Schwäbische Zeitung (Tettnang)
„Das letzte Feuer“zündet nicht so richtig
Am Theater Konstanz treffen teils tolle Schauspieler auf einen schwer verdaulichen Stoff von Dea Loher
KONSTANZ - Der PremierenApplaus ist kein besonders guter Gradmesser für die Qualität einer Inszenierung. Denn heftig geklatscht werden kann aus ganz verschiedenen Gründen. Zum Beispiel, weil ein Kraftakt nach zwei Stunden vierzig Minuten endlich vorbei ist. Oder weil da unten im Parkett Kolleginnen und Kollegen sitzen oder Freunde und Verwandte, die den Darstellern für eine anstrengende Inszenierung völlig zur Recht reichlich applaudieren. Gerade dann, wenn sie sich durch einen derart kantigen Stoff geackert haben, wie Dea Lohers Stück „Das letzte Feuer“einer ist.
Seit die Welt Krise an Krise reiht, sehen sich viele Theater dazu veranlasst, die Düsternis unserer schwierigen Zeiten auf ihren Bühnen noch zu toppen. Herauskommen dabei Spielpläne mit überkonstruierten Werken, die enorm wichtige Anliegen durch ihre hohe Problematisierungsdichte derartig zusammenballen, dass ihre Botschaften in den Inszenierungen sich damit weitgehend selbst verschlucken.
Auch „Das letzte Feuer“fordert durch eigentümliche Wechsel der Erzählperspektiven seiner Figuren höchste Konzentration vom Publikum. Die Handlung – sofern die Reihung geschachtelter Gesprächssituationen den Namen verdient – zirkuliert um acht Personen, die im Wesentlichen als Existenzen das Ergebnis von traumatischen Erfahrungen sind. Unter ihnen, um nur einige zu nennen: eine Frau, deren Brüste nach Krebs amputiert werden mussten. Ein Kriegsheimkehrer mit Hang zur Selbstverstümmelung. Eine demente Oma, verkörpert von einem männlichen Schauspieler. Eine Polizistin mit Paranoia.
Dea Loher wirft ihre Figuren in den Strudel einer Tragödie – den Unfalltod eines Kindes, verursacht durch eine Verfolgungsjagd einer übereifrigen Ermittlerin, die einem bekifften Kerl hinterherhetzt, weil sie glaubt, er sei ein Terrorist. Grob gesagt, gibt es in Lohers Stück nur Opfer, die sich in ihren gegenseitigen Beziehungen im Laufe des Abends von einander lösen, um in anderer Konstellation wieder neu zusammenzufinden. Wobei sich dieser Tanz der versehrten Seelen auf kein gutes Ende zubewegt. Es geht um
Schuld, Verantwortung – und um die Sprachlosigkeiten sowie Kompensationen und was diese aus Menschen im Gefolge ihrer persönlichen Tragödien machen.
Regisseurin Nina Mattenklotz hat ihre Inszenierung auf die Konzentration dieser Figuren angelegt. Wenn diese nicht gerade separat in Dialogen sprechen, stehen oft alle Darsteller einem Chor gleich auf der Bühne und übernehmen wechselnd die Aufgabe des Erzählers. Dadurch wird vieles an diesem Abend nicht mit den Mitteln von Handlung und Darstellung gezeigt, sondern nur behauptet.
Das Bühnenbild von Zahava Rodrigo unterstreicht die beklemmende Stimmung, indem sie den Bühnenraum mit einem fleckigen und beweglichen Tuch auskleidet. Womit die Figuren zusätzlich wie eingeschlossen in die Ereignisse wirken. Ein großes Loch in der Bühne dient unter anderem dazu, dass Figuren darin buchstäblich versinken – oder von ihm verschluckt werden.
Wenn in „Das letzte Feuer“ein Funke zwischen Bühne und Zuschauerraum überspringt, dann durch das berührende Spiel bestimmter Akteure. Jana Alexia Rödiger zum Beispiel gelingt mit sprachlicher Präzision und darstellerischer Passion die wahrhaftige Figur der Karoline, die gerade erst gegen den Krebs gekämpft hat – und in ihrer Desillusionierung schwingt etwas Hoffnungsfrohes mit. Ulrich Hoppe als an Demenz erkrankte Großmutter des gestorbenen Kindes offenbart eine Zartheit in seiner Darstellung, die dem Stück in diesen Momenten Relevanz verleiht. Peter, der Freund des Todesfahrers Olaf, wird durch Fynn Engelkes mit trotziger Lakonie gespielt, die aber immer wieder auf beinharte Realitäten prallt. In seiner Darstellung dieser Wechselfälle blüht die Inszenierung auf – auch, weil seine Figur mit Komik ein bisschen Farbe ins Grau bringt.
Für das ganze Ensemble gilt, dass „Das letzte Feuer“ein anerkennenswerter Arbeitssieg ist. Ob das für großes Theater reicht, können Zuschauer noch an elf Abenden selbst überprüfen.
Weitere Termine heute und am
2., 3., 4., 7., 8., 10., 11., 15., 16. und 18. Mai. Karten gibt es unter:
www.theaterkonstanz.de