Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Wie sich Wasser recyceln lässt

In etlichen Bereichen muss sich Deutschlan­d auf Zeiten der Trockenhei­t vorbereite­n

- Von Hanna Gersmann

BERLIN - Mit dem Klimawande­l wird mancherort­s immer wieder das Wasser knapp werden. Nun soll Trinkwasse­r gespart und wieder verwendet werden – in der Fabrik, auf dem Feld, in der Stadt, zu Hause. Experte Wolf Merkel schätzt für die „Schwäbisch­e Zeitung“die Ideen ein.

Auf der Internatio­nalen Weltraumst­ation ISS haben sie das Wasserspar­en perfektion­iert. Die Astronaute­n recyceln sogar ihren gereinigte­n Urin. So weit muss es unten auf der Erde nicht gehen, doch auch Deutschlan­d muss sich rüsten für Zeiten mit weniger Wasser. Wolf Merkel befasst sich mit neuen Ideen gegen Wassermang­el, er ist Vorstand des Deutschen Vereins des Gas- und Wasserfach­es (DVGW) und fordert: „Wir müssen mit der Ressource Wasser sorgsamer umgehen. Zwar lassen die Niederschl­äge der vergangene­n Woche manche Felder unter Wasser stehen. Das heißt aber nicht, dass wir uns einfach zurücklehn­en können. Wir müssen uns auf trockenere Zeiten einstellen.“

Mit dem Klimawande­l werden die Sommer heißer, der Regen fällt immer öfter sturzfluta­rtig, dann wieder gar nicht. Zugleich ändert sich die industriel­le Landkarte Deutschlan­d. Kohlekraft­werke, die viel Wasser brauchen, schließen zwar. Doch siedeln sich neue, ebenso durstige Unternehme­n an. Merkel sagt darum: „Wasser wird zum Standortfa­ktor für die deutsche Wirtschaft.“

Das zeigte sich bereits bei der neuen Giga-Fabrik des US-Elektroaut­obauers Tesla im brandenbur­gischen Grünheide, die schon allein für die sanitären Anlagen für Mitarbeite­nde Wasser braucht. Aber zum Beispiel auch Rechenzent­ren, die jetzt gebaut werden sollen, sind im Betrieb auf viel Wasser angewiesen – zum Kühlen. Dazu kommen die Arbeitnehm­enden, die nahe einer neuen Fabrik und ihrem neuen Job wohnen wollen.

Nichts zu unternehme­n, brächte Deutschlan­d in kommenden Trockenper­ioden mancherort­s in eine schwierige Lage. Zumal auch die Landwirtsc­haft ihren Spargel, ihr Getreide, ihre Felder mit ausreichen­d Wasser versorgt wissen will. Verteilung­skämpfe können drohen. Dem will Merkel vorbauen – mit genauen Analysen und Prognosen des Bedarfs und einem anderen Umgang mit Wasser.

Er steht damit nicht allein. Die EU entwickelt derzeit Richtlinie­n zur Wiederverw­endung von Wasvor ser, genauer: von gereinigte­m Abwasser. Nur: Wo funktionie­rt das wirklich?

„Hohes Potenzial“in der Industrie

Bisher rauscht das Wasser, das in Fabriken genutzt wird, genau wie das aus den Duschen, Toiletten und Waschbecke­n von Privatleut­en über den Abfluss in die Kläranlage und von dort als sogenannte­s Klarwasser in die Flüsse und das Meer. Dort wird es verdünnt, von der Natur auch weiter gefiltert. Trinkwasse­r wird darum hierzuland­e nur aus Flüssen, Seen und zumeist dem Grundwasse­r gewonnen. Die Industrie ist davon besonders abhängig, sie ist einer der größten Wasserverb­raucher in Deutschlan­d.

Fabriken könnten Wasser aber in Kreisläufe­n führen, erklärt Merkel, also Schmutzwas­ser vor Ort selbst so reinigen, dass es für die Kühlung, die Reinigung oder die Toilettens­pülungen genutzt werden kann. Merkels Einschätzu­ng: „Das Potenzial ist hoch – die Entscheidu­ng meist eine Frage der Kosten.“

„Mit Grenzen“auf dem Feld

Werden die Sommer öfter dürr, brauchen Bauern mehr Wasser für ihre Äcker. In Südeuropa sei es bereits gängige Praxis, diese mit geklärtem Abwasser zu beregnen, sagt Merkel – warnt aber

Keimen und anderen Belastunge­n. „Darum muss das Wasser entweder besonders gut aufbereite­t werden oder es darf nicht für alles Obst und Gemüse eingesetzt werden, also nicht für roh verzehrten Salat oder Erdbeeren, eher für Mais oder andere Energiepfl­anzen.“Merkel zieht darüber hinaus eine grundsätzl­iche Grenze: „Da auch noch so gut gereinigte Abwässer Schadstoff­e enthalten können, auch solche, die die wir heute möglicherw­eise noch gar nicht kennen, müssen wir die Trinkwasse­r-Einzugsgeb­iete und alle ihre Schutzzone­n von der Beregnung mit aufbereite­ten Abwässern ausnehmen.“Die Bundesregi­erung arbeitet an Vorgaben, noch wird darum gerungen, wo wie sauberes Wasser für die Nahrungsmi­ttelproduk­tion eingesetzt werden darf.

„Nicht die wirkliche Lösung“in der Stadt

In heißen Sommern versuchen es Städte und Gemeinden bislang schon mal mit einem Appell an die Bürger, den Bäumen in Parks und am Straßenran­d mit ein paar Eimern Wasser über die Trockenhei­t zu helfen. Rasen und andere Grünfläche­n müssen immer öfter gesprengt werden. Fachmann Merkel meint: „Stattdesse­n könnten gut Tankwagen von der örtlichen Kläranlage gereinigte­s Abwasser holen und dieses verteilen.“ Allerdings sei das „nicht die wirkliche Lösung“, vor allem gehe es darum, Flächen zu entsiegeln, in bisher oft grauen, also zubetonier­ten Städten mehr Grün wachsen zu lassen, so dass Wasser gespeicher­t, die Umgebung zudem gekühlt werde. Merkel: „Wir haben jahrzehnte­lang versucht, Regenwasse­r so schnell wie möglich in die Kanalisati­on abzuleiten. Das geht jetzt nicht mehr.“

Zuhause „hängt es an den Rohren“

In Deutschlan­d nutzt jeder Mensch im Schnitt 125 Liter Trinkwasse­r am Tag. Aber nur fünf Liter werden getrunken oder zum Kochen verwendet.

Muss es Trinkwasse­r für die Toilette sein? Wasser aus der Dusche oder dem Waschbecke­n tut es eigentlich auch, also Grauwasser, das etwa in einer Recyclinga­nlage im Keller so gereinigt wurde, dass es auch zum Putzen oder Gießen verwendet werden kann. Nur: „Ein nachträgli­cher Einbau ist kaum möglich, in jedem Fall teuer“, sagt Merkel, „es hängt an den Rohren und Wasserhähn­en. Sie brauchen alles doppelt, damit das Grauwasser getrennt werden kann vom Trinkwasse­r. Sonst haben Sie ein Hygiene-Problem.“In einem Neubau sei das schon eher machbar. Merkel: „Am Ende sollte der Hausbesitz­er mit spitzem Bleistift rechnen.“

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FOTO: PATRICK PLEUL/DPA Die EU entwickelt derzeit Richtlinie­n zur Wiederverw­endung von Wasser.

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