Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Neubau um 30 Jahre zurückkatapultiert
Haushersteller kritisieren Unzuverlässigkeit der Bundesregierung und realitätsferne Forderungen
HOSSKIRCH - Zuerst waren es steigende Rohstoffpreise und lange Lieferzeiten, später extreme Zinssteigerungen – die Baubranche steckt in einer Krise. „Wir fühlen uns von der Regierung komplett verhöhnt“, sagt Rebecca Germann, Juniorchefin und Architektin bei der Naturhausbau 2000 GmbH mit Sitz in Hoßkirch im Kreis Ravensburg.
Das Unternehmen betreut Kunden von den Planungen eines Einfamilienhauses in Holzständerbauweise bis zur Schlüsselübergabe. „Durch die steigenden bürokratischen Anforderungen haben wir im Vergleich zu den Vorjahren inzwischen den doppelten Aufwand für denselben Ertrag“, sagt sie. Schuld daran sei die fehlende Verlässlichkeit auf Seiten der Politik, die die Branche im Neubau um 30 Jahre zurückkatapultiere.
Die aktuelle Situation verleite Bauherren nämlich dazu, so billig wie möglich zu bauen, bestätigt Manfred Irmler, Anlage- und Vermögensberater sowie Geschäftsführer der Finex GmbH mit Sitz in Mengen im Kreis Sigmaringen. Wenn das Geld knapp ist, verwenden Bauherren schlechtere Materialien und bauen entsprechend in einer schlechteren Qualität. In der Folge kommen jedoch frühere Sanierungen und es müssen höhere Energiekosten bezahlt werden. „Es ist aktuell wieder erlaubt, energetisch so schlecht zu bauen, wie wir es bereits vor 30 Jahren getan haben“, sagt Germann, „und während all dieser Probleme klopft sich die Regierung auf die Schultern und verkündet stolz, dass es eine Neubauförderung gibt, die ihren Namen aktuell nicht ansatzweise verdient“.
Doch genau diese Förderung stellt alle Beteiligten vor Probleme – ist aber gleichzeitig unverzichtbar, um energieeffizientes und nachhaltiges Bauen voranzutreiben, so Robert Germann, Geschäftsführer von Naturhausbau. Zweimal hat die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) in den vergangenen zwei Jahren die Vollbremse gezogen – zuletzt im Dezember 2023 mit einem kompletten Förderstopp über Nacht. Von diesem Stopp waren bei Naturhausbau etliche Bauvorhaben betroffen. „Die Bauherren wussten nicht, ob ihr Traum geplatzt ist. Es ist ärgerlich und aufwendig, wenn man sich nicht einmal auf ein staatliches Förderprogramm verlassen kann“, sagt die Juniorchefin.
Bei einem aktuellen Förderprogramm-Zinssatz von knapp drei Prozent bei einer Laufzeit von zehn Jahren wird für immer mehr junge Menschen der Traum vom Eigenheim unbezahlbar. Dabei ist der aktuelle Bauzinssatz zwischen drei und vier Prozent nur unwesentlich höher. Hinzu kommen die beinahe täglichen Zinsänderungen, die keine Planungssicherheit ermöglichen. „Mich stört zudem die Ungerechtigkeit, wie die Förderanträge verteilt werden“, sagt Finanzierer Irmler. Zum einen gebe es mit der KfW eine Bundesförderung, zum anderen mit der L-Bank (Landeskreditanstalt) eine Landesförderung. Die beiden arbeiten jedoch nicht ausreichend miteinander, sodass manche Bauherren die doppelte Förderung bekommen – andere jedoch leer ausgehen, so Irmler.
Er sei mit Fällen konfrontiert gewesen, bei denen ein Paar mit über 150.000 Euro Jahreseinkommen die Förderung erhalten habe, nur weil ein Elternteil während den zwei Jahren, die zur Antragstellung zählen, gerade in Elternzeit war. Während ein anderes Paar, bei dem die Frau nach wenigen Monaten wieder arbeiten gehen musste, die Förderung nicht erhalten habe, weil sie mit ihrem Gehalt zusammen wieder über der förderungswürdigen Grenze lagen. „Mir tut es weh, zu sehen, wie das Geld ohne Verstand rausgeworfen wird“, sagt Irmler.
Und eine Besserung sei nicht in Sicht – stattdessen würden die Förderungen noch realitätsferner und komplizierter, so Germann. Ein aktuelles Beispiel: Mitte März kam die Information, dass rückwirkend zum 1. März nur noch Förderanträge bei der KfW gestellt werden können, wenn eine Bestätigung vom Energieberater und einem Nachhaltigkeitsauditor vorliegen. Ein Vertrag mit einem Bauträger dürfe erst nach dem KfW-Antrag abgeschlossen werden. Die von der KfW geforderte Bestätigung sei jedoch mit einem extremen Zeitaufwand verbunden. „Bei einem Einfamilienhaus muss dafür schon ein sehr konkreter Plan bestehen. Für die energetische Berechnung und die QNG-Vorauswertung (Qualitätssiegel-Nachhaltiges-Gebäude) ist eine Ingenieursleistung von rund einer Woche erforderlich“, so Germann. Für Haushersteller sei dies eine enorm große Vorleistung, ohne die Sicherheit zu haben, dass die Kunden tatsächlich auch mit diesem Hersteller bauen. „Bisher waren die Vorgespräche und Planungen kostenlos, waren aber auch nicht mit einer Woche Arbeit verbunden“, sagt Germann. Ob dies so bleibe, ist derzeit noch offen.
Zumindest beim Material gebe es wieder mehr Sicherheit. Aber obwohl einige Materialkosten in den vergangenen Monaten wieder gesunken sind, sei es mehr als unwahrscheinlich, dass die Baupreise ebenfalls wieder sinken werden, so Germann. „Wenn es die Materialkosten zulassen, steigen die Lohnkosten wieder an.“
Doch wie könnte sich die aktuelle Situation verbessern? Die Beteiligten sind sich einig: Die Regierung müsse wieder ein verlässlicher Partner sein und mit langfristig geplanten Förderungen das Bauen unterstützen. Zudem sollten Bund und Land stärker zusammenarbeiten und die Kriterien für eine Förderung, eventuell mit Spezialisten aus der Praxis, besser durchdenken, ohne dass es mehr bürokratische Auf lagen dahinter gibt. „Die Regierung sollte sinnvoller fördern und nicht immer nur fordern“, lautet die Meinung der Beteiligten.