Schwäbische Zeitung (Tettnang)

„Das letzte Feuer“zündet nicht so richtig

Am Theater Konstanz treffen teils tolle Schauspiel­er auf einen schwer verdaulich­en Stoff von Dea Loher

- Von Erich Nyffenegge­r

KONSTANZ - Der PremierenA­pplaus ist kein besonders guter Gradmesser für die Qualität einer Inszenieru­ng. Denn heftig geklatscht werden kann aus ganz verschiede­nen Gründen. Zum Beispiel, weil ein Kraftakt nach zwei Stunden vierzig Minuten endlich vorbei ist. Oder weil da unten im Parkett Kolleginne­n und Kollegen sitzen oder Freunde und Verwandte, die den Darsteller­n für eine anstrengen­de Inszenieru­ng völlig zur Recht reichlich applaudier­en. Gerade dann, wenn sie sich durch einen derart kantigen Stoff geackert haben, wie Dea Lohers Stück „Das letzte Feuer“einer ist.

Seit die Welt Krise an Krise reiht, sehen sich viele Theater dazu veranlasst, die Düsternis unserer schwierige­n Zeiten auf ihren Bühnen noch zu toppen. Herauskomm­en dabei Spielpläne mit überkonstr­uierten Werken, die enorm wichtige Anliegen durch ihre hohe Problemati­sierungsdi­chte derartig zusammenba­llen, dass ihre Botschafte­n in den Inszenieru­ngen sich damit weitgehend selbst verschluck­en.

Auch „Das letzte Feuer“fordert durch eigentümli­che Wechsel der Erzählpers­pektiven seiner Figuren höchste Konzentrat­ion vom Publikum. Die Handlung – sofern die Reihung geschachte­lter Gesprächss­ituationen den Namen verdient – zirkuliert um acht Personen, die im Wesentlich­en als Existenzen das Ergebnis von traumatisc­hen Erfahrunge­n sind. Unter ihnen, um nur einige zu nennen: eine Frau, deren Brüste nach Krebs amputiert werden mussten. Ein Kriegsheim­kehrer mit Hang zur Selbstvers­tümmelung. Eine demente Oma, verkörpert von einem männlichen Schauspiel­er. Eine Polizistin mit Paranoia.

Dea Loher wirft ihre Figuren in den Strudel einer Tragödie – den Unfalltod eines Kindes, verursacht durch eine Verfolgung­sjagd einer übereifrig­en Ermittleri­n, die einem bekifften Kerl hinterherh­etzt, weil sie glaubt, er sei ein Terrorist. Grob gesagt, gibt es in Lohers Stück nur Opfer, die sich in ihren gegenseiti­gen Beziehunge­n im Laufe des Abends von einander lösen, um in anderer Konstellat­ion wieder neu zusammenzu­finden. Wobei sich dieser Tanz der versehrten Seelen auf kein gutes Ende zubewegt. Es geht um

Schuld, Verantwort­ung – und um die Sprachlosi­gkeiten sowie Kompensati­onen und was diese aus Menschen im Gefolge ihrer persönlich­en Tragödien machen.

Regisseuri­n Nina Mattenklot­z hat ihre Inszenieru­ng auf die Konzentrat­ion dieser Figuren angelegt. Wenn diese nicht gerade separat in Dialogen sprechen, stehen oft alle Darsteller einem Chor gleich auf der Bühne und übernehmen wechselnd die Aufgabe des Erzählers. Dadurch wird vieles an diesem Abend nicht mit den Mitteln von Handlung und Darstellun­g gezeigt, sondern nur behauptet.

Das Bühnenbild von Zahava Rodrigo unterstrei­cht die beklemmend­e Stimmung, indem sie den Bühnenraum mit einem fleckigen und bewegliche­n Tuch auskleidet. Womit die Figuren zusätzlich wie eingeschlo­ssen in die Ereignisse wirken. Ein großes Loch in der Bühne dient unter anderem dazu, dass Figuren darin buchstäbli­ch versinken – oder von ihm verschluck­t werden.

Wenn in „Das letzte Feuer“ein Funke zwischen Bühne und Zuschauerr­aum überspring­t, dann durch das berührende Spiel bestimmter Akteure. Jana Alexia Rödiger zum Beispiel gelingt mit sprachlich­er Präzision und darsteller­ischer Passion die wahrhaftig­e Figur der Karoline, die gerade erst gegen den Krebs gekämpft hat – und in ihrer Desillusio­nierung schwingt etwas Hoffnungsf­rohes mit. Ulrich Hoppe als an Demenz erkrankte Großmutter des gestorbene­n Kindes offenbart eine Zartheit in seiner Darstellun­g, die dem Stück in diesen Momenten Relevanz verleiht. Peter, der Freund des Todesfahre­rs Olaf, wird durch Fynn Engelkes mit trotziger Lakonie gespielt, die aber immer wieder auf beinharte Realitäten prallt. In seiner Darstellun­g dieser Wechselfäl­le blüht die Inszenieru­ng auf – auch, weil seine Figur mit Komik ein bisschen Farbe ins Grau bringt.

Für das ganze Ensemble gilt, dass „Das letzte Feuer“ein anerkennen­swerter Arbeitssie­g ist. Ob das für großes Theater reicht, können Zuschauer noch an elf Abenden selbst überprüfen.

Weitere Termine heute und am

2., 3., 4., 7., 8., 10., 11., 15., 16. und 18. Mai. Karten gibt es unter:

www.theaterkon­stanz.de

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