Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Rektoren kontra Elterntaxis
Schulleiter aus dem Bodenseekreis unterstützen Forderung des Deutschen Städtetags nach mehr Handlungsspielraum
BODENSEEKREIS - Städte und Gemeinden sollten nach Ansicht des Deutschen Städtetages mehr Handlungsspielraum bekommen, um gegen sogenannte Elterntaxis vorgehen zu können – also Eltern, die ihre Kinder mit dem Auto zur Schule bringen. Schulleiterinnen und Schulleiter aus dem Bodenseekreis begrüßen diesen Vorschlag und haben konkrete Ideen, welche Maßnahmen an ihren Schulen für mehr Sicherheit sorgen könnten.
„Kurze und pragmatische Lösungen sind wichtig, die Gefahrenlage im Umfeld der Schule ist immer gegeben“, sagt etwa Axel Ferdinand, Schulleiter des GrafZeppelin-Gymnasiums in Friedrichshafen. Denn: „Die Anzahl der Elterntaxis nimmt zu.“Jürgen Stohr, geschäftsführender Schulleiter der Tettnanger Schulen und Rektor der Realschule Tettnang, sagt: „Sollte der Gesetzgeber Möglichkeiten schaffen, um Gefahrsituationen zu minimieren, finde ich das sehr positiv.“Er habe in den vergangenen Jahren immer wieder die Erfahrung gemacht, an rechtliche Grenzen zu stoßen. Hier setzt der Vorschlag von Städtetags-Präsident Markus Lewe (CDU) an: Die Städte und Gemeinden sollten in Abstimmung mit Schulen und Eltern selbst darüber entscheiden, was sinnvoll sei, „ohne immer mit viel Aufwand eine konkrete Gefahrenlage nachweisen zu müssen“.
„Geht es darum, dass die Kommune selbst schneller entscheiden kann, wäre es sicherlich sinnvoll. Denn ein ,Erst, wenn etwas passiert’ ist, was wir auf keinen Fall wollen“, sagt Ute Lang, Rektorin der Pestalozzi-Schule Friedrichshafen. Allerdings gebe es bereits eine „sehr gute Maßnahme“für die Schüler der PestalozziSchule – die „Kiss & Go“Zone in der Allmandstraße. Das Problem: Sie werde von vielen Eltern nicht angenommen.
Trotz der Zone würden die Eltern in die Scheffelstraße, bis zur Bodenseehalle und über den Schulhof fahren. „Staus, gefährliche Situationen und das Befahren des Pausenhofs, der Feuerwehrzufahrt und auch des Zebrastreifens in der Wendelgardstraße sind hier der Alltag.“
Die Situationen am Zebrastreifen würde dazu führen, dass sich Eltern nicht mehr trauen, ihre Kinder alleine laufen zu lassen – trotz kurzem Schulweg. Die Mutter einer Erstklässlerin schrieb ihr deswegen jüngst eine Mail, in der sie die Wendelgardstraße am Morgen als eine der gefährlichsten Straßen in Friedrichshafen bezeichnet. „Die Überquerung des Zebrastreifens ist nicht möglich, da Eltern auf dem Gehweg direkt am Zebrastreifen parken (teilweise zwei Autos hintereinander); das Kind kann gar nicht sehen, wo der Zebrastreifen ist, weil das Auto auf dem Gehweg davor steht – der Rest des Gehweges ist kurz vor Schulbeginn ebenfalls mit Autos zugeparkt“, heißt es in der Mail. „Spreche ich die Eltern an, wird nur lapidar gesagt, es sei ,doch nur kurz’.“
Auch auf dem Tettnanger Manzenberg gibt es eine „Kiss & Go“-Zone, sagt Jürgen Stohr. Das Verkehrskonzept sieht eine Busschleife und eine Schleife für Elterntaxis vor, damit die Schülerinnen und Schüler vor der Stadthalle aussteigen können und dann wenige Meter zur Gemeinschaftsschule Manzenberg, zur Realschule oder zum MontfortGymnasium laufen.
„Sollte der Gesetzgeber Möglichkeiten schaffen, um Gefahrensituationen zu minimieren, finde ich das sehr positiv.“Jürgen Stohr
Doch es gibt viele Eltern, die ihre Kinder noch ein wenig näher am Gymnasium und der Realschule abliefern – über die Manzenbergstraße, in deren Nähe sich die Carl-Gührer-Halle befindet. „Da fahren die Eltern gerne rein, das ist aber eine absolute Gefahrenquelle, weil dort auch viele Schüler mit dem Fahrrad und dem Moped fahren.“Gefährlich werde es, wenn die Eltern wieder umdrehen und rückwärts rausfahren. Eine solche Zufahrt für eine gewisse Zeit zu sperren, wie es der StädtetagsPräsident vorschlägt – das sei bislang nicht möglich gewesen, weil auf der Straße Anwohner verkehren. „Da ist die Kunst, welche kreativen Ideen es gibt, um das individuell regeln zu können“, erklärt der geschäftsführende Schulleiter.
Stohr erhofft sich von neuen Elterntaxiregeln außerdem, dass es leichter wird, die Anlieferung der Kinder durch Kreise zu regeln, also durch die Errichtung von Einbahnstraßen. Dies sei sowohl auf dem Manzenberg als auch beispielsweise für die Schillerschule in Tettnang sinnvoll.
Axel Ferdinand vom Graf-Zeppelin-Gymnasium Friedrichshafen hat eine weitere Idee, um die Elterntaxi-Situation zu entschärfen: verkehrsberuhigte Straßen um die Schule herum, auf denen man nur noch im Schritttempo fahren darf.
Außerdem befürwortet Axel Ferdinand, dass ein Zebrastreifen direkt vor dem Eingang in der Katharinenstraße errichtet wird – für Schüler, die etwa auf dem Weg zur Sporthalle sind. Temporäre Straßensperrungen für Nicht-Anwohner bezeichnet Ferdinand als „absolut sinnvoll“. Martin Müller-Schöll, Rektor der Don-Bosco-Schule Ettenkirch, kann sich ein Einfahrverbot für Eltern zwischen 7 und 16 Uhr vorstellen.
Ob beziehungsweise wann die Kommunen tatsächlich mehr Entscheidungsspielraum bei der Verkehrsplanung und -steuerung bekommen, ist indes ungewiss. Das vom Bundestag beschlossene Gesetz zu neuen Regelungen im Straßenverkehr hatte im Bundesrat
die erforderliche Mehrheit verfehlt. Die Reform des Straßenverkehrsgesetzes und die darauf basierende Novelle der Straßenverkehrsordnung soll Städten und Gemeinden mehr Spielraum geben, etwa für die Einrichtung von Busspuren und Tempo-30Zonen.
Bundesregierung oder Bundestag haben die Möglichkeit, den Vermittlungsausschuss anzurufen, um mit den Ländern über Kompromisse zum Straßenverkehrsgesetz zu verhandeln.
Egal, wie das Gesetz am Ende aussieht, für Jürgen Stohr steht fest, wie man am besten zur Schule kommt. „Ich bin ein Schulleiter, der selbst Fahrrad fährt“, sagt Stohr und ergänzt: „Bewegung zu Fuß oder mit dem Fahrrad wäre natürlich immer der sinnvollere Weg als mit dem Elterntaxi.“