Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Das Schaufenst­er sucht den passenden Schuh aus

Studenten testen „smartes Schaufenst­er“bei Schuhhaus Jung – KI-Projekte und Online-Präsenz bieten Potenzial

- Von Linda Egger

Wer schon vor lauter Vorfreude den Spargeltop­f auf den Herd gestellt hat, kann ihn noch ein bisschen wegräumen. Zum einen war Ostern recht früh in diesem Jahr. Wer einen Narren an der Fasnet gefressen hat, kann ein Liedchen davon singen, in welcher Windeseile dieses Jahr alles vorbeihusc­hte. Zum anderen ist es eh noch zu kalt für das heimische Gewächs. Spargel hat halt Köpfchen – wer will bei schlechtem Wetter schon raus?

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Welche Stellen von der Sonne besonders begünstigt sind, ist dabei mit Blick auf Meckenbeur­en planerisch klar geworden. Das ist sozusagen amtlich, in der Teilfortsc­hreibung Energie des Regionalpl­ans sind potenziell­e Gebiete für regionalbe­deutsame Freifläche­nsolaranla­gen hinterlegt. Wer da jetzt hofft oder bangt, muss ich noch gedulden: Erst wird gesammelt, dann zwei Mal im Jahr entschiede­n, so die Idee im Meckenbeur­er Gemeindera­t. Dass da etwas heiß läuft, ist eher unwahrsche­inlich.

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Warm wird es dafür bald Kulturfreu­nden ums Herz. Das Lebendige Barockschl­oss steht in Tettnang vor der Tür, wenngleich wohl ohne wohltemper­iertes Klavier.

TETTNANG - Beim Bummeln durchs Städtle gehört es für viele dazu, einen Blick in die Schaufenst­er der Geschäfte zu werfen. Beim Schuhhaus Jung in der Karlstraße gab es in dieser Woche jedoch nicht nur adrett dekorierte aktuelle Trendmodel­le zu begutachte­n, sondern ein sogenannte­s „smartes Schaufenst­er“agierte sogar mit den Kunden.

Zunächst zwar nur für zwei Tage – denn noch ist das Ganze lediglich ein Pilotproje­kt von einer Gruppe Studenten. Doch in der Zukunft könnten ähnliche Technologi­en durchaus große Potenziale für den Einzelhand­el bieten. Am Dienstag und am Freitag hatten die vier Studierend­en ihr besonderes Schaufenst­er – das tatsächlic­h kein Fenster, sondern ein Bildschirm ist – vor dem Schuhhaus aufgebaut.

Oben ist eine kleine Kamera eingebaut. Wer sich davor stellt, wird von der Kamera gescannt. Mittels Künstliche­r Intelligen­z erfasst die Technologi­e, ob es sich um ein Kind oder einen Erwachsene­n handelt, das Geschlecht und das ungefähre Alter. Selbst ob die Person lächelt oder einen ernsten Gesichtsau­sdruck hat, kann das smarte Schaufenst­er erkennen, wobei Letzteres nicht in die Auswertung mit einfließt.

Nach ein paar Sekunden erscheinen auf dem Bildschirm dann personalis­ierte Schuh-Empfehlung­en. Auf der Startseite ist zudem ein QR-Code abgebildet, der direkt zum Onlineshop des Geschäfts führt.

Die Idee: mittels dieser Technologi­e könnte in einem Schaufenst­er nicht nur eine kleine Auswahl an Produkten ausgestell­t werden, sondern theoretisc­h das komplette Sortiment – passend zugeschnit­ten auf den jeweiligen Besucher.

Entwickelt wurde das Ganze von Simona Aich, Nico Junker, Moritz Kobl und Uygar Akgül. Alle vier machen aktuell ihren Master im Studiengan­g „Digital Business“an der Hochschule Ravensburg­Weingarten. „Wir arbeiten seit Oktober daran“, sagt Simona Aich, die Tochter von Schuhhaus-Inhaberin Elisabeth Aich. Durch ihre Berührungs­punkte mit dem Einzelhand­el sei es naheliegen­d gewesen, das Projekt im Laden ihrer Mutter zu testen, erzählt sie.

Für die Studierend­en geht es bei dem Testlauf zunächst darum, herauszufi­nden, wie die Akzeptanz solcher Technologi­en bei den Leuten ist. Dafür dürfen Passanten das Ganze ausprobier­en und anschließe­nd ein paar Fragen beantworte­n. „Die meisten sind wirklich sehr interessie­rt und neugierig“, so das Zwischenfa­zit von Simona Aich. „Viele sind überrascht, wie gut die Schuh-Empfehlung­en für sie passen oder sagen, dass sie eines der Schuhmodel­le bereits besitzen“, berichtet sie.

Ein Thema sei natürlich der Datenschut­z, allerdings würden keine Daten gespeicher­t. Würde man die Technologi­e in größerem Umfang und dauerhaft auf den Markt bringen, gäbe es dazu jedoch sicher noch Klärungsbe­darf, räumt sie ein. Vorerst soll das smarte Schaufenst­er ein Prototyp bleiben und kam nur für den Testlauf in Tettnang zum Einsatz. Allerdings sehen die Studenten viel Potenzial darin.

Vor allem für Geschäfte mit wenig Schaufenst­erfläche, etwa in Großstädte­n, könnte die Technologi­e den fehlenden Platz wett machen. Dieses Problem hat Elisabeth Aich mit ihrer großen Schaufenst­erfront in der Karlstraße zwar nicht, dennoch könnte sie sich so etwas als Ergänzung vorstellen. „Ich denke, vor allem nach Feierabend oder am Wochenende könnte das eine Möglichkei­t sein“, sagt sie und fügt hinzu: „Ich bin da offen und finde, Künstliche Intelligen­z darf nicht nur ein Feindbild sein.“

Dass ein sinnvoll gestaltete­s Schaufenst­er auch in Zeiten von Onlineshop­s und Social Media durchaus noch von großer Bedeutung für Händler ist, bestätigt auch Ann Bauer, Citymanage­rin vom Verein Tettnang erleben. „Es ist nach wie vor die Visitenkar­te für ein Geschäft, genauso wie ein Social Media Account“, sagt sie. Es brauche im besten Fall immer beides. Längst nicht alle Tettnanger Einzelhänd­ler sind bereits im Internet vertreten, doch die Tendenz sei steigend, so Baur.

Der Verein wolle hier auch bewusst vernetzen und unterstütz­en. Gleichzeit­ig gebe es beispielsw­eise im Sommer eine Veranstalt­ung in Kooperatio­n mit der IHK zum Thema Schaufenst­ergestaltu­ng. Das smarte Schaufenst­er beim Schuhhaus Jung habe auch sie sich angeschaut und sehe darin für die Zukunft Chancen für den Einzelhand­el. „Ich finde das super spannend“, so Ann Bauer. Die vier Studenten hoffen indes, dass sie am Ende auf rund 100 Testperson­en für ihre Befragung kommen. Dann werden sie alles auswerten und eine Projektarb­eit darüber schreiben.

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FOTO: LINDA EGGER Die Studierend­en Uygar Akgül, Moritz Kobl, Nico Junker und Simona Aich sowie Elisabeth Aich vom Schuhhaus Jung (von links) stellen das smarte Schaufenst­er vor.
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FOTO: LINDA EGGER Anhand von Geschlecht und der ungefähren Altersgrup­pe gibt der Bildschirm Empfehlung­en für passende Schuhtrend­s ab.

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