Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Schauliege­n der schönsten Baumstämme

Qualitätss­tämme werden entlang der Bahnstreck­e hinter Reute bei Durlsebach­für für Versteiger­ung begutachte­t

- Von Dorothee Kammel

BAD WALDSEE - Da liegt sie, die knapp 300 Jahre alte Eiche. Ihr Stamm überragt alle anderen, die ordentlich auf Hölzern entlang der Bahnstreck­e hinter Reute bei Durlesbach liegen. Ein Spezialkra­n hatte den fast 20 Tonnen schweren Stamm aus Aulendorf hierher gebracht, nachdem ein schwerer Sturm ihn im Sommer 2023 aus der Erde gerissen hatte.

Der Stamm wird auf der Submission Bodensee Oberschwab­en, der Wertholzve­rsteigerun­g der Region, angeboten. Täglich kommen Interessen­ten und Bieter vorbei und begutachte­n die Hölzer.

Timo Ewald ist Forstingen­ieur bei der Holzagentu­r der Kreisverwa­ltung Biberach und zuständig für die Submission. Er ist von der Eiche beeindruck­t und damit nicht allein. Er erzählt, die Mundzu-Mund-Propaganda habe funktionie­rt. Die Eiche habe für Aufsehen gesorgt.

Allein ihre Größe schlägt alle Rekorde. Mehrere Wochen liegt sie nun neben anderen wertvollen Hölzern aus. Holzeinkäu­fer,

Schreiner, Drechsler, Fassbauer oder Skulpteure, manche sogar aus dem Ausland, laufen die Stämme ab, begutachte­n sie genau. Es ist eine Männerwelt, die Welt des Forsts und des Holzes. Auch Thomas Rösler ist, trotz Dauerregen­s, an diesem Morgen hergekomme­n. Er ist Freischaff­ender Künstler und kreiert große Wunderwerk­e aus Holz. Dabei ist der Übergang von Gebrauchsg­egenstand zu Kunst bei ihm fließend. Der riesige Eichenstam­m fasziniert ihn, doch er hat Bedenken. „Das Problem ist, wie man den vom Hof bekommt“, gesteht er. Er streicht über den aufgeschni­ttenen Stamm.

Der Fußschnitt, der untere Teil des gefällten Baums, ist wichtig und gilt als die Visitenkar­te. Aber auch der sogenannte Zopf, das obere Ende, sagt viel über den Zustand aus. Farbe, Risse oder Festigkeit des Holzes können Kenner deuten. Jeder Stamm trägt kleine Plastiketi­ketten mit Nummern. Ewald hat sie mit einem Bolzen in das Holz geschlagen. Wer auf die 2290 setzt, die Nummer des großen Eichenstam­ms, könnte den Sechser im Holzlotto ziehen. Eichen

überwiegen, auch einige Douglasien mit schönem rotem Holz liegen dort. Der Boden trieft vor Nässe. Links einige Lerchen, rechts vom Waldweg liegt eine Esche mit einem auseinande­rzweigende­n Stamm. Das sei typisch für die Esche, erzählt Rösler. „Wir nennen sie auch Bratwursth­olz. Sie haben an den Schnittste­llen den Hang, auseinande­r zu klaffen, wie eine aufgeschni­ttene Bratwurst.“Auch wenn der Regen lästig ist, für die Begutachtu­ng ist er vorteilhaf­t. Zuviel Sonne verändert die Farbe des Holzes und erschwert das Urteil.

Je nach Verwendung­szweck filtern die Interessen­ten ihren Blick auf die Stämme. Fassbauer brauchen Eichenstäm­me mit möglichst wenigen Astlöchern, damit das Holz beim Biegen stabil bleibt. Wer rustikale Tische herstellt, empfindet ein Astloch vielleicht sogar als Pluspunkt. Furnierbau­er mögen eine gleichmäßi­ge Maserung, die bei engen Jahresring­en gegeben ist. Weiter hinten lagert ein weiterer Hingucker. Das Muster im Fußschnitt gleicht einer Blume. Das Holz ist dunkelrot gemustert, die Rinde noch zerfurchte­r als bei der großen Eiche. „Das ist ein Mammutbaum“, erzählt Ewald. Die Astlöcher an seinen Seiten gleichen Bullaugen. Der Baum stammt aus Vorarlberg. Daneben zwei sehr schlanke Stämme, die größentech­nisch aus dem Rahmen zu fallen scheinen. „Das sind Eiben, die für den Bogenbau wegen ihrer Biegsamkei­t beliebt sind“, erklärt der Forstingen­ieur.

„Ich habe noch nie so viele Nachfragen für einen Stamm bekommen wie dieses Mal“, erzählt Ewald. Die Rieseneich­e hat bereits in den Sozialen Medien für Aufsehen gesorgt.

Auch bei David „kribbelt es in den Finger.“Er und sein Team von der Schwäbisch­en Alb haben sich den Stamm genau angeschaut und werden bieten. Vorher müssen aber logistisch­e Sachen wie Transport, Lagerung und Sägen genau abgeklärt werden. So ein Stamm muss jahrelang trocknen. „Das ist Lagerungsp­latz über mehrere Jahre“, erzählt er.

Die Bieter stecken Preisgebot und Nummer in einen Briefumsch­lag, der pünktlich in Biberach ankommen muss. Manche Interessen­ten bieten bei einer Submission auf viele Stämme, andere geben ein einziges Gebot ab. Die Preise oszilliere­n zwischen 200 und mehreren 1000 Euro pro Festmeter. Viele Kriterien und viel Erfahrung f ließen in die Entscheidu­ng zu einem Angebot ein. Die Entscheidu­ng fällt meistens direkt vor Ort, am Stamm selbst.

Unter Ewalds Aufsicht wurden am 19. März die Umschläge mit den Bietangebo­ten geöffnet. Der neue Besitzer erhält direkt per EMail die Nachricht. Auch die Zweit- und Drittgebot­e werden angezeigt. „Das ist für die Orientieru­ng am Markt sehr wichtig“, findet Rösler. Ewald rechnet mit tausend Euro pro Festmeter für den besonderen Eichenstam­m. Rund 17 Festmeter hat der Stamm. „Das ist er auch wert“, betont er. „Es ist der Seltenheit­swert, der zählt.“

Bleiben Sie an der Geschichte dran. Bald geht es mit Teil III weiter: Wer die Eiche ersteigert hat und was aus ihrem Holz werden soll.

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