Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Schleichwege werden knapp
Ein weiterer Wirtschaftsweg wird zur Fahrradstraße – und ist deshalb für Autofahrer tabu
ERISKIRCH/HAGNAU - Stau. Ein kurzes Wort, das für lange Wartezeiten steht – und gefühlt am Bodensee besonders im Sommer einen Dauerzustand auf der B 31 beschreibt. Einige Autofahrer, die sich auskennen, weichen bei Bedarf gerne auf Schleichwege aus. Doch die werden langsam knapp.
Der ehemalige Wirtschaftsweg, der parallel zur Bundesstraße zwischen Friedrichshafen und Eriskirch verläuft, ist seit vergangenem Sommer eine Fahrradstraße. Dort haben Fahrradfahrer Vorrang, Anlieger dürfen einen Teil der Strecke weiterhin mit dem Auto nutzen. Die Höchstgeschwindigkeit beträgt 30 km/h.
Gleiches gilt demnächst und zunächst probeweise bis Ende 2024 für den Weg zwischen Meersburg, Stetten und Hagnau. Was für die Umsetzung noch fehlt, sind lediglich die entsprechenden Verkehrsschilder.
Auf die Pläne im westlichen Bodenseekreis reagierten einige Leser der Facebook-Seite „Schwäbische Bodensee“jüngst mit Unverständnis. Ein Nutzer schreibt: „Klappt ja zwischen Friedrichshafen und Eriskirch auch so gut. Da fahren bei Stau oft Autos auf der Fahrradstraße.“
Ein anderer stellt fest: „Geile Idee ... nicht. Mit der Baustelle nach Ittendorf wird das die unendliche Geschichte Teil 3. Liebe Hagnauer, das wird ein Spaß für euch!“Ein weiterer Leser nimmt ebenfalls Bezug auf die Gemeinde Hagnau, die besonders unter dem Durchgangsverkehr leidet: Der Verkehr bleibe derselbe, „es quetscht sich jetzt halt alles nur noch über die B 31“.
Eine offenbar betroffene Autofahrerin ist der Meinung, dass Fahrradfahrer am See entlang, auf dem Höhenweg und auf der nördlichen Seite der Bundesstraße fahren könnten. Sie als Einheimische
müsse samstags mindestens zwei- bis dreimal nach Meersburg. Ihre Forderung: „Da muss eine andere Lösung gefunden werden.“
Dass es kaum Alternativen zur Bundesstraße gibt, liegt zum einen am Bodensee als natürliche Grenze. Zum anderen ist es genau dieses reizende Gewässer, das so viele Touristen anzieht – unter ihnen immer mehr Radfahrer.
Und die brauchen Platz, wie zum Beispiel auf besagten Wirtschaftswegen. Auf denen kommt es allerdings zum Interessenkonflikt, sobald dort gleichzeitig zu viele Autofahrer auf der Suche nach freier Fahrt und in zum Teil unangemessener Geschwindigkeit unterwegs sind.
Eine Folge: Die Gemeinde Eriskirch, die Stadt Friedrichshafen und der Bodenseekreis beschlossen gemeinsam, einen Schwerpunkt zu setzen – und machten aus dem Wirtschaftsweg im östlichen Bodenseekreis eine Fahrradstraße. Auf der parallel zur Bundesstraße 31 verlaufenden Strecke sei der Radverkehr die vorherrschende Verkehrsart, „insbesondere in den Sommermonaten fahren hier zahlreiche Radtouristen entlang, aber auch außerhalb der Saison ist dies eine wichtige und stark genutzte Radverbindung“, erklärte eine Sprecherin der Stadt Friedrichshafen im vergangenen Sommer.
In die gleiche Richtung geht es jetzt auf dem Weg zwischen Meersburg, Stetten und Hagnau. Durch das Einrichten einer Fahrradstraße soll laut einer Mitteilung des Landratsamts „der Bodenseeradweg entlastet und gleichzeitig ermittelt werden, ob der Anteil des Radverkehrs auf dieser Strecke generell erhöht werden kann“. Mit im Boot: die Stadt Meersburg und die Gemeinden Stetten und Hagnau.
Bis mindestens Ende des Jahres haben zwischen dem Höhenweg an der Einmündung zum Betriebshof des Staatsweinguts in Meersburg und dem Hagnauer Ortsein- beziehungsweise -ausgang folglich Fahrradfahrer Vorfahrt. Und nicht nur das: Während auf anderen Straßen Radler nur nebeneinander fahren dürfen, wenn der Verkehr nicht behindert wird, dürfen sie auf einer Fahrradstraße immer nebeneinander fahren.
Für Anlieger bleibt die Fahrt frei. „Andere Kraftfahrzeuge dürfen hier dann nicht mehr fahren“, schreibt das Landratsamt.