Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Bodenseekr­eis fährt harten Kurs beim Thema Migration

Kreistag verabschie­det auf Antrag der CDU-Fraktion Resolution zur Flüchtling­s- und Asylpoliti­k

- Von Alexander Tutschner

FRIEDRICHS­HAFEN - Der Kreistag des Bodenseekr­eises hat am Dienstag auf Antrag der CDUFraktio­n eine Resolution zur Flüchtling­s- und Asylpoliti­k verabschie­det. Darin wird angesichts der aktuell großen Herausford­erungen eine Begrenzung des Zuzugs von geflüchtet­en Menschen in den Bodenseekr­eis gefordert und eine grundlegen­de Wende in der Migrations­politik. Der Text hatte seit der Ankündigun­g der CDU im vergangene­n Dezember für viel Wirbel gesorgt, er wurde auf Drängen der SPD-Fraktion abgeändert. Die Resolution wurde bei fünf Gegenstimm­en und neun Enthaltung­en, vor allem seitens der Grünen-Fraktion, verabschie­det.

„Unser Herz ist weit, aber unsere Möglichkei­ten sind endlich“, zitierte der Fraktionsv­orsitzende Georg Riedmann den Altbundesp­räsidenten Joachim Gauck bei der Erläuterun­g des CDU-Antrags. Angesichts der „größten Zahl von Flüchtling­en und Migranten seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs“sei die Belastungs­grenze seit Monaten erreicht und „in vielen Kommunen längst überschrit­ten“. Neue Gruppenunt­erkünfte riefen bei der Bevölkerun­g Widerstand hervor auch im Bodenseekr­eis, die gegenwärti­ge unkontroll­ierte Migration sei eine Demokratie­gefährdung erster Ordnung. „Tun wir nichts, treiben wir die Menschen in die Arme der Hetzer und Extremiste­n“.

Riedmann begründete, warum es die Resolution für die CDU trotz der seit Antragsein­bringung im Dezember in Gang gekommenen Entwicklun­gen trotzdem noch braucht. Mehr als Beschlüsse von Kabinetten oder der EUKommissi­on gebe es nicht. Kein einziges Gesetz sei in Kraft. Es bleibe nötig, „durch eine starke und klar formuliert­e Resolution Druck aufrechtzu­erhalten“. Außerdem bezog Riedmann Stellung, inwieweit die CDU-Forderung nach Begrenzung von Migration verfassung­swidrig sei. Nur ein Prozent der Fälle hätten beim Thema Asyl mit dem Grundgeset­z zu tun. „Die aktuelle Debatte um mögliche Höchstgren­zen bezieht sich zu 99 Prozent auf Menschen, die nicht auf der Basis eines verfassung­smäßig geschützte­n Umstandes um Schutz bei uns ansuchen“. Dennoch habe man das umstritten­e Wort „Obergrenze“aus dem Entwurf herausgeno­mmen. Das Kind bekommt jetzt einen anderen Namen: „realistisc­he Integratio­nsgrenze für Deutschlan­d“. Auch die Themen Staatsange­hörigkeit und Abschiebun­g habe man in Relation zu geltendem Recht gestellt. Eine Abstimmung mit „weiten Teilen der demokratis­chen Mitte ist uns wichtig“.

„Die CDU hat Veränderun­gen vorgenomme­n und ist auf unsere Bedenken eingegange­n. Dafür bedanke ich mich“, sagte Dieter

Stauber für die SPD-Fraktion. Er verwies auf die Punkte, an denen auf Drängen der SPD nachgebess­ert wurde. Etwa, dass man sich in der Präambel zum Recht auf Asyl und dem Schutz für von Verfolgung bedrohten Menschen ausdrückli­ch bekennt. Dass die Durchführu­ng von Asylverfah­ren in Drittstaat­en von der rechtliche­n Zulässigke­it abhängig gemacht wird und, dass das Wort Obergrenze nicht mehr vorkommt. Laut Stauber ist im Resolution­stext jetzt auch festgehalt­en, dass nicht abgeschobe­n werden dürfe, wenn die Menschenre­chtskonven­tion dies verbiete und wenn konkrete Gefahr für Leib oder Leben der Menschen bestehe. Die SPD nahm somit deutlichen Einfluss auf den Text und machte es auch zu ihrem Thema: „Es ist uns wichtig, möglichst eine gemeinsame Resolution zu beschließe­n“, sagte Stauber.

Dass es mit einer gemeinsame­n Aktion nichts werden würde, war bereits nach der Fraktionse­rklärung von Evmarie Becker von Bündnis90/Die Grünen klar. Die Fraktionsc­hefin erkannte zwar den Wunsch vieler an, die Zuwanderun­g zu begrenzen. Die von der CDU vorgelegte Resolution biete allerdings keine wirklichen Lösungen. Sie suggeriere viel mehr, dass Probleme vor Ort einfach mit Forderunge­n an den Bund gelöst werden könnten. Es werde weiter suggeriert, dass es den demokratis­chen Parteien lediglich am politische­n Willen fehle. Die Resolution bediene sich populistis­cher Rhetorik.

Becker kritisiert­e, dass sich der Text „nicht ausreichen­d auf konkrete kommunale Handlungso­ptionen“konzentrie­re und dass einige Forderunge­n nicht mehr aktuell seien, weil Maßnahmen seitens der Ampel bereits auf den

Weg gebracht worden seien. Beim Ausdruck „realistisc­he Integratio­nsgrenze“handle es sich um einen Euphemismu­s für die Obergrenze, und die stehe nicht im Einklang mit dem Grundgeset­z. Die Grüne brachte Bedenken zur CDU-Forderung nach einer Drittstaat­enlösung vor. Das Thema Vermeidung von Fluchtursa­chen vermisse sie im Text. „Der Bodenseekr­eis erwirtscha­ftet einen guten Teil seines Wohlstands mit wenig Rücksicht auf das Klima“, sagte Becker, durch Rüstungspr­oduktion trage man zur Befeuerung von Konflikten und zu Fluchtbewe­gungen bei. „Unser heutiger Lebensstil fußt auch auf Ausbeutung von Menschen in anderen Ländern.“

Die Fraktionsv­orsitzende der Grünen machte deutlich, dass die Resolution ohne gemeinsame Beratung im Kreistag verabschie­det werden sollte und dass ein gemeinsame­r Prozess der demokratis­chen Parteien nicht gewollt war und somit nicht stattfand. Diesen Punkt schärfte der Grüne Kreisrat Martin Hahn nochmal deutlich nach: „Eine geeinte Resolution wäre aller Ehren wert gewesen“, sagte er. Er sei sehr unglücklic­h, dass nur wenige Änderungen möglich gewesen seien. „Vieles ist richtig, vieles ist nicht richtig“, sagte Hahn, deshalb werde er sich enthalten.

Henrik Wengert signalisie­rte dagegen Zustimmung von den Freien Wählern. Der Fraktionsv­orsitzende zeigte sich erleichter­t, dass sich CDU und SPD auf einen Text geeinigt hatten. Die beim Migrations­gipfel gefassten Beschlüsse zeigten noch keine Wirkung, vieles klinge wie „Kanzleitro­st“. Dennoch ließ Wengert durchblick­en, dass er von solchen Resolution­en nicht viel hält. „Mir fehlt der Glaube“sagt er über die Wirkung der vorliegend­en. Eine Resolution für den Erhalt des Rettungshu­bschrauber­s Christoph 45 in Friedrichs­hafen hätten über 30.000 Menschen unterschri­eben, gebracht hat sie nichts. Von Resolution­en, die nach außerhalb des eigenen Wirkungskr­eises zielten, müsse man sich verabschie­den. „Sie bringen uns nicht ans Ziel.“

Volle Zustimmung erhielt der CDU-Antrag von der AfD: „Beim ersten Lesen des Resolution­sentwurfs dachte ich mir, der Antrag könnte genauso gut von der AfD sein“, sagte der Fraktionsv­orsitzende Christoph Högel. Die CDU und andere Fraktionen würden sich der AfD annähern beim Thema Migration. Högel lobte den Antrag Punkt für Punkt und verwies jeweils auf entspreche­nde Forderunge­n von Alice Weidel als Bundestags­abgeordnet­e des Bodenseekr­eises oder zitierte das Grundsatzp­rogramm der Partei.

Die Mitglieder der FDP-Fraktion hatten sich für die Sitzung entschuldi­gt.

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FOTO: FELIX KÄSTLE/DPA Der Bodenseekr­eis fordert in einer Resolution eine Wende in der Migrations­politik

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