Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Kriminelle Meisterwerke
In Heidelberg zeigt eine Ausstellung Fälschungen aus den Depots der Polizei
Totgeglaubte leben länger. Zunächst siegte die Fußballnationalmannschaft unerwarteterweise in Lyon gegen Frankreich, dann in Frankfurt gegen die Niederlande, und schon schwappte mal wieder die schmerzlich vermisste La-OlaWelle durch ein deutsches Stadion. Um unsere tapferen Kicker soll es jetzt aber nicht gehen, sondern um ebendiese La-Ola-Welle – oder Welle-Welle, wenn man es genau nimmt. Denn La Ola heißt auf Deutsch die Welle. Also wird hier doppelt gemoppelt!
Damit sind wir bei einem besonderen Phänomen: Wer Spanisch gelernt hat, schüttelt vielleicht amüsiert den Kopf, weil er es besser weiß. Die anderen aber merken gar nicht, dass da etwas nicht stimmt – und gebrauchen weiterhin frohgemut eine an sich sinnfreie Formulierung. Deswegen haben Nachschlagewerke in solchen Fällen schon die Waffen gestreckt. So geht etwa der Duden bei La-Ola-Welle schon gar nicht mehr auf das Problem ein. Also sollte man hier auch nicht zu pingelig sein.
Rolf Waldvogel Unsere Sprache ist immer im Fluss. Wörter kommen, Wörter gehen, Bedeutungen und Schreibweisen verändern sich. Jeden Freitag greifen wir hier solche Fragen auf.
Die Sprachwissenschaft kennt solche Doppelungen unter den Begriffen Pleonasmus und Tautologie. Hier auf die sehr komplizierten, sich zum Teil auch widersprechenden Unterscheidungen zwischen diesen beiden rhetorischen Figuren näher einzugehen, würde den Rahmen sprengen. Vereinfacht gesagt: Die Tautologie ist eher eine gezielte Doppelung von sinnverwandten Wörtern um des stilistischen Effekts willen. Drei Beispiele: „Diese Ehe kann nie und nimmer gut gehen.“„Der Junge ähnelt voll und ganz seinem Vater.“„Sie hat sich still und leise davongemacht.“Der Pleonasmus hingegen hat meist etwas Willkürliches und basiert auf überf lüssigen Wiederholungen. Paradebeispiele sind der weiße Schimmel und der schwarze Rappe. Oder aber er steht für an sich unsinnige Formulierungen – unter anderem beim Kombinieren von Wörtern oder Wortbestandteilen mit derselben Bedeutung aus verschiedenen Sprachen: die Glasvitrine, das Fußpedal, die Salsasauce – oder eben die La-Ola-Welle. Und auch wer etwas auseinanderdividiert, zusammenaddiert, abkonterfeit oder aufoktroyiert moppelt doppelt.
Aber was ist schon doppelt moppelt! Man kann sogar vierfach moppeln. Hier der etwas angejahrte Beweis: Die DDR, also die Deutsche Demokratische Republik, firmierte gerne als Volksdemokratie – unter Verkennung der Tatsache, dass das griechische Wort Demokratie auf Deutsch Volksherrschaft bedeutet. Die DDR war somit erklärtermaßen ein volksvolksherrschaftliches Staatswesen. Damit aber nicht genug: Der Begriff Republik hat lateinische Wurzeln: res (die Sache) und publica (auf dem Volk beruhend )– von populus (das Volk). Das machte aus der DDR ein volkvolksherrschaftliches Volkswesen. Und um das Maß vollzumachen: Das Wort deutsch geht bekanntlich auf das althochdeutsche thiutisk zurück, zum Volk gehörend. Was 1989/90 unterging, war also letztlich nichts anderes als das VVV, das Volkseigene Volksvolksherrschaftliche Volkswesen … Nicht ganz ernst gemeint …
Dazu passt dann noch ein pleonastisches Erlebnis aus dem Supermarkt: Da sagt ein Kunde: „Ich hätte gerne eine Dose Büchsenmilch“, worauf der Verkäufer schlagfertig antwortet: „Sie können auch eine Büchse Dosenmilch haben.“
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HEIDELBERG - Für Kunstbesitzer ist es ein wahrlich bitterer Moment. Da hat man Geld in ein Werk investiert und muss von heute auf morgen feststellen: Es ist eine Fälschung. Die Sammler, die Wolfgang Beltracchi auf den Leim gingen, zahlten mitunter Millionen für Gemälde, die keineswegs von Max Ernst oder André Derain stammten, sondern von ihm. Das bemerkten nicht mal die Experten – auch Museen, Wissenschaftler und Händler gehen immer wieder Betrügern auf den Leim.
