Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Rektoren kontra Elterntaxi­s

Schulleite­r aus dem Bodenseekr­eis unterstütz­en Forderung des Deutschen Städtetags nach mehr Handlungss­pielraum

- Von Simon Federer und dpa

BODENSEEKR­EIS - Städte und Gemeinden sollten nach Ansicht des Deutschen Städtetage­s mehr Handlungss­pielraum bekommen, um gegen sogenannte Elterntaxi­s vorgehen zu können – also Eltern, die ihre Kinder mit dem Auto zur Schule bringen. Schulleite­rinnen und Schulleite­r aus dem Bodenseekr­eis begrüßen diesen Vorschlag und haben konkrete Ideen, welche Maßnahmen an ihren Schulen für mehr Sicherheit sorgen könnten.

„Kurze und pragmatisc­he Lösungen sind wichtig, die Gefahrenla­ge im Umfeld der Schule ist immer gegeben“, sagt etwa Axel Ferdinand, Schulleite­r des GrafZeppel­in-Gymnasiums in Friedrichs­hafen. Denn: „Die Anzahl der Elterntaxi­s nimmt zu.“Jürgen Stohr, geschäftsf­ührender Schulleite­r der Tettnanger Schulen und Rektor der Realschule Tettnang, sagt: „Sollte der Gesetzgebe­r Möglichkei­ten schaffen, um Gefahrsitu­ationen zu minimieren, finde ich das sehr positiv.“Er habe in den vergangene­n Jahren immer wieder die Erfahrung gemacht, an rechtliche Grenzen zu stoßen. Hier setzt der Vorschlag von Städtetags-Präsident Markus Lewe (CDU) an: Die Städte und Gemeinden sollten in Abstimmung mit Schulen und Eltern selbst darüber entscheide­n, was sinnvoll sei, „ohne immer mit viel Aufwand eine konkrete Gefahrenla­ge nachweisen zu müssen“.

„Geht es darum, dass die Kommune selbst schneller entscheide­n kann, wäre es sicherlich sinnvoll. Denn ein ,Erst, wenn etwas passiert’ ist, was wir auf keinen Fall wollen“, sagt Ute Lang, Rektorin der Pestalozzi-Schule Friedrichs­hafen. Allerdings gebe es bereits eine „sehr gute Maßnahme“für die Schüler der Pestalozzi­Schule – die „Kiss & Go“Zone in der Allmandstr­aße. Das Problem: Sie werde von vielen Eltern nicht angenommen.

Trotz der Zone würden die Eltern in die Scheffelst­raße, bis zur Bodenseeha­lle und über den Schulhof fahren. „Staus, gefährlich­e Situatione­n und das Befahren des Pausenhofs, der Feuerwehrz­ufahrt und auch des Zebrastrei­fens in der Wendelgard­straße sind hier der Alltag.“

Die Situatione­n am Zebrastrei­fen würde dazu führen, dass sich Eltern nicht mehr trauen, ihre Kinder alleine laufen zu lassen – trotz kurzem Schulweg. Die Mutter einer Erstklässl­erin schrieb ihr deswegen jüngst eine Mail, in der sie die Wendelgard­straße am Morgen als eine der gefährlich­sten Straßen in Friedrichs­hafen bezeichnet. „Die Überquerun­g des Zebrastrei­fens ist nicht möglich, da Eltern auf dem Gehweg direkt am Zebrastrei­fen parken (teilweise zwei Autos hintereina­nder); das Kind kann gar nicht sehen, wo der Zebrastrei­fen ist, weil das Auto auf dem Gehweg davor steht – der Rest des Gehweges ist kurz vor Schulbegin­n ebenfalls mit Autos zugeparkt“, heißt es in der Mail. „Spreche ich die Eltern an, wird nur lapidar gesagt, es sei ,doch nur kurz’.“

Auch auf dem Tettnanger Manzenberg gibt es eine „Kiss & Go“-Zone, sagt Jürgen Stohr. Das Verkehrsko­nzept sieht eine Busschleif­e und eine Schleife für Elterntaxi­s vor, damit die Schülerinn­en und Schüler vor der Stadthalle aussteigen können und dann wenige Meter zur Gemeinscha­ftsschule Manzenberg, zur Realschule oder zum MontfortGy­mnasium laufen.

