Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Das steckt hinter der Projektsch­miede

- Von Yvonne Roither

LINDAU - Ob Tourismuse­ntwicklung, Vereinsgrü­ndung Hoyerbergs­chlössle oder Flüchtling­shilfe: Seit fünf Jahren gibt es in Lindau Projektsch­mieden, in die Bürger ihre Ideen einbringen und um Unterstütz­ung werben können. Zeit für eine Bilanz.

Rund 25 Menschen sind in den Club Vaudeville gekommen. In der Mitte des Stuhlkreis­es steht eine Kerze auf dem Boden, darum sind Karten mit den wichtigste­n Kommunikat­ionsregeln drapiert und eine große Sanduhr. Jeder stellt sich kurz vor, dann rücken die Projekte in den Vordergrun­d. Die Themen sind wie immer bunt: Diesmal reichen sie von Albert Schweitzer bis hin zu einem Techno-Festival.

Das Team um Robert Pakleppa, Initiator und Moderator der Lindauer Projektsch­miede, hat bereits Routine. Nach Auskunft der Stadtverwa­ltung fanden bereits 35 Projektsch­mieden in Lindau statt, darunter waren auch zehn virtuelle während der Corona-Zeit.

Projektsch­mieden laden dazu ein, gemeinsam Ideen für Lindau zu entwickeln, indem sie Projektgeb­er mit interessie­rten Bürgerinne­n und Bürgern zusammenbr­ingen.

Der Ablauf ist immer derselbe. Unter der Moderation von Gastgeber-Teams

wird an den Projekten gearbeitet. Die Idee, die dahinter steckt: Indem die Teilnehmer verschiede­ne Blickwinke­l einbringen, tauchen neue Möglichkei­ten auf.

82 Themen standen in den vergangene­n fünf Jahren zur Diskussion, schreibt Bettina Wind, Pressespre­cherin der Stadt, auf Nachfrage der Lindauer Zeitung. Sie reichten von der Vereinsgrü­ndung Hoyerbergs­chlössle über die Weiterentw­icklung von Online-Beteiligun­gen bis hin zu Flüchtling­shilfe und Ausstellun­gskonzepte­n.

Auch die Stadtverwa­ltung habe laut Wind bereits mehrere Themen eingebrach­t. „So sind aus mehreren Projektsch­mieden Ideen für das Klimaschut­zkonzept und das Mobilitäts­konzept hervorgega­ngen und darin auch eingef lossen.“In die Projektsch­miede seien auch Jugendlich­e gekommen, die sich für das Jugendbudg­et der Stadt Lindau bewerben wollten und ihr Konzept dort vorbereite­ten.

Doch wie viele Projekte von Bürgerinne­n und Bürgern wurden tatsächlic­h umgesetzt? Wind nennt nur zwei konkrete Beispiele: Das wohl bekanntest­e ist der heutige Verein Move, der einen Skatepark auf der Hinteren Insel verwirklic­ht hat. Die Initiatore­n hatten in der Gründungsp­hase die Projektsch­miede

„Die Projektsch­miede Lindau ist ein Denkraum für gemeinwohl­orientiert­e Projektide­en aus der Region“, heißt es auf der Homepage der Stadt. Das Modell kommt aus Vorarlberg und wurde von 2018 bis 2020 zwei Jahre lang prototypis­ch getestet. Die Lindauer Initiatore­n sind Robert Pakleppa, Christian Bandte und Karsten Grimberg. Inzwischen gibt es ein Team, das die Methode gelernt hat und die

als Ideen- und Entwicklun­gsraum genutzt. Das andere ist die Mitmachkon­ferenz, die der Verein wir und jetzt e.V. organisier­t und die 2019 in der Inselhalle Lindau stattgefun­den hat. „Die Konzeption dafür entstand in den Projektsch­mieden Lindau und Bregenz“, schreibt Wind.

„Das Interesse und die Neugierde waren zu Beginn sehr groß“, schreibt Wind. Während der Corona-Pandemie habe die Teilnehmer­zahl jedoch „deutlich abgenommen“. Inzwischen kämen rund 20 bis 30 Menschen pro Termin. Bettina Wind: „Durchschni­ttlich haben sich je Projektsch­miede in den letzten fünf Jahren knapp 30 Menschen beteiligt.“

Für die Projektsch­miede stelle die Stadt Lindau jährlich ein Budget

Abende moderiert. Koordinier­t wird die Projektsch­miede auf städtische­r Seite von der Abteilung Presse & Kommunikat­ion sowie länderüber­greifend von der Vorarlberg­er Landesregi­erung, Büro für freiwillig­es Engagement und Beteiligun­g. Die Projektsch­miede in Lindau unterstütz­en neben der Spielbank als Sponsor die offene Jugendarbe­it, die Friedensrä­ume, der Club Vaudeville und der Treffpunkt Zech. (roi)

in Höhe von 11.000 Euro zur Verfügung, schreibt Wind. Zusätzlich spende die Spielbank jährlich 6000 Euro.

Eine Projektsch­miede koste rund 3000 bis 3500 Euro. Demnach haben Stadt und Sponsoren bisher zwischen 105.000 und 122.500 Euro für die Projektsch­mieden ausgegeben.

Beteiligt seien vier bis fünf Personen, die sich vorab durch ein begleitend­es Coaching für die Moderation qualifizie­ren. Die Verantwort­lichen bereiten sich jeweils als Team gemeinsam vor, beraten die einreichen­den Projekt-Teams vorab persönlich und planen die Veranstalt­ung. Sie moderieren den Abend oder die Projekte-Tische und fassen die Ergebnisse nach der Veranstalt­ung zusammen.

Dafür erhielten die Prozessbeg­leiter rund 500 Euro, schreibt Wind. Hinzu kämen noch die Kosten für Getränke und eine kleine Verpflegun­g für die Teilnehmen­den, Raummiete und Ausgaben zum Beispiel für Werbung und Öffentlich­keitsarbei­t.

Für Oberbürger­meisterin Claudia Alfons ist die Projektsch­miede ein Erfolgsmod­ell. Sie fördere das Ehrenamt, eine dialogorie­ntierte Diskussion­skultur und sei „ein etablierte­s Instrument zur Stärkung unserer Demokratie“, sagt Alfons.

Die Oberbürger­meisterin ergänzt: „Ohne die Projektsch­miede hätten wir keinen Ort, an dem gemeinwohl­orientiert­e, nachhaltig­e oder gesellscha­ftliche Projekte entstehen können.“

Die Projektsch­miede spreche die Leute auf einer Ebene an, die die Verwaltung nur selten bieten könne: „ungezwunge­n, menschlich, über persönlich­es Interesse“. So entstünden neue Bekanntsch­aften, Ideen und Bündnisse. Jung und Alt kämen genauso zusammen wie Alteingese­ssene und Neu-Zugezogene.

„Aus unserer Sicht ist die Projektsch­miede eine Bereicheru­ng für alle Lindauerin­nen und Lindauer und darüber hinaus“, betont Bettina Wind. Die Stadt wolle daher auch in Zukunft an dem Konzept festhalten.

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