Wer den Schaden hat, muss für den Spott nicht sorgen – deshalb wird im Kunstbetrieb das Thema Fälschungen in der Regel geflissentlich verschwiegen. Deshalb ist es eine besondere Ausstellung, die das Kurpfälzische Museum Heidelberg nun zeigt. Denn fast alles, was in der Sonderschau „Kunst und Fälschung“hängt, ist gefälscht – die Van-Gogh-Landschaft und das Knabenporträt von Lucas Cranach,
das Frauenbildnis von Renoir und das Blumenstillleben von Emil Nolde.
Lange Zeit stapelten sich diese Bilder in den Asservatenkammern der Polizei. Vor zwei Jahren hatte man am Heidelberger Institut für Europäische Kunstgeschichte eine nachgerade revolutionäre Idee, denn auch im Kunstgeschichtestudium wird das Thema Fälschungen bisher ausgeblendet, obwohl man früher oder später im Berufsalltag damit konfrontiert werden wird. Damit künftige Generationen besser gewappnet sind, hat man in Heidelberg begonnen, eine Fälschungsstudien-Sammlung aufzubauen mit Leihgaben der Landeskriminalämter Berlin, Stuttgart und München.
Ein Gewinn für beide Seiten: Die Ermittler können in ihren übervollen Asservatenkammern wieder etwas Platz schaffen und die Studierenden haben konkretes Anschauungsmaterial, um zu lernen, woran man Kunstfälschungen erkennen kann. Wenn etwa die Signatur des Künstlers plötzlich links steht, auf anderen Werken aber rechts, sollte man hellhörig werden. Hier ein „a“in der Signatur, dessen Bauch ein wenig anders geformt ist als im Original. Dort hat sich ein Fälscher verraten, als er ein Frauenporträt malte, das angeblich von Lovis Corinth stammen sollte. Der setzte seine Pinselstriche immer rechts oben an, um sie nach links unten weiterzuführen – der Fälscher dagegen wählte die falsche Richtung von links oben nach rechts unten.
Seitdem Henry Keazor, Professor am Institut für Europäische Kunstgeschichte, die Fälschungen in der Lehre einsetzt, haben seine Studierenden sogar schon Forschungsergebnisse geliefert. Auch die Ausstellung motiviert, genauer hinzuschauen und präzise zu vergleichen – statt nur flanierend auf den ersten Eindruck zu setzen. Denn nur so erkennt man, dass ein Fälscher eine Landschaft von Otto Modersohn spiegelverkehrt malte, damit der Betrug nicht auffällt. Weil der Künstler immer vor Ort in der Natur
malte und Landschaften nicht im Atelier konstruierte, flog der Betrug auf.
Um eine Fälschung am Markt platzieren zu können, braucht es eben mehr als handwerkliche Fähigkeiten. Kunsthistorisches Wissen ist ebenso nötig wie ein Gutmaß an Fantasie, schließlich müssen auch Mythen und Nachweise konstruiert werden. Wolfgang Beltracchi erfand zum Beispiel ein Label, das angeblich auf den jüdischen Sammler Alfred Flechtheim hinwies. Deshalb hätte es der Ausstellung gutgetan, auch aufzuzeigen, wie die Fälschungen in den Markt gelangten und welche Wege sie gingen. Aber da hält man es dann doch lieber wie üblich im Kunstbetrieb – und verschweigt diskret, dass sich womöglich auch jene täuschen ließen, denen das nicht passieren sollte.
Die Ausstellung „Kunst und Fälschung“im Kurpfälzischen Museum dauert bis 30. Juni, geöffnet Di.-So. 10-18 Uhr.