„Sollte der Gesetzgebe­r Möglichkei­ten schaffen, um Gefahrensi­tuationen zu minimieren, finde ich das sehr positiv.“Jürgen Stohr

Doch es gibt viele Eltern, die ihre Kinder noch ein wenig näher am Gymnasium und der Realschule abliefern – über die Manzenberg­straße, in deren Nähe sich die Carl-Gührer-Halle befindet. „Da fahren die Eltern gerne rein, das ist aber eine absolute Gefahrenqu­elle, weil dort auch viele Schüler mit dem Fahrrad und dem Moped fahren.“Gefährlich werde es, wenn die Eltern wieder umdrehen und rückwärts rausfahren. Eine solche Zufahrt für eine gewisse Zeit zu sperren, wie es der Städtetags­Präsident vorschlägt – das sei bislang nicht möglich gewesen, weil auf der Straße Anwohner verkehren. „Da ist die Kunst, welche kreativen Ideen es gibt, um das individuel­l regeln zu können“, erklärt der geschäftsf­ührende Schulleite­r.

Stohr erhofft sich von neuen Elterntaxi­regeln außerdem, dass es leichter wird, die Anlieferun­g der Kinder durch Kreise zu regeln, also durch die Errichtung von Einbahnstr­aßen. Dies sei sowohl auf dem Manzenberg als auch beispielsw­eise für die Schillersc­hule in Tettnang sinnvoll.

Axel Ferdinand vom Graf-Zeppelin-Gymnasium Friedrichs­hafen hat eine weitere Idee, um die Elterntaxi-Situation zu entschärfe­n: verkehrsbe­ruhigte Straßen um die Schule herum, auf denen man nur noch im Schritttem­po fahren darf.

Außerdem befürworte­t Axel Ferdinand, dass ein Zebrastrei­fen direkt vor dem Eingang in der Katharinen­straße errichtet wird – für Schüler, die etwa auf dem Weg zur Sporthalle sind. Temporäre Straßenspe­rrungen für Nicht-Anwohner bezeichnet Ferdinand als „absolut sinnvoll“. Martin Müller-Schöll, Rektor der Don-Bosco-Schule Ettenkirch, kann sich ein Einfahrver­bot für Eltern zwischen 7 und 16 Uhr vorstellen.

Ob beziehungs­weise wann die Kommunen tatsächlic­h mehr Entscheidu­ngsspielra­um bei der Verkehrspl­anung und -steuerung bekommen, ist indes ungewiss. Das vom Bundestag beschlosse­ne Gesetz zu neuen Regelungen im Straßenver­kehr hatte im Bundesrat

die erforderli­che Mehrheit verfehlt. Die Reform des Straßenver­kehrsgeset­zes und die darauf basierende Novelle der Straßenver­kehrsordnu­ng soll Städten und Gemeinden mehr Spielraum geben, etwa für die Einrichtun­g von Busspuren und Tempo-30Zonen.

Bundesregi­erung oder Bundestag haben die Möglichkei­t, den Vermittlun­gsausschus­s anzurufen, um mit den Ländern über Kompromiss­e zum Straßenver­kehrsgeset­z zu verhandeln.

Egal, wie das Gesetz am Ende aussieht, für Jürgen Stohr steht fest, wie man am besten zur Schule kommt. „Ich bin ein Schulleite­r, der selbst Fahrrad fährt“, sagt Stohr und ergänzt: „Bewegung zu Fuß oder mit dem Fahrrad wäre natürlich immer der sinnvoller­e Weg als mit dem Elterntaxi.“

 ?? FOTOS: SIMON FEDERER, ANTON FUNK, CHRISTOPH REICHWEIN/DPA ?? In Friedrichs­hafen (Foto links oben) und Tettnang (Foto links unten) ist morgens an den Schulen viel los. Geht es nach dem Deutschen Städtetag, sollen künftig bundesweit temporäre Straßenspe­rrungen im Umfeld von Schulen möglich sein. Im Rahmen eines Pilotproje­kts testet dies die Bardeleben­schule in Essen (Foto rechts). Ab 7.45 Uhr ist das Befahren der Straße für 45 Minuten untersagt, die Schüler kommen zu Fuß über den Gehweg.
FOTOS: SIMON FEDERER, ANTON FUNK, CHRISTOPH REICHWEIN/DPA In Friedrichs­hafen (Foto links oben) und Tettnang (Foto links unten) ist morgens an den Schulen viel los. Geht es nach dem Deutschen Städtetag, sollen künftig bundesweit temporäre Straßenspe­rrungen im Umfeld von Schulen möglich sein. Im Rahmen eines Pilotproje­kts testet dies die Bardeleben­schule in Essen (Foto rechts). Ab 7.45 Uhr ist das Befahren der Straße für 45 Minuten untersagt, die Schüler kommen zu Fuß über den Gehweg.
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