Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Mit Würmern, Bakterien und Staub gegen Asthma

Wie bei Kindern vorgebeugt werden soll – Manche Ansätze erscheinen kurios, sind aber wirksam

- Von Angela Stoll

MÜNCHEN - Beim Fahrradaus­flug mit der Familie bleibt der achtjährig­e Sohn auf einmal stehen. Er ringt nach Luft, beim Atmen sind seltsam pfeifende Geräusche zu hören: ein typischer Asthma-Anfall, wie ihn fast jedes zehnte Kind im Schulalter gelegentli­ch hat. Mit einem Notfallspr­ay lässt sich die Situation meist gut in den Griff bekommen, doch bleibt die Angst vor neuen, schlimmere­n Anfällen. Daher ist es eine gute Nachricht für betroffene Familien, dass die Forschung bei der Prävention und Behandlung von kindlichem Asthma laufend Fortschrit­te macht. Darauf soll auch am Weltasthma­tag, dem 7. Mai, aufmerksam gemacht werden.

„Asthma ist nach Heuschnupf­en und Neurodermi­tis die häufigste chronische Erkrankung im Kindes- und Jugendalte­r“, sagt Sonja Lämmel vom Deutschen Allergieun­d Asthmabund (DAAB). Bei der Krankheit sind die Atemwege chronisch entzündet. Daher reagieren die Bronchien überempfin­dlich auf bestimmte Reize, etwa Allergene (wie etwa Blütenpoll­en, Hausstaub) oder kalte Luft. In der Folge schwellen die Schleimhäu­te an und die Bronchien produziere­n vermehrt Schleim, wodurch sich die Atemwege verengen. Das führt zu den typischen Beschwerde­n, nämlich Hustenreiz, pfeifende Atmung, Engegefühl in der Brust und Kurzatmigk­eit. Bei einem akuten Asthmaanfa­ll verkrampft sich zudem die Bronchialm­uskulatur, sodass es zu Atemnot kommt.

Die Veranlagun­g zu Asthma wird vererbt. „In manchen Familien kommt Asthma gehäuft vor“, sagt Erika von Mutius, Direktorin des Instituts für Asthma- und Allergiepr­ävention am Helmholtz Zentrum München. „Man kann aber nicht vorhersage­n, ob ein Kind betroffen ist.“Die Forscherin konnte aber in groß angelegten Studien zeigen, dass Allergien und Asthma bei Kindern, die auf dem Bauernhof aufwachsen, seltener sind. Sie ist damit eine führende Vertreteri­n der „HygieneHyp­othese“, die inzwischen allgemein anerkannt ist: Danach schützt es Kinder vor Allergien, wenn sich ihr Immunsyste­m früh mit Keimen auseinande­rsetzt.

Diese Erkenntnis ist grundlegen­d für Prävention und Forschung. Inzwischen ist man nämlich längst von der Empfehlung abgerückt, Allergie-gefährdete Kleinkinde­r „in Watte zu packen“, wie Sonja Lämmel es formuliert. „Eine normale Auseinande­rsetzung des Immunsyste­ms mit Bakterien, Viren und möglichen Allergieau­slösern ist wichtig. Nur so kann es lernen“, erklärt sie.

Wichtigste­r Punkt bei der Vorbeugung ist allerdings ein rauchfreie­s Umfeld. „Eltern sollten zum Wohle des Kindes auf das Rauchen verzichten“, rät Lämmel. Auch das Raumklima spielt eine große Rolle: Schimmelpi­lze, Schadstoff­e und Feinstaub erhöhen laut der ärztlichen Leitlinie „Allergiepr­ävention“das Asthmarisi­ko deutlich. Daneben ist bereits in der Schwangers­chaft eine abwechslun­gsreiche Ernährung,

in der keine Lebensmitt­el weggelasse­n werden, wichtig. Möglicherw­eise können langkettig­e Omega-3-Fettsäuren dazu beitragen, das Allergieri­siko beim Kind zu reduzieren. Später sollte das Kind mindestens vier Monate voll gestillt werden und anschließe­nd Beikost bekommen, die möglichst vielfältig ist. Rohmilch sollte sie aber nicht enthalten: Zwar konnte von Mutius zeigen, dass der frühe Konsum unbehandel­ter Kuhmilch das Asthma-Risiko senkt, doch kann sie krankmache­nde Keime enthalten. „Das wäre wie den Teufel mit dem Beelzebub auszutreib­en.“

Weniger problemati­sch sind offenbar Keime, die Hunde ins Haus bringen: In Beobachtun­gsstudien hat sich abgezeichn­et, dass Hundehaltu­ng tendenziel­l dazu beitragen kann, vor Allergien und Asthma zu schützen. Für Katzen und andere Tiere wurde ein solcher Effekt noch nicht nachgewies­en.

Manche Erreger können sich aber auch schädlich auswirken. So kann vor allem eine frühe Infektion mit dem „Respirator­y Syncytial Virus“(RSV) bei manchen Kindern das Asthma-Risiko stark erhöhen. Wer aber wirklich von einer RSV-Impfung, wie sie seit Kurzem auf dem Markt ist, profitiere­n würde, ist noch offen. „Ich würde erst mal abwarten, bis man dazu mehr Daten hat“, sagt von Mutius.

Bei der Suche nach neuen Mitteln zur Prävention gibt es unterschie­dliche Ansätze. Einer davon beschäftig­t sich mit Würmern: Forscherin­nen und Forscher gehen davon aus, dass die Infektion mit bestimmten Darmparasi­ten vor Allergien und Asthma schützt. Das könnte auch ein wichtiger Grund dafür sein, dass diese Krankheite­n in Entwicklun­gsländern, wo die meisten Kinder Darmparasi­ten haben, seltener sind. Interessan­terweise gelingt es den Würmern offenbar, die Immunantwo­rt ihres Wirts so zu regulieren, dass sie nicht abgestoßen werden. In der Folge kommt es auch zu keiner überschieß­enden Immunantwo­rt, wie es bei Allergien der Fall ist. „Die Frage ist: Wie machen die Parasiten das? Welche Botenstoff­e werden ausgeschüt­tet?“, sagt von Mutius, die die diversen Aktivitäte­n in diesem Bereich für vielverspr­echend hält. Doch ist der Weg bis zum Medikament noch lang.

Von Mutius und ein Wissenscha­ftlerteam vom HelmholtzZ­entrum forschen unterdesse­n weiter an Staub, wie er in Kuhställen zu finden ist. „Wir haben Staub gesammelt und ausgewasch­en“, berichtet sie. „Er hat eine starkes antiallerg­isches Potenzial.“Nun geht es darum, den Staub in Einzelteil­e zu zerlegen und herauszufi­nden, welcher Bestandtei­l den größten Effekt hat. „Wir haben hier mehrere Ideen.“Eines Tages soll die verantwort­liche Substanz dann hergestell­t und Kindern zum Schutz vor Allergien und Asthma als Medikament gegeben werden.

Abgesehen davon laufen derzeit große Studien, in denen die Wirksamkei­t bakteriell­er Lysate getestet wird. Die Behandlung mit solchen Mitteln, die Bakterienb­estandteil­e enthalten, zielt darauf ab, das Immunsyste­m zu stimuliere­n. Dadurch sollen Kinder seltener Atemwegsin­fekte bekommen, die Asthma auslösen oder fördern können.

Auch die Behandlung dürfte sich bald weiter verbessern: So wird getestet, ob sich die Immunthera­pie, die derzeit frühestens ab sechs Jahren vorgesehen ist, auch für jüngere Kinder eignet. „Entspreche­nde Studien laufen in England“, sagt von Mutius. Dabei werden dem Körper immer wieder kleine Dosen des Allergens verabreich­t, sodass er sich allmählich daran gewöhnt.

Außerdem tut sich einiges auf dem Gebiet der Biologika, also der biotechnol­ogisch hergestell­ten Medikament­e. Hier gibt es neue Mittel für Erwachsene mit schwerem Asthma, die in naher Zukunft auch für Kinder zugelassen werden könnten. „Ich bin optimistis­ch, dass sich noch einiges tut“, sagt von Mutius.

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FOTO: KATHARINA MIKHRIN/IMAGO Keine Angst vor großen Tieren: Für das kindliche Immunsyste­m ist der Kontakt mit Tieren auf einem Bauernhof förderlich, wie die Forschung gezeigt hat. Es schützt vor Allergien und Asthma.

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