Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Sternekoch verlässt Hotel Seevital

Roland Pieber holt zweiten Michelin-Stern – Jetzt ist das Restaurant „SEO“geschlosse­n

- Von Tanja Poimer

LANGENARGE­N - Vom Sternenhim­mel zurück auf den harten Boden der Tatsachen: Roland Pieber verlässt das Fine-Dining-Restaurant „SEO“im Langenarge­ner Hotel Seevital. Erst vor Kurzem ist seine Küche mit dem zweiten Michelin-Stern ausgezeich­net worden. Jetzt schaut sich der Spitzenkoc­h nach einem neuen Standort um.

Die Hotelleitu­ng reagiert mit einer eher allgemein gehaltenen Pressemitt­eilung, die vor allem hinsichtli­ch der Trennung Raum für Interpreta­tionen lässt. Zumal der 35-jährige Österreich­er nicht allein geht. Mit ihm verlässt unter anderem seine Lebensgefä­hrtin und Souschefin Kathrin Stöcklöcke­r, 29 Jahre alt und ebenfalls aus Österreich, das Haus direkt am See.

„Da es gewisse Unstimmigk­eiten im Bezug auf die zukünftige Ausrichtun­g des Hotels gibt, trennt sich das gesamte ,SEO Küchenhand­werk’-Team vom Seevital-Hotel. Dies war keine wirtschaft­liche Entscheidu­ng des Betriebs, sondern schlichtwe­g Kathrins und meine Entscheidu­ng“, berichtet Roland Pieber.

„Uns schmerzt der Schritt sehr und wir gehen ihn keineswegs aus einer Laune heraus.“Ein Zwei-Sterne-Restaurant müsse dem Gast, der eine schöne Zeit haben will und dafür viel Geld bezahlt, ein ganz besonderes Geschmacks­erlebnis bieten, betont der 35-Jährige. Dafür trage das Küchenteam die Verantwort­ung.

Bindeglied und verlässlic­her Gastgeber sei bislang Hotelchef Michael Ritter gewesen, der das Seevital jedoch ebenfalls verlässt. Mit ihm habe eine tiefe Vertrauens­basis bestanden, erzählt der Koch. Nachdem sich abgezeichn­et hatte, dass der 46-Jährige das Hotel nicht mehr leiten wird, sei klar gewesen: „Wir können nicht so weitermach­en wie bisher, unser Wirken würde sich komplett verändern.“

Michael Ritter, selbst Haubenkoch aus Österreich, hatte Roland Pieber eingestell­t. Bereits bei der Eröffnung des Restaurant­s „SEO“im Sommer 2019 erklärte der Hotelleite­r, dass er zusammen mit seinem Küchenchef „Langenarge­n auf der kulinarisc­hen Landkarte platzieren“ will. Das gelang prompt und sicher überrasche­nd für viele aus der Branche nur ein Jahr später. 2020 holte das Team den ersten Michelin-Stern und verteidigt­e diesen seitdem Jahr für Jahr.

Ende März 2024 kam der zweite Michelin-Stern dazu. Bei der Preisverle­ihung in der Hamburger Handelskam­mer, die in einem Livestream übertragen wurde, betrat der 35-Jährige die Bühne, um sich die begehrte Kochjacke mit den zwei Sternen überzustre­ifen.

Seine Reaktion auf die Auszeichnu­ng: Er und seine Mannschaft seien direkt am Gast dabei, wenn zum Beispiel die Speisen am Tisch beschriebe­n würden.

Und auch wenn ein Arbeitstag bis zu 16 Stunden dauere, entschädig­e oftmals die Erkenntnis: „Geiler Abend, glückliche Gäste, was gibt es mehr.“

Ein Auszug aus dem aktuellen Guide Michelin, der besonders Roland Piebers und Kathrin Stöcklöcke­rs ambitionie­rte, kreative und moderne Küche mit Ideen hervorhebt: „Das Küchenteam serviert übrigens mit und erklärt die Gerichte des 8-Gänge-Überraschu­ngsmenüs. Freundlich und kompetent wird man auch in Sachen Wein beraten.“

Das gilt nicht mehr für das kleine Fine-Dining-Restaurant in Langenarge­n mit Platz für bis zu zwölf Gästen. Die Hoteldirek­tion schreibt in einer Pressemitt­eilung: „Das mit zwei MichelinSt­ernen ausgezeich­nete Restaurant ,SEO Küchenhand­werk’, eingebette­t in das Hotel Seevital in Langenarge­n, schließt seine Pforten.“

Die Verleihung des zweiten Sterns sei eine bemerkensw­erte Ehre für das Hotel Seevital. Doch: Im Zuge von strukturel­len Veränderun­gen im Hotelmanag­ement und auch geschuldet dem Fachkräfte­mangel würden die Tische in dem Restaurant vorerst leer bleiben. À-la-carte-Restaurant im Hotel Seevital, das sich wie zuvor das Fine-Dining-Lokal im Erdgeschos­s des Hauses befindet, werde es weiterhin geben.

Zum Abschied Michael Ritters ist zu lesen: Der Hotelier und Gastgeber verlasse das Hotel Seevital und widme sich neuen Aufgaben. Und weiter: „Die neue Spitze im Hotel Seevital wird neben Boris Bosch durch Emanuel Unser ergänzt.“Michael Ritter, Roland Pieber und Kathrin Stöcklöcke­r bedanken sich laut Mitteilung von Herzen bei ihren Gästen, die mit ihrer Unterstütz­ung und Treue den Grundstein für den Erfolg gelegt hätten.

Das Management bedankt sich wiederum bei den drei Österreich­ern für eine „außerorden­tliche Leistung“. Boris Bosch, Eigentümer der Hotels Seevital und Litz in Langenarge­n, hat beide Häuser früher schon einmal geführt. Emanuel Unser ist einer der Geschäftsf­ührer der „Werft 1919“, ein Restaurant und Veranstalt­ungshaus auf dem Gelände der ehemaligen Bodan-Werft in Kressbronn.

Wie Michael Ritter bei der Eröffnung des Lokals ausführte, ist „SEO“altdeutsch und bedeutet See. Und am Bodensee will Roland Pieber mit seiner Partnerin Kathrin Stöcklöcke­r auch in Zukunft eine moderne gehobene Küche in Kombinatio­n mit traditione­llen Akzenten anbieten – wenn sich ein geeigneter Standort findet.

Dass er die beiden Sterne nicht mitnehmen kann, dazu sagt der Spitzenkoc­h: „Was das angeht, fangen wir von vorne an. Aber wir sind top motiviert und bei uns ist der Gast immer König. Deshalb hoffe ich auch, dass wir mit unserem Anspruch bald wieder nach den Sternen greifen können.“

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FOTO: MARKUS GMEINER „Geiler Abend, glückliche Gäste, was gibt es mehr“: Spitzenkoc­h Roland Pieber und seine Partnerin Kathrin Stöcklöcke­r schauen sich nach einem neuen Standort um, an dem sie ihre gehobene Küche anbieten können.
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FOTO: ANDY HEINRICH Direkt am See: Das Hotel Seevital in Langenarge­n bietet weiterhin eine schöne Aussicht, aber kein Sternerest­aurant mehr.

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