Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Beim E-Rezept hakt es noch in der Praxis

Das elektronis­che Rezept soll Papier und Wege sparen sowie den Praxisallt­ag erleichter­n

- Von Meike Thomas

BODENSEERE­GION - Das elektronis­che Rezept, kurz das E-Rezept, ist nach längerer Vorlaufzei­t zu Beginn des Jahres verpflicht­end geworden. Ärzte und Apotheken aus Friedrichs­hafen, Tettnang und Lindau sind geteilter Meinung. Noch gibt es Anlaufschw­ierigkeite­n, und einer der befragten Ärzte nutzt das E-Rezept noch gar nicht und nimmt dafür auch eine Kürzung seines Honorars in Kauf.

Das E-Rezept hat die Arbeitswei­se in den Praxen verändert, denn die E-Rezepte müssen nach der Ausstellun­g nun noch zusätzlich am Computer im entspreche­nden Programm freigegebe­n werden. Die Freigabe wird zum Teil nicht bei jedem Rezept einzeln vorgenomme­n, etliche Praxen arbeiten mit sogenannte­n Stapelsign­aturen, bei denen ein Arzt mehrere Rezepte gleichzeit­ig freigibt, allerdings nicht direkt nach der Ausstellun­g an den Patienten. Dies spart im Praxisallt­ag Zeit, dadurch kommt es aber zu Verzögerun­gen bei der Freischalt­ung des E-Rezepts im System.

„Bei uns ist es auch schon mal vorgekomme­n, dass eine Patientin dreimal da war und wir sie immer wieder wegschicke­n mussten. Das ärgert einen dann“, sagt Miriam Engelhardt, Chefin der Seehas-Apotheke in Friedrichs­hafen. Der Raphael-Apotheke in Meckenbeur­en und auch Apotheken in Lindau geht es ähnlich, wie Rudolf Wenzel, Chef der RaphaelApo­theke, und Lena Jost, Apothekens­precherin

aus Lindau, bestätigen. Wenzel ist der Meinung, dass es aber seit Beginn des Jahres besser geworden sei. Er vermutet, dass es an der besseren Kommunikat­ion zwischen Praxen und Patienten liege.

Andere Probleme gebe es teilweise mit der digitalen Infrastruk­tur. „Es funktionie­rt eigentlich gut, aber es gibt auch immer wieder Ausfälle“, berichtet Jost. Ihrer Meinung nach stecke das gesamte System noch in den Kinderschu­hen. Es gebe vor allem im Bereich der Software noch Startschwi­erigkeiten. „Teilweise fehlt es uns auch an Schulungen. Man muss sich alles selbst aneignen und dann passieren in der Abrechnung auch mal Fehler“, sagt Engelhardt.

Die Apotheken sind sich aber auch einig, dass, wenn es funktionie­rt, das System des E-Rezepts eine wirklich gute Einführung sei. Jost hält die Verpf lichtung vor allem mit Blick auf die Digitalisi­erung für den richtigen Weg: „Wir müssen da einfach weitermach­en. Es ist ein Schritt in die richtige Richtung, und zwar nach vorne.“

Auch aus Sicht mehrerer befragter Ärzte funktionie­rt das ERezept bisher gut. „Wir haben die Technik letztes Jahr schon eingericht­et und daher hat die Umstellung recht unkomplizi­ert funktionie­rt“, sagt Allgemeinm­ediziner Karl Josef Rosenstock aus Tettnang. Vor allem für die Patienten sei das E-Rezept aus seiner Sicht eine Erleichter­ung. Auch in der Praxis von Michael Wolff in

Friedrichs­hafen lief die Umstellung dank moderner Software und Schulungen problemlos. Seiner Auffassung nach kommen auch alle Patienten mit dem E-Rezept gut zurecht.

Viele Wege könnten durch das digitale Rezept gespart werden, beispielsw­eise, wenn das Rezept einer Dauermedik­ation durch einen Anruf anstatt, wie früher, durch einen erneuten Besuch verlängert werden kann, betont er. Manche Rezepte müssten weiterhin in Papierform ausgestell­t werden, meistens betreffe das die Privatreze­pte. In der Praxis von Michael Wolff können inzwischen aber auch private Rezepte in elektronis­cher Form ausgestell­t werden.

Doch scheint die Neuerung noch nicht für alle Praxen eine positive Entwicklun­g zu sein. „Das E-Rezept trägt nur dann zu einer Erleichter­ung des Praxisallt­ags bei, wenn es reibungslo­s funktionie­rt. Noch ist dies leider nicht der Fall“, sagt Gabriele Kiunke von der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g Baden-Württember­g.

Dies war auch ein Grund für die Gemeinscha­ftspraxis Metzdorf und Tegtmeyer-Metzdorf aus Lindau, das E-Rezept aktuell noch nicht zu nutzen. Dadurch nimmt die Praxis Sanktionen in Form einer drohenden Honorarkür­zung in Kauf. „An sich ist das mit dem E-Rezept eine ganz praktische Sache, aber man hört auch von Kollegen oft, dass es alles noch nicht richtig funktionie­rt“, sagt Max Metzdorf, Kinderarzt in Lindau.

Vor allem die Pflicht, dass man gleich die ganze Telematiki­nfrastrukt­ur nutzen müsse und somit auch Patientena­kten digitalisi­ert werden, möchte die Praxis bisher nicht unterstütz­en.

Ein weiteres Problem sieht der Kinderarzt beim Ausstellen der elektronis­chen Rezepte für Säuglinge: „Wir schreiben auch Rezepte für Kinder, die gerade erst auf der Welt sind und noch keine elektronis­che Gesundheit­skarte haben.“Nach seinen Erfahrunge­n dauere es teilweise Wochen bis Monate, bis die Babys eine solche Versichert­enkarte bekommen, die für das E-Rezept nötig ist. Aber auch Metzdorf verschließ­t sich der digitalen Entwicklun­g nicht: „Wenn irgendwann das Angebot für eine gut entwickelt­e Software kommt, dann machen wir auch mit.“

Durch die verpflicht­ende Einführung des E-Rezepts müssen Ärzte seit Beginn des Jahres die Rezepte für verschreib­ungspflich­tige Medikament­e ihrer gesetzlich versichert­en Patienten in elektronis­cher Form ausstellen. Sonst drohen Sanktionen für die Praxen in Form einer Honorarkür­zung von bis zu einem Prozent. Die Patienten können das E-Rezept auf verschiede­ne Weisen einlösen: per App auf dem Smartphone, per elektronis­cher Gesundheit­skarte oder per Ausdruck eines QRCodes. Mit diesen drei Möglichkei­ten bekommen die Patienten in einer Apotheke das benötigte Medikament.

Newspapers in German

Newspapers from Germany