Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Nicht alle in der Spur

So sieht es bei den deutschen Sportlern zwei Jahre vor den Olympische­n Winterspie­len aus

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KÖLN (SID) - Halbzeit auf dem Weg von Peking nach Mailand: Nach dem Saisonende in den Winterspor­tarten und zwei Jahre vor den nächsten Olympische­n Spielen in Norditalie­n (6. bis 22. Februar 2026) ist es Zeit für eine Zwischenbi­lanz. Was läuft gut, was schlecht? Wie sind die Aussichten, wer trägt die Hoffnungen?

BIATHLON

Das deutsche Team befindet sich nach dem Rücktritt von Benedikt Doll weiter im Umbruch. Im vergangene­n Winter hatte schon Denise Herrmann-Wick ihre Karriere beendet und eine Lücke gerissen. Es fehlt (noch) die Konstanz, um dauerhaft ganz vorne dabei zu sein. Vor allem bei den Männern ist ein Nachfolger von Doll nicht in Sicht, der Nachwuchsb­ereich ist nicht so gut aufgestell­t wie bei den Frauen. Größte Hoffnungst­rägerin bleibt Franziska Preuß, die aber mit gesundheit­lichen Problemen kämpft. Immerhin hat Selina Grotian (19) großes Potenzial angedeutet.

BOB UND SKELETON

Sieben von zwölf möglichen Medaillen holten die deutschen BobPilotin­nen und -Piloten in Peking, auch für die Wettkämpfe in zwei Jahren sind die Aussichten prächtig. Gesamtwelt­cupsieger Francesco Friedrich dominiert immer noch, mit Johannes Lochner hat er weiterhin einen starken Gegenspiel­er. Die Frauen um Lisa Buckwitz, Laura Nolte und Kim Kalicki beherrscht­en die Konkurrenz. Auch im Skeleton ist das deutsche Team mit Olympiasie­ger Christophe­r Grotheer, Hannah Neise und Tina Herrmann gut aufgestell­t. Das größte Fragezeich­en: Der Austragung­sort der Schlittenw­ettbewerbe. In Cortina soll eine Bahn gebaut werden, die Zeit wird aber knapp.

EISKUNSTLA­UF Minerva-Fabienne Hase und Nikita Volodin sind die Stars der Deutschen Eislauf-Union (DEU), eine Olympiamed­aille wäre in Reichweite, doch die Vorfreude auf die Winterspie­le ist von Ungewisshe­it getrübt. Bei der WM in Montreal gewannen die Paarläufer Bronze. Ob sie allerdings in Italien zusammen antreten dürfen, ist fraglich. Der aus St. Petersburg stammende Volodin besitzt (noch) keinen deutschen Pass – und ist deshalb bei Olympia nicht für Deutschlan­d startberec­htigt. Nach dem Saisonende soll die Sprachbarr­iere weiter abgebaut werden. Dann, so die Hoffnung, klappt es auch mit der Einbürgeru­ng. In den Einzeldisz­iplinen ist die Weltspitze zu weit entfernt.

EISSCHNELL­LAUF

Claudia Pechstein (52) geht immer noch aufs Eis, von der Weltspitze ist die fünfmalige Olympiasie­gerin aber meilenweit entfernt – so ergeht es auch den weiteren deutschen Athleten. Bei der Einzelstre­cken-WM im Februar waren zwei zehnte Plätze die besten deutschen Ergebnisse in olympiinta­kte schen Diszipline­n. Die DESG hat Talente mit Potenzial, die erste olympische Einzelmeda­ille seit 2010 ist aber Utopie. Auch im Shorttrack sieht es düster aus. Die siebenmali­ge EM-Medailleng­ewinnerin Anna Seidel gab jüngst ihr Karriereen­de bekannt – und bei der WM in Rotterdam war ein 17. Platz von Lisa Eckstein das beste deutsche Ergebnis.

NORDISCHE KOMBINATIO­N Die fetten Jahre sind vorbei, es war die erste sieglose WeltcupSai­son seit 1998/99. Trotz riesigen Aufwands bekommt der DSV die Sprungschw­äche nicht in den Griff – damit sind Vinzenz Geiger und Co. meist chancenlos. Aufsteiger wie Podest-Debütant David Mach wecken zarte Hoffnungen. Doch gegen Norwegen um Topstar Jarl Magnus Riiber und Österreich droht 2025 eine WMPleite in Trondheim, Cheftraine­r Eric Frenzel muss Lösungen finden. Die Frauen um Vizeweltme­isterin Nathalie Armbruster gehören zur Weltspitze, dürfen aber nicht bei Olympia starten.

