Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Beim E-Rezept hakt es noch in der Praxis
Das elektronische Rezept soll Papier und Wege sparen sowie den Praxisalltag erleichtern
BODENSEEREGION - Das elektronische Rezept, kurz das E-Rezept, ist nach längerer Vorlaufzeit zu Beginn des Jahres verpflichtend geworden. Ärzte und Apotheken aus Friedrichshafen, Tettnang und Lindau sind geteilter Meinung. Noch gibt es Anlaufschwierigkeiten, und einer der befragten Ärzte nutzt das E-Rezept noch gar nicht und nimmt dafür auch eine Kürzung seines Honorars in Kauf.
Das E-Rezept hat die Arbeitsweise in den Praxen verändert, denn die E-Rezepte müssen nach der Ausstellung nun noch zusätzlich am Computer im entsprechenden Programm freigegeben werden. Die Freigabe wird zum Teil nicht bei jedem Rezept einzeln vorgenommen, etliche Praxen arbeiten mit sogenannten Stapelsignaturen, bei denen ein Arzt mehrere Rezepte gleichzeitig freigibt, allerdings nicht direkt nach der Ausstellung an den Patienten. Dies spart im Praxisalltag Zeit, dadurch kommt es aber zu Verzögerungen bei der Freischaltung des E-Rezepts im System.
„Bei uns ist es auch schon mal vorgekommen, dass eine Patientin dreimal da war und wir sie immer wieder wegschicken mussten. Das ärgert einen dann“, sagt Miriam Engelhardt, Chefin der Seehas-Apotheke in Friedrichshafen. Der Raphael-Apotheke in Meckenbeuren und auch Apotheken in Lindau geht es ähnlich, wie Rudolf Wenzel, Chef der RaphaelApotheke, und Lena Jost, Apothekensprecherin
aus Lindau, bestätigen. Wenzel ist der Meinung, dass es aber seit Beginn des Jahres besser geworden sei. Er vermutet, dass es an der besseren Kommunikation zwischen Praxen und Patienten liege.
Andere Probleme gebe es teilweise mit der digitalen Infrastruktur. „Es funktioniert eigentlich gut, aber es gibt auch immer wieder Ausfälle“, berichtet Jost. Ihrer Meinung nach stecke das gesamte System noch in den Kinderschuhen. Es gebe vor allem im Bereich der Software noch Startschwierigkeiten. „Teilweise fehlt es uns auch an Schulungen. Man muss sich alles selbst aneignen und dann passieren in der Abrechnung auch mal Fehler“, sagt Engelhardt.
Die Apotheken sind sich aber auch einig, dass, wenn es funktioniert, das System des E-Rezepts eine wirklich gute Einführung sei. Jost hält die Verpf lichtung vor allem mit Blick auf die Digitalisierung für den richtigen Weg: „Wir müssen da einfach weitermachen. Es ist ein Schritt in die richtige Richtung, und zwar nach vorne.“
Auch aus Sicht mehrerer befragter Ärzte funktioniert das ERezept bisher gut. „Wir haben die Technik letztes Jahr schon eingerichtet und daher hat die Umstellung recht unkompliziert funktioniert“, sagt Allgemeinmediziner Karl Josef Rosenstock aus Tettnang. Vor allem für die Patienten sei das E-Rezept aus seiner Sicht eine Erleichterung. Auch in der Praxis von Michael Wolff in
Friedrichshafen lief die Umstellung dank moderner Software und Schulungen problemlos. Seiner Auffassung nach kommen auch alle Patienten mit dem E-Rezept gut zurecht.
Viele Wege könnten durch das digitale Rezept gespart werden, beispielsweise, wenn das Rezept einer Dauermedikation durch einen Anruf anstatt, wie früher, durch einen erneuten Besuch verlängert werden kann, betont er. Manche Rezepte müssten weiterhin in Papierform ausgestellt werden, meistens betreffe das die Privatrezepte. In der Praxis von Michael Wolff können inzwischen aber auch private Rezepte in elektronischer Form ausgestellt werden.
Doch scheint die Neuerung noch nicht für alle Praxen eine positive Entwicklung zu sein. „Das E-Rezept trägt nur dann zu einer Erleichterung des Praxisalltags bei, wenn es reibungslos funktioniert. Noch ist dies leider nicht der Fall“, sagt Gabriele Kiunke von der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg.
Dies war auch ein Grund für die Gemeinschaftspraxis Metzdorf und Tegtmeyer-Metzdorf aus Lindau, das E-Rezept aktuell noch nicht zu nutzen. Dadurch nimmt die Praxis Sanktionen in Form einer drohenden Honorarkürzung in Kauf. „An sich ist das mit dem E-Rezept eine ganz praktische Sache, aber man hört auch von Kollegen oft, dass es alles noch nicht richtig funktioniert“, sagt Max Metzdorf, Kinderarzt in Lindau.
Vor allem die Pflicht, dass man gleich die ganze Telematikinfrastruktur nutzen müsse und somit auch Patientenakten digitalisiert werden, möchte die Praxis bisher nicht unterstützen.
Ein weiteres Problem sieht der Kinderarzt beim Ausstellen der elektronischen Rezepte für Säuglinge: „Wir schreiben auch Rezepte für Kinder, die gerade erst auf der Welt sind und noch keine elektronische Gesundheitskarte haben.“Nach seinen Erfahrungen dauere es teilweise Wochen bis Monate, bis die Babys eine solche Versichertenkarte bekommen, die für das E-Rezept nötig ist. Aber auch Metzdorf verschließt sich der digitalen Entwicklung nicht: „Wenn irgendwann das Angebot für eine gut entwickelte Software kommt, dann machen wir auch mit.“
Durch die verpflichtende Einführung des E-Rezepts müssen Ärzte seit Beginn des Jahres die Rezepte für verschreibungspflichtige Medikamente ihrer gesetzlich versicherten Patienten in elektronischer Form ausstellen. Sonst drohen Sanktionen für die Praxen in Form einer Honorarkürzung von bis zu einem Prozent. Die Patienten können das E-Rezept auf verschiedene Weisen einlösen: per App auf dem Smartphone, per elektronischer Gesundheitskarte oder per Ausdruck eines QRCodes. Mit diesen drei Möglichkeiten bekommen die Patienten in einer Apotheke das benötigte Medikament.