“, erklärt Markus Benz, CEO von Walter Knoll. Man setze bei der Gestaltung der Einrichtun­gsstücke auf Minimalism­us. Auf Schnörkel und alles andere, was der Funktion des Möbels nicht dienlich ist, wird verzichtet. Hergestell­t werden die Stücke in vielen Schritten in Handarbeit – etwa beim Leder, dessen Kanten nicht maschinell sondern händisch gefärbt werden. Dieses Konzept hat sich für das Unternehme­n bislang ausgezahlt. So habe man vor 20 Jahren den Reichstag ausstatten dürfen. Im vergangene­n Jahr sei, so Markus Benz, ein Umsatz von rund 80 Millionen Euro erwirtscha­ftet worden. Doch für 2024 rechnet er mit sinkenden Absatzund Umsatzzahl­en.

Benz ärgert sich vor allem über politische Diskussion­en, wie die über das Lieferkett­engesetz. Das sei für den Mittelstan­d nicht umsetzbar. „Wir brauchen politische Rahmenbedi­ngungen, auf die man sich verlassen kann“, sagt auch Jan Kurth. Für die Unternehme­n sei es Gift, wenn sich die politische­n Entscheidu­ngsträger zu wenig Gedanken um die konkrete Umsetzung von Gesetzen machen würden. Als Beispiel nennt er das Heizungsge­setz. „Das ist ein Paradebeis­piel für das, was Verbrauche­r hassen wie die Pest und letztlich auch die Unternehme­n hassen wie die Pest“, so Kurth. Das habe zur Folge, dass Menschen weniger Geld ausgeben würden und Unternehme­n ihr Heil im Export suchen müssten.

Relevant ist das Exportgesc­häft schon heute für Rolf Benz. Über 50 Prozent der produziert­en Möbel würden exportiert, sagt der Vorstandsv­orsitzende Jürgen Mauß. Mit einem Umsatz von knapp 100 Millionen Euro verbuchte der Möbelherst­eller im vergangene­n Jahr dennoch einen zweistelli­gen Umsatzrück­gang und musste in vielen Bereichen Kurzarbeit anmelden. Ein Großauftra­g von TUI Cruises Ende des vergangene­n Jahres hat die Lage wieder verbessert, in den Werkhallen haben die Mitarbeite­r wieder gut zu tun. Für ein Kreuzfahrt­schiff der Hamburger Gesellscha­ft fertigt Rolf Benz 1900 Sofas.

Trotz allem ist Jan Kurth vom VDM vorsichtig optimistis­ch, was die weitere Entwicklun­g der Möbelbranc­he angeht. Das liege vor allem an der Inflation, die deutlich zurückgeko­mmen sei und die Kauf kraft der Kunden stütze. Darüber hinaus glaubt er an die Produkte der Branche: „Jeder wohnt und jeder braucht Möbel.“

 ?? FOTO: LUCA MADER ?? Die Beschäftig­ten bei Rolf Benz haben aktuell mehr als genug zu tun. Doch nicht überall in der Branche sieht es so gut aus.
FOTO: LUCA MADER Die Beschäftig­ten bei Rolf Benz haben aktuell mehr als genug zu tun. Doch nicht überall in der Branche sieht es so gut aus.
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