RODELN

Mit dem Abschied von Bundestrai­ner Norbert Loch endet eine Ära, Patric Leitner tritt in große Fußstapfen, übernimmt aber eine Mannschaft: Max Langenhan ragt heraus, der 25-Jährige sicherte sich erstmals den Gesamtwelt­cup und wurde Weltmeiste­r. Auch Felix Loch fährt noch ums Podest, bei den Frauen dominiert Julia Taubitz. Bei den Doppelsitz­ern ist mit den Olympia-Experten Tobias Wendl und Tobias Arlt zu rechen, dazu kehrt Toni Eggert mit neuem Partner zurück. Auch nach dem Karriereen­de der Peking-Olympiasie­ger Johannes Ludwig und Natalie Geisenberg­er spricht vieles für ein gutes deutsches Abschneide­n in zwei Jahren.

SKI ALPIN

Ohne Lena Dürr und Linus Straßer, die jeweils als Zweite im Slalom-Weltcup glänzten, sähe es düster aus für die Alpinen – die während der Saison auch den Rücktritt des langjährig­en Hoffnungst­rägers Thomas Dreßen verkraften mussten. Dürr und Straßer fuhren gemeinsam alle neun Podiumspla­tzierungen ein. Insgesamt gab es nur 28 Top-TenPlatzie­rungen (43 im Vorjahr), weniger waren es zuletzt 2006 (19). Vor allem die Abfahrer, bei denen auch Josef Ferstl aufhörte, schwächeln: Beim Weltcupfin­ale war kein Mann dabei, nur Kira Weidle bei den Frauen. Ihre Teamkolleg­in Emma Aicher ist ein Multitalen­t, aber noch nicht konstant.

SKICROSS

Die Olympiadri­tte Daniela Maier (Weltcup-Sieg zu Saisonbegi­nn) verletzte sich während des Winters. Die Männer haben einen Spitzenfah­rer in Florian Wilmsmann, der WM-Zweite griff erneut in den Kampf um den Gesamtwelt­cup ein, wurde am Ende Vierter. In der Breite sind die deutschen Männer stark, allerdings mit Ausnahme von Wilmsmann nicht konstant genug.

SKILANGLAU­F

Das deutsche Team ist stark wie seit den goldenen Zeiten in den Nullerjahr­en nicht mehr. Victoria Carl siegte erstmals im Weltcup, ihre Co-Olympiasie­gerin Katharina Hennig lief auf das Podest, auch dahinter findet sich bei den Frauen reichlich Qualität. Damit könnte es 2026 zumindest in die Nähe des Sensations­ergebnisse­s von Peking (Teamsprint-Gold im Teamsprint, Silber in der Staffel) gehen. Bei den Männer lief Friedrich Moch in die Weltklasse, wurde Zweiter bei der Tour de Ski. Bei der WM 2025 in Trondheim muss er sich beweisen.

SKISPRINGE­N

Hinter dem teils überragend­en Andreas Wellinger enttäuscht­en die DSV-Adler in der zweiten Saisonhälf­te. Die bis zur Vierschanz­entournee starken Karl Geiger und Pius Paschke sackten durch, von der jungen Generation machte nur Philipp Raimund Spaß. Hoffnung für die WM 2025 macht der Formanstie­g von Sorgenkind Markus Eisenbichl­er im Continenta­l Cup. Der nötige Umbruch ist nicht in Sicht: Bis auf Raimund wird das Kernteam bei Olympia teils deutlich über 30 Jahre alt sein. Bei den Frauen kam Weltmeiste­rin Katharina Schmid erst spät in Schwung, die Topnatione­n haben deutlichen Vorsprung.

SNOWBOARD

Ramona Hofmeister dominierte den Weltcup, gewann alle drei Kristallku­geln. Hinzu kamen neben dem ersten Weltcupsie­g für den Snowboardc­rosser Leon Ulbricht, der für den verletzten Martin Nörl (Gesamtsieg­er der vergangene­n zwei Jahre) in die Bresche sprang, viele gute Platzierun­gen. „Problem“für Hofmeister: Bei Olympia dominiert die Tschechin Ester Ledecka (Olympiagol­d 2018 und 2022), die während des Winters stets auch bei den alpinen Skirennläu­ferinnen fährt (Gold im Super-G 2018).

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FOTO MATIC KLANSEK/IMAGO Die Skicrosser sind in der Breite stark, doch mit Ausnahme von Florian Wilmsmann (re.) nicht konstant.
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FOTO: IMAGO Auf Snowboarde­rin Ramona Theresia ist aktuell absolut Verlass.

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