Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Bodenseekreis fährt harten Kurs beim Thema Migration
Kreistag verabschiedet auf Antrag der CDU-Fraktion Resolution zur Flüchtlings- und Asylpolitik
FRIEDRICHSHAFEN - Der Kreistag des Bodenseekreises hat am Dienstag auf Antrag der CDUFraktion eine Resolution zur Flüchtlings- und Asylpolitik verabschiedet. Darin wird angesichts der aktuell großen Herausforderungen eine Begrenzung des Zuzugs von geflüchteten Menschen in den Bodenseekreis gefordert und eine grundlegende Wende in der Migrationspolitik. Der Text hatte seit der Ankündigung der CDU im vergangenen Dezember für viel Wirbel gesorgt, er wurde auf Drängen der SPD-Fraktion abgeändert. Die Resolution wurde bei fünf Gegenstimmen und neun Enthaltungen, vor allem seitens der Grünen-Fraktion, verabschiedet.
„Unser Herz ist weit, aber unsere Möglichkeiten sind endlich“, zitierte der Fraktionsvorsitzende Georg Riedmann den Altbundespräsidenten Joachim Gauck bei der Erläuterung des CDU-Antrags. Angesichts der „größten Zahl von Flüchtlingen und Migranten seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs“sei die Belastungsgrenze seit Monaten erreicht und „in vielen Kommunen längst überschritten“. Neue Gruppenunterkünfte riefen bei der Bevölkerung Widerstand hervor auch im Bodenseekreis, die gegenwärtige unkontrollierte Migration sei eine Demokratiegefährdung erster Ordnung. „Tun wir nichts, treiben wir die Menschen in die Arme der Hetzer und Extremisten“.
Riedmann begründete, warum es die Resolution für die CDU trotz der seit Antragseinbringung im Dezember in Gang gekommenen Entwicklungen trotzdem noch braucht. Mehr als Beschlüsse von Kabinetten oder der EUKommission gebe es nicht. Kein einziges Gesetz sei in Kraft. Es bleibe nötig, „durch eine starke und klar formulierte Resolution Druck aufrechtzuerhalten“. Außerdem bezog Riedmann Stellung, inwieweit die CDU-Forderung nach Begrenzung von Migration verfassungswidrig sei. Nur ein Prozent der Fälle hätten beim Thema Asyl mit dem Grundgesetz zu tun. „Die aktuelle Debatte um mögliche Höchstgrenzen bezieht sich zu 99 Prozent auf Menschen, die nicht auf der Basis eines verfassungsmäßig geschützten Umstandes um Schutz bei uns ansuchen“. Dennoch habe man das umstrittene Wort „Obergrenze“aus dem Entwurf herausgenommen. Das Kind bekommt jetzt einen anderen Namen: „realistische Integrationsgrenze für Deutschland“. Auch die Themen Staatsangehörigkeit und Abschiebung habe man in Relation zu geltendem Recht gestellt. Eine Abstimmung mit „weiten Teilen der demokratischen Mitte ist uns wichtig“.
„Die CDU hat Veränderungen vorgenommen und ist auf unsere Bedenken eingegangen. Dafür bedanke ich mich“, sagte Dieter
Stauber für die SPD-Fraktion. Er verwies auf die Punkte, an denen auf Drängen der SPD nachgebessert wurde. Etwa, dass man sich in der Präambel zum Recht auf Asyl und dem Schutz für von Verfolgung bedrohten Menschen ausdrücklich bekennt. Dass die Durchführung von Asylverfahren in Drittstaaten von der rechtlichen Zulässigkeit abhängig gemacht wird und, dass das Wort Obergrenze nicht mehr vorkommt. Laut Stauber ist im Resolutionstext jetzt auch festgehalten, dass nicht abgeschoben werden dürfe, wenn die Menschenrechtskonvention dies verbiete und wenn konkrete Gefahr für Leib oder Leben der Menschen bestehe. Die SPD nahm somit deutlichen Einfluss auf den Text und machte es auch zu ihrem Thema: „Es ist uns wichtig, möglichst eine gemeinsame Resolution zu beschließen“, sagte Stauber.
Dass es mit einer gemeinsamen Aktion nichts werden würde, war bereits nach der Fraktionserklärung von Evmarie Becker von Bündnis90/Die Grünen klar. Die Fraktionschefin erkannte zwar den Wunsch vieler an, die Zuwanderung zu begrenzen. Die von der CDU vorgelegte Resolution biete allerdings keine wirklichen Lösungen. Sie suggeriere viel mehr, dass Probleme vor Ort einfach mit Forderungen an den Bund gelöst werden könnten. Es werde weiter suggeriert, dass es den demokratischen Parteien lediglich am politischen Willen fehle. Die Resolution bediene sich populistischer Rhetorik.
Becker kritisierte, dass sich der Text „nicht ausreichend auf konkrete kommunale Handlungsoptionen“konzentriere und dass einige Forderungen nicht mehr aktuell seien, weil Maßnahmen seitens der Ampel bereits auf den
Weg gebracht worden seien. Beim Ausdruck „realistische Integrationsgrenze“handle es sich um einen Euphemismus für die Obergrenze, und die stehe nicht im Einklang mit dem Grundgesetz. Die Grüne brachte Bedenken zur CDU-Forderung nach einer Drittstaatenlösung vor. Das Thema Vermeidung von Fluchtursachen vermisse sie im Text. „Der Bodenseekreis erwirtschaftet einen guten Teil seines Wohlstands mit wenig Rücksicht auf das Klima“, sagte Becker, durch Rüstungsproduktion trage man zur Befeuerung von Konflikten und zu Fluchtbewegungen bei. „Unser heutiger Lebensstil fußt auch auf Ausbeutung von Menschen in anderen Ländern.“
Die Fraktionsvorsitzende der Grünen machte deutlich, dass die Resolution ohne gemeinsame Beratung im Kreistag verabschiedet werden sollte und dass ein gemeinsamer Prozess der demokratischen Parteien nicht gewollt war und somit nicht stattfand. Diesen Punkt schärfte der Grüne Kreisrat Martin Hahn nochmal deutlich nach: „Eine geeinte Resolution wäre aller Ehren wert gewesen“, sagte er. Er sei sehr unglücklich, dass nur wenige Änderungen möglich gewesen seien. „Vieles ist richtig, vieles ist nicht richtig“, sagte Hahn, deshalb werde er sich enthalten.
Henrik Wengert signalisierte dagegen Zustimmung von den Freien Wählern. Der Fraktionsvorsitzende zeigte sich erleichtert, dass sich CDU und SPD auf einen Text geeinigt hatten. Die beim Migrationsgipfel gefassten Beschlüsse zeigten noch keine Wirkung, vieles klinge wie „Kanzleitrost“. Dennoch ließ Wengert durchblicken, dass er von solchen Resolutionen nicht viel hält. „Mir fehlt der Glaube“sagt er über die Wirkung der vorliegenden. Eine Resolution für den Erhalt des Rettungshubschraubers Christoph 45 in Friedrichshafen hätten über 30.000 Menschen unterschrieben, gebracht hat sie nichts. Von Resolutionen, die nach außerhalb des eigenen Wirkungskreises zielten, müsse man sich verabschieden. „Sie bringen uns nicht ans Ziel.“
Volle Zustimmung erhielt der CDU-Antrag von der AfD: „Beim ersten Lesen des Resolutionsentwurfs dachte ich mir, der Antrag könnte genauso gut von der AfD sein“, sagte der Fraktionsvorsitzende Christoph Högel. Die CDU und andere Fraktionen würden sich der AfD annähern beim Thema Migration. Högel lobte den Antrag Punkt für Punkt und verwies jeweils auf entsprechende Forderungen von Alice Weidel als Bundestagsabgeordnete des Bodenseekreises oder zitierte das Grundsatzprogramm der Partei.
Die Mitglieder der FDP-Fraktion hatten sich für die Sitzung entschuldigt.