Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Rückzug der Lufthansa trifft Wirtschaft
Anbindung ans Drehkreuz Frankfurt hat den Bodensee-Airport zum Tor zur Welt gemacht
FRIEDRICHSHAFEN - Bis zu viermal täglich fliegt die Lufthansa von Friedrichshafen nach Frankfurt. Insbesondere durch die Verbindung mit dem internationalen Drehkreuz ist der Bodensee-Airport für die Wirtschaft in der Region das Tor zur Welt. Am 30. März um 14.35 Uhr wird allerdings zum letzten Mal eine Lufthansa-Maschine in Friedrichshafen Richtung Frankfurt abheben, für mindestens zwölf Monate. Weshalb die Unternehmen ihren internationalen Geschäftsreiseverkehr künftig anders organisieren müssen. Und sie machen kein Hehl daraus, dass Alternativen mit hohem Zeit- und Kostenaufwand verbunden sind.
„Für uns ist die Nutzung des Flughafens Friedrichshafen mit einer Hub-Anbindung von großer Bedeutung“, gibt ein ZF-Sprecher zu verstehen. Die Streichung der LufthansaFlüge nach Frankfurt bedeute, dass „die Bodenseeregion vom Flugverkehr, insbesondere in Bezug auf interkontinentale Anschlussverbindungen vom Drehkreuz Frankfurt abgekoppelt“werde.
„Es gibt keinerlei Alternativen, ohne größeren Zeit- und Kostenaufwand in ein internationales beziehungsweise interkontinentales Streckennetz einzusteigen. Die Bahn war bereits zu Vor-Corona-Zeiten ein unzuverlässiger Partner, da regelmäßig 50 Prozent der Anschlüsse vom/ in das ICE-Netz wegen Verspätungen verpasst wurden“, so der Sprecher weiter. Einzig verbliebene Alternative sei die Nutzung der Flughäfen in Stuttgart und München – und die sei mit „erheblichen zusätzlichen Zeitaufwänden, Mietwagenkosten und Personalkosten“verbunden.
Ähnlich klingt, was Jörg Stratmann, Vorstandsvorsitzender von Rolls-Royce Power Systems, zu den Plänen der Lufthansa sagt: „Die Entscheidung, die Verbindung zu streichen, ist sehr enttäuschend. Für unsere global vernetzte Industrie am Wirtschaftsstandort Bodensee benötigen wir eine dauerhafte, zuverlässige Flugverbindung. Zusammen mit unseren Kunden, Lieferanten, Mitarbeitern und Besuchern aus der ganzen Welt sorgten wir monatlich für eine dreistellige Zahl an Buchungen.“
Allerdings sei die Bedeutung der Strecke für RRPS zurückgegangen, denn, so Stratmann: „Wegen zahlreicher Flugstreichungen und der damit verbundenen Probleme fliegen wir vermehrt ab alternativen Flughäfen wie München, Zürich oder Stuttgart mit zuverlässigeren Verbindungen. Aber das kostet mehr Zeit und Geld.“Der RRPS-Chef appelliert deshalb an die Lufthansa, Gespräche über die FrankfurtVerbindung mit Interessenten wie der italienischen Skyalps mit Nachdruck zu verfolgen. „Der Flughafen muss weiterhin unser Tor zur Welt bleiben. Davon hängt auch die weitere Entwicklung am Standort Friedrichshafen ab und damit auch die Sicherung der Arbeitsplätze“, so Stratmann.
„Zuverlässige Verkehrsanbindungen sind für unseren Standort generell von großer Bedeutung“, konstatiert auch ein Sprecher von Airbus Defence and Space. Und besonders wichtig sei die Verbindung mit dem Drehkreuz Frankfurt. „Daher bedauern wir den Verlust der Strecke und unterstützen den Flughafen Friedrichshafen in seinen Bemühungen um neue Flugverbindungen
Jörg Stratmann, Vorstandsvorsitzender von Rolls-Royce Power Systems beziehungsweise Ersatzverkehre“, so der Airbus-Sprecher.
Dass der Bodensee-Airport generell auch für ifm enorm wichtig ist, lässt sich schon daran erkennen, dass Vorstandsvorsitzender Martin Buck auch Vorsitzender des Fördervereins Flughafen Friedrichshafen ist. Die Verbindung mit Frankfurt sei für ifm insbesondere für internationale Reisen wichtig: Rund 1000 Tickets pro Jahr seien für diese Strecke im Durchschnitt gebucht worden.
Das größte Reiseaufkommen habe die Unternehmensgruppe aber zwischen den beiden Hauptstandorten am Bodensee und in Essen. „Dabei hilft uns die Frankfurt-Verbindung wenig, weil Tagesreisen kaum möglich sind“, so Buck. Mit dem Zug seien sie gar nicht möglich. Und weil es seit Intersky keine zuverlässige Verbindung zwischen den Standorten mehr gebe, betreibe ifm für den internen „Werksverkehr“zwei eigene Flugzeuge. „Das ist aber quasi aus der Not heraus geboren. Gäbe es einen Linienflug, dann würden wir diesen nutzen“, sagt Buck.
Für interkontinentale Reisen wird ifm nach Wegfall der Frankfurt-Flüge
voraussichtlich auf die Flughäfen München und Zürich ausweichen. „Nationale Reisen oder Reisen innerhalb Europas werden wir verstärkt mit unserem eigenen Flugdienst bedienen müssen“, so Buck weiter.
Perspektivisch könnten aus seiner Sicht auch Pläne des Startups FlyV dabei helfen, den Flugbedarf der Industrie in der Region zu bedienen. Das Geschäftsmodell der Fluggesellschaft ähnelt einer Mitf lugzentrale. Geflogen wird mit kleinen Maschinen – mittelfristig emissionsarm mit Elektro- oder Wasserstoffmotoren – gezielt zwischen Regionalf lughäfen mit geringer Auslastung, der Flugplan ergibt sich aus den individuellen Wünschen der Passagiere. Ab 2025 will FlyV sein Konzept auch am Bodensee-Airport umsetzen, final entschieden ist das aber noch nicht (siehe gesonderten Artikel).
Ob und gegebenenfalls wie häufig nach dem Rückzug der Lufthansa künftig die italienische Fluggesellschaft Skyalps von Friedrichshafen nach Frankfurt fliegen wird, ist nach wie vor unklar. Die Verhandlungen zwischen Lufthansa und Skyalps dauern offenbar noch an.
Martin Buck, Vorstandsvorsitzender von ifm
„Die Entscheidung, die Verbindung zu streichen, ist sehr enttäuschend.“
„Nationale Reisen oder Reisen innerhalb Europas werden wir verstärkt mit unserem eigenen Flugdienst bedienen müssen.“