Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Andere Länder, andere Sitten

- Von Roswitha Stumpp

Ich war zum 80. Geburtstag eines ehemaligen Kollegen eingeladen. Er hat eine riesige Verwandtsc­haft und viele Freunde. Entspreche­nd groß war die Anzahl der Gäste. Es dauerte eine Weile, bis alle ihren Platz gefunden hatten. Von denen, die mit mir am Tisch saßen, kannte ich keinen. Gleich nach einem Geburtstag­sständchen wurde die Suppe serviert. Mein Gegenüber hatte bereits die Serviette um den Hals gebunden und legte sofort los. Mit erstaunlic­her Geschwindi­gkeit schlürfte er Löffel um Löffel Suppe in sich hinein. Der Geräuschpe­gel dabei war beachtlich. Mehrere Köpfe an den Nachbartis­chen drehten sich, unangenehm berührt, nach dem Schlürfer um. An unserem Tisch sagte keiner was, es war, als hätte es allen die Sprache verschlage­n.

Geräusche aller Art bei Tisch oder essen mit offenem Mund und was es da sonst noch an Unarten gibt, sollten, so heißt es in unseren Breitengra­den, am Tisch tabu sein. An dieser Stelle möchte ich mich übrigens bei allen Eltern bedanken, die ihren Sprössling­en Tischsitte­n beigebrach­t haben. Aber: Andere Länder, andere Sitten. In China etwa wird man wegen Schmatzen, Schlürfen oder weiterer bei uns verpönter Dinge beim Essen nicht mit bösen Blicken bestraft. Wer aber unbedingt in ein chinesisch­es Fettnäpfch­en treten will, putzt sich am Tisch ausführlic­h die Nase und steckt sein Taschentuc­h wieder ein. Das geht in China gar nicht! Allerdings gibt es bei uns dann doch Gerichte, bei denen man um gelegentli­ches Schlürfen kaum herumkommt. Ich denke da speziell an „Flädlesupp­e“.

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