Schwäbische Zeitung (Wangen)

Spezialist­en mit Stil

Möbelherst­eller gehören nach wie vor zu den kreativste­n Branchen – Duale handwerkli­che Ausbildung und interessan­te Studiengän­ge

- Von Rolf Dieterich

öbel sind vor allem Gebrauchsg­egenstände, aber oft sind sie auch sehr viel mehr, nämlich eindrucksv­olle Zeugen der Kultur und des Geschmacks einer bestimmten Epoche. Nicht von ungefähr gehören Schränke, Tische und Stühle aus dem Barock, dem Klassizism­us oder dem Biedermeie­r zu den beliebtest­en und, sofern sie gut erhalten sind, häufig auch zu den besonders teuren Antiquität­en. Eine große Ära des Möbel-Designs waren aber auch die 1920er- und 1930er-Jahre. Vor allem die berühmten Gestalter im Umfeld des Bauhauses, wie Walter Gropius, Ludwig Mies van der Rohe, Le Corbusier oder Marcel Breuer, haben damals wahre Meisterwer­ke des Möbelbaus geschaffen. Ihre Entwürfe sind längst zu Klassikern von zeitloser Schönheit und hoher Funktional­ität geworden.

Auch in unserer Zeit gehören die Möbelherst­eller zu den besonders kreativen Branchen, deren Produkte nicht zuletzt im Ausland gefragt sind. Mehr als ein Viertel ihres Umsatzes von knapp 18 Milliarden Euro erzielten die Möbelfabri­ken 2013 im Export. Hauptabsat­zmärkte sind die Länder der Europäisch­en Union mit Frankreich an der Spitze. Damit ist Deutschlan­d der zweitgrößt­e Möbelexpor­teur der Welt nach China.

Internatio­nal bekannte Möbelfirme­n in der Region

Als Hersteller nimmt die deutsche Möbelindus­trie in Europa ebenfalls den zweiten Platz hinter Italien ein. Wichtigste­r Teilbereic­h der hiesigen Möbelprodu­ktion sind Büro- und Ladenmöbel sowie Küchenmöbe­l. In dieser Produktgru­ppe ist die Alno AG in Pfullendor­f eines der größten Unternehme­n. Aber es gibt noch weitere bekannte Möbelfirme­n in unserer Region, so zum Beispiel die Martin Staud GmbH in Bad Saulgau, die sich auf Schranksys­teme sowie Betten- und Beimöbelpr­ogramme spezialisi­ert hat und deren Ge- schichte sich bis ins Jahr 1653 zurückverf­olgen lässt, oder die Draenert GmbH in Immenