Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Mann fährt mit Rollstuhl zu schnell und landet vor Gericht
Polizei stoppt 59-Jährigen mit falsch versichertem Gefährt – Das wird nun entsorgt
BODOLZ - Auch die Fahrt mit einem Krankenfahrstuhl kann vor Gericht enden: Das bekam ein 59Jähriger zu spüren, den die Polizei im vergangenen Jahr in Bodolz gestoppt hatte. Der Vorwurf: Verstoß gegen das Pflichtversicherungsgesetz, weil er zu schnell unterwegs gewesen sei.
Richter Moritz von Engel stellte das Verfahren vor dem Lindauer Amtsgericht zwar gegen eine Geldauflage von 500 Euro ein. Seinen nicht verkehrssicheren Krankenfahrstuhl bekommt der Mann aber nicht zurück. Er wird entsorgt.
Der 59-Jährige ist querschnittsgelähmt und darum auf einen Rollstuhl angewiesen. Er nutzt das Gefährt nach eigenem Bekunden unter anderem zum Einkaufen und um einen Teil des Arbeitsweges zurückzulegen. Zur vermutlich letzten Fahrt mit dem Krankenfahrstuhl startete er im Mai 2023.
Da hielt ihn eine Zivilstreife der Polizei abends in Bodolz an. Den Beamten war der Fahrstuhl aufgefallen, weil er schnell unterwegs gewesen sei. Eine Beamtin als Zeugin sprach von etwa 50 km/h. Damit wäre das Gefährt nicht richtig versichert gewesen.
Eine Geschwindigkeitsmessung mit einem Lasermessgerät war vor Ort aber nicht möglich. In der Nacht konnte es die Polizei nicht nach Bodolz bringen. Für den Angeklagten hatte das Folgen: Die Polizei stellte das Gefährt noch in der Nacht sicher und transportierte es zur Dienststelle nach Lindau. Der Vorwurf, gegen das Pflichtversicherungsgesetz verstoßen zu haben, brachte dem Mann einen Strafbefehl ein. Dagegen legte er Widerspruch ein. Die Sache landete vor dem Lindauer Amtsgericht. Dort bestritt der Angeklagte jeden Vorwurf. Er habe den Krankenfahrstuhl ordnungsgemäß versichert, sagte er. Zudem habe er das Gerät im jetzigen Zustand gebraucht erworben. Auch den Vorwurf, 50 km/h gefahren zu sein, wies der Mann zurück. Der Krankenfahrstuhl fahre nur 25 km/h. Das bestätigte ein DekraGutachten, es stellte aber gleichzeitig eine ganze Reihe an „sowohl erheblichen als auch gefährlichen Mängeln“fest. Unter anderem waren verschiedene Teile ausgetauscht und zudem am Steuergerät manipuliert worden.
Der Gutachter sprach von einer Gefährdung von Verkehrsteilnehmern und riet dringend dazu, den Krankenfahrstuhl „aus dem Verkehr zu ziehen“. Zudem war das Gefährt nur für eine Geschwindigkeit von 15 km/h zugelassen. So hatte der Angeklagte den Krankenfahrstuhl auch versichert, also nicht ausreichend.
Juristisch stellte sich die Frage, ob der Mann vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt hatte. Letzteres hielt der Richter jedenfalls für möglich. Er brachte deshalb eine Einstellung des Verfahrens gegen eine Geldauf lage ins Spiel. Damit wollte er dem Angeklagten eine Brücke bauen. Immerhin muss dieser so die Kosten für den Abtransport seines Krankenfahrstuhls und das Dekra-Gutachten nicht übernehmen. Zusammen sind das etwa 2000 Euro.
Während die Staatsanwaltschaft mit der Einstellung einverstanden war, wollte der 59Jährige anfangs nicht auf das Angebot eingehen. In dem Fall hätte der Richter ein Urteil gefällt. Nach mehrfacher Beratung mit seiner Verteidigerin stimmte der Mann der Einstellung des Verfahrens dann aber doch zu. 500 Euro muss er als Auflage an die Lebenshilfe zahlen.
Zudem ist er den Rollstuhl, der seit fast elf Monaten bei der Polizei steht, endgültig los. Der Richter stellte klar: „Es besteht keine realistische Chance, dass Sie ihn wiederbekommen.“
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