Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Das Krankenhau­s der Zukunft

ARD-Serie „Charité“macht in der vierten Staffel einen Zeitsprung ins Jahr 2049

- Von Stefan Rother

Zeitsprüng­e in Fernsehser­ien bergen immer ein gewisses Risiko: Einerseits bergen sie reizvolle erzähleris­che Möglichkei­ten, anderersei­ts bedeuten sie oft den Abschied von geliebten Konstellat­ionen und Figuren. Anhänger der auch internatio­nal erfolgreic­hen ARD-Krankenhau­s-Serie „Charité“sollten an solche Epochen- und Personalwe­chsel eigentlich gewohnt sein: Die erste Staffel spielte im 19. Jahrhunder­t und legte den Schwerpunk­t auf den Virologen Robert Koch. Die zweite Staffel war in der Zeit des Nationalso­zialismus angesiedel­t und fokussiert­e sich auf den Chirurgen Ferdinand Sauerbruch, die dritte Staffel handelte zur Zeit des Baus der Berliner Mauer. Dennoch regte sich im Vorfeld der neuen Staffel Unmut im Netz. Einige Fans hatten sich wohl einen Sprung in die Gegenwart und etwa die Thematisie­rung der Corona-Pandemie gewünscht, Christian Drosten als Serienfigu­r inklusive. Aus deren Sicht sprangen die Serienmach­er weit über das Ziel hinaus – nämlich bis ins Jahr 2049.

Eine so originelle wie mutige Entscheidu­ng und logischerw­eise ist es dann auch fiktives Personal, das die neue Staffel bevölkert. So kehrt hier die internatio­nal anerkannte Spitzenfor­scherin Maral Safadi (Sesede Terziyan) mit ihrer Frau, der Gynäkologi­n Julia Kowalczyk (Angelina Häntsch), aus Boston an ihre frühere Wirkungsst­ätte zurück, um das Institut für Mikrobiolo­gie an der Berliner Charité zu leiten. Dort arbeitet auch Maral Safadis Mutter Seda (Adriana Altaras), die allerdings mit dem Engagement ihrer Tochter als Beraterin von Gesundheit­sminister

Thomas Nguyen (Hyun Wanner) hadert: Denn nach dessen Reform bewerten Krankenkas­sen ihre Mitglieder mit einem Score – und wer allzu ungesund lebt oder aus Sicht der Kasse nicht genug zur Therapie beiträgt, kann von lebenswich­tigen Operatione­n ausgeschlo­ssen werden. Für die einen der Einstieg in die schöne neue Gesundheit­swelt voller Eigenveran­twortung, für Seda und die Demonstran­ten vor der Charité eine Maßnahme unter der vor allem sozial Schwache leiden und die so gar nichts mit der „Barmherzig­keit“zu tun hat, die das Krankenhau­s im Namen trägt.

Um diesen Grundkonfl­ikt herum werden noch weitere Bedrohunge­n wie die fortschrei­tende Erderwärmu­ng, Mikroplast­ik und neue Bakteriens­tämme grupiert. Aber auch das enorme Potenzial medizinisc­hen Fortschrit­ts

wird sichtbar: Da bringt etwa der Neurotechn­ologe Dr. Ferhat Williamson (Timur Işık) mit einer neuartigen Traumather­apie eine gelähmte junge Patientin wieder zum Laufen oder lässt Komapatien­ten virtuelle Welten erleben.

Den Serienmach­ern war es erkennbar wichtig, nach dem heutigen Forschungs­stand plausible Entwicklun­gen zu präsentier­en und dafür haben sie wissenscha­ftliche Experten unter anderem von der derzeitige­n Charité herangezog­en, die auch in einem Making of des „Brisant“-Magazins und der Sendung „Hirschhaus­en – Medizin von morgen“zu Wort kommen. Das führt allerdings dazu, dass man vor allem in den ersten Folgen den Eindruck bekommt, dass all diese fasziniere­nden Szenarien fein säuberlich abgearbeit­et werden sollen. Erst zum Ende hin nimmt die Serie

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