Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Kneifen statt kuscheln
Sozialpädagogin erklärt, warum Kinder beißen oder schlagen, wenn die Worte fehlen
FÜRTH (dpa) - Das Kind legt sich auf einen und man denkt: Oh fein, es will kuscheln. Doch stattdessen beißt es einen in die Nase. Dann denkt man: Oje, was hat es? Einfach keine Worte, erklärt Dana Mundt, Sozialpädagogin von der Onlineberatung der Bundeskonferenz für Erziehungsberatung (bke-Elternberatung) im Interview. Die Hau-drauf-Methode scheint aus Sicht des Wut-Zwerges ja erst mal auch ganz erfolgreich. „Wenn die Worte noch fehlen, bringt die beschriebene Methode eine schnelle Lösung und vor allem eine rasche Reaktion sowie uneingeschränkte Aufmerksamkeit“, sagt die Expertin
Wie lassen sich solche Verhaltensweisen wieder abstellen?
Leider gibt es keinen Knopf am Kind oder ein ähnliches Patentrezept, auch wenn sich dies Eltern teils – und auch nachvollziehbar – sehr wünschen würden. Eltern können ihre Kinder aber bereits früh unterstützen und begleiten. Hilfreich bei der sprachlichen
Entwicklung sind etwa sogenannte Baby Signs. Das sind einfache Gebärden, die man zusätzlich einsetzt, wenn man mit dem Baby spricht. Ein Beispiel: Wenn man das Kind fragt, ob es etwas trinken möchte, führt man gleichzeitig die Hand zum Mund, als wenn man selbst einen Becher hält. Diese Methode macht sich recht gut bei Durst, Hunger, Aua oder Kuscheln. So können Kinder bereits früh nonverbal kurz zeigen, was sie möchten. Mit dem Finger klappt es ja auch meist schneller auf die Marmelade zu zeigen, als „Marmelade“auszusprechen.
Was hilft, der Sprache auf die Sprünge zu helfen?
Wenn man mit dem Kind spricht, ist es auch immer gut, direkten Blickkontakt zu halten. Nur so kann man sehen, ob das Kind wirklich zuhört. Leider ist es heutzutage üblich, dass wir am Handy chatten und nebenher sprechen, statt uns die Zeit zu nehmen, uns in die Augen zu schauen. Aber für die Sprachförderung ist der Blickkontakt total wichtig.
Eltern können früh gemeinsam Bilderbücher anschauen und lesen und erzählen, was sie beim Spaziergehen sehen oder zusammen singen. All das ist sprachfördernd – ganz nebenher. Da geht vieles auch spielerisch und musikalisch. So kann man einen Musikgarten besuchen, wenn man selbst vielleicht nicht adhoc so viele Kinderlieder, Fingerspiele oder Reime beherrscht.
Auch das Verbalisieren von Gefühlen finde ich beim Abstellen von Marotten wichtig. Wenn Eltern sehen, dass das Kind wütend ist und es etwa als Reaktion auf ein gemopstes Backförmchen zur Schippe greift, kann man dem Kind Worte geben: „Ich sehe, dich ärgert das – du bist ganz wütend. Kann das sein?“Dabei sollten aber dennoch klar und deutlich Grenzen gesetzt werden, dass niemand angegriffen wird.
Wie setzen Eltern denn Grenzen oder bringen alternative Ausdrucksformen bei?
Eltern sollten deutlich benennen, dass nicht gekratzt, gebissen, gehauen und gespuckt wird. Dann sagt man ganz klar: „Das geht nicht!“
Man kann in kniffligen Situationen auch gemeinsam überlegen: Was kann das Kind machen, wenn ihm vielleicht die Worte fehlen? „Du bist wütend, weil dir das Kind die Schippe weggeschnappt hat. Aber lass uns doch mal überlegen, was du ohne die Schippe machen kannst. Siehe hier, da ist noch eine Schippe. Oder siehe da, der Eimer hier. Oder schau mal, die große Schaufel hier ist noch viel länger.“Beim Haareziehen würde ich deutlich zu verstehen geben: „Das möchte ich nicht. Das tut weh.“
Beim Abgewöhnen der störenden Marotten sollten Eltern begleitend da sein und zuhören. Vielleicht auch nicht immer sofort eingreifen, sondern auch mal schauen, schafft es mein Kind allein. Das gilt natürlich nicht, wenn mein Kind ein anderes kratzen, hauen oder beißen will – dann bitte dazwischengehen. Wenn es aber die Situation gut gemeistert hat, darf man auf keinen Fall vergessen, das Kind zu loben und es wertzuschätzen.