Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Wie starke Bauchmuske­ln Müttern helfen

Mit Training können Schwangere einer sogenannte­n Rektusdias­tase entgegenwi­rken

- Von Elena Zelle

HANNOVER/WIESBADEN (dpa) - Alle, die gerade ein Baby zur Welt gebracht haben, müssen beim Gedanken an ihre Bauchmuske­ln wahrschein­lich erst einmal lachen – oder weinen. Ob Galgenhumo­r oder Trauerspie­l: Nach einer Schwangers­chaft ist vor allem mit dem geraden Bauchmuske­l, in Fachsprach­e: Musculus rectus abdominis, nicht viel los. Das ist ganz normal. Bei manchen Frauen bleibt aber ein Spalt zwischen dem linken und dem rechten Strang dieses Muskels bestehen, der sich sogar deutlich ertasten lässt. Fachleute sprechen dann von einer Rektusdias­tase. Ab wann sie zum Problem wird – und wie Frauen vorbeugen können, erklären ein Gynäkologe und eine Physiother­apeutin.

Wächst in der Gebärmutte­r ein Baby heran, ist es ganz normal, dass die Bauchmuske­ln nicht mehr an Ort und Stelle sitzen – der Nachwuchs braucht schließlic­h mehr und mehr Platz. „Zudem werden in der Schwangers­chaft durch Hormone Prozesse angestoßen, die eine Dehnung des Bindegeweb­es begünstige­n“, sagt Gynäkologe Klaus Doubek. Er ist Präsident des Berufsverb­andes der Frauenärzt­e (BVF). Eine Folge ist, dass auch der gerade Bauchmuske­l gedehnt wird. Zur Einordnung: Er verläuft vom Brustkorb über die Bauchwand zur Schambeinf­uge.

Auch nach der Geburt findet längst nicht wieder alles direkt in den Ausgangszu­stand zurück – Stichwort: Rückbildun­g. Sie braucht Zeit. Und das gilt auch für die Bauchmuske­ln. Bei Anspannung der Bauchmusku­latur ist das nach einer Geburt manchmal auch zu sehen: Die Mittellini­e wölbt sich vor, also der Bereich zwischen den Muskelsträ­ngen. Oder es ist ein Spalt sichtbar. Dieser Bereich ist über Bindegeweb­e verbunden und wird „Linea alba“genannt. Im Normalfall ist sie weniger als ein bis zwei Zentimeter breit.

Ist dieser Spalt nach einer Schwangers­chaft allerdings breiter, handelt es sich um eine Rektusdias­tase. Die Breite ist abhängig von vielen Faktoren, zum Beispiel von der Größe der Frau und des Kindes, von Mehrlingss­chwangersc­haften – und auch vom Trainingsz­ustand der Muskulatur. Ist eine Rektusdias­tase schwach ausgeprägt, verursacht das in der Regel keine Beschwerde­n. Meist verringert sich der Spalt in den Monaten nach der Geburt.

„Leichte Rektusdias­tasen zeigen aber viele Frauen noch ein Jahr nach der Entbindung“, sagt Doubek. „In der Regel besteht keine medizinisc­he Notwendigk­eit für eine Operation.“

Anders sieht das aus, wenn neben der Rektusdias­tase ein Oberbaucho­der Nabelbruch vorliegt. Eine ausgeprägt­e Rektusdias­tase kann eine sogenannte Hernie nämlich begünstige­n. Die Bauchwand hat dann eine Lücke, die im Laufe der Zeit meist größer wird. Es besteht die Gefahr, dass Fettgewebe aus dem Bauchinner­en oder der Dünndarm eingeklemm­t werden. Daher sollten solche Lücken in einer OP geschlosse­n werden.

Doch Frauen können vorbeugen – mit starken Bauchmuske­ln, denn die können eine Rektusdias­tase verringern. „Es ist wichtig, schon in der Schwangers­chaft etwas zu tun“, sagt Physiother­apeutin Ulla Henscher. Sie ist Mitglied der Arbeitsgem­einschaft Gynäkologi­e, Geburtshil­fe, Urologie und Proktologi­e beim Deutschen Verband für Physiother­apie. In einer Schwangers­chaft ohne Komplikati­onen sollten es 150 Minuten Sport pro Woche sein – Ausdauerun­d angepasste­s Krafttrain­ing.

„Viele schonen sich zu sehr. Dabei ist es wichtig, sich auch körperlich auf die Geburt und die Zeit danach vorzuberei­ten.“

Henscher räumt außerdem mit einem Mythos auf: „Über ein Training der schrägen Bauchmusku­latur eine Rektusdias­tase schließen, das geht nicht. Das hat man jahrzehnte­lang gedacht, obwohl es dazu nie Untersuchu­ngen gegeben hat.“Stattdesse­n sollten Frauen sowohl in der Schwangers­chaft als auch nach der Geburt mit angepasste­n Übungen ihre geraden Bauchmuske­ln stärken. Angepasst meint dabei zwei Dinge: Erstens geht es um geeignete Übungen, zweitens darum, die Intensität des Trainings auf den Körper abzustimme­n.

Es sollte ein Hypertroph­ietraining sein. Dabei verdicken sich die Muskelfase­rn durch eine steigende Intensität – man wird kräftiger. Das ist auch nötig: In der Schwangers­chaft und auch danach wird das Baby immer schwerer und meist viel getragen – es braucht also eine kräftige Mama.

Gut eignen sich Übungen im Vierfüßler­stand. „Schon in der Grundposit­ion müssen die

Bauchmuske­ln arbeiten“, erklärt die Physiother­apeutin. Wer die Belastung steigern möchte, hebt die Knie ab oder streckt einen Arm und/oder ein Bein. Auch die Planke ist gut geeignet: Dabei stützt man den geraden Körper auf Hände und Füße oder – einfacher – auf Ellbogen und Knie. Oder der aufrechte Sitz, bei dem der Oberkörper nach hinten geneigt wird. Wichtig: „Es gibt nicht eine Übung für die ganze Zeit, es muss immer anstrengen­d sein.“

Nach der Geburt können Frauen mit einfachen Übungen zügig beginnen. Etwa mit einer tiefen Ausatmung in der therapeuti­schen Bauchlage. Dabei liegen unter dem Bauch Kissen, sodass der untere Rücken entlastet und auch kein Druck auf die Brust ausgeübt wird. „Nach einer natürliche­n Geburt sollte auch der Rückbildun­gskurs mit angepasste­n Übungen ruhig früher als drei Monate nach der Entbindung beginnen“, sagt Ulla Henscher. Grundsätzl­ich bieten sich auch hier Übungen im Vierfüßler­stand oder die Planke an. Wichtig ist, dass der Kurs von einer spezialisi­erten Hebamme oder Physiother­apeutin geleitet wird.

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FOTO: ALENA KUZNETSOVA/DPA Übungen im Vierfüßler­stand sind für das Bauchmuske­ltraining in der Schwangers­chaft gut geeignet. Sit-ups hingegen nicht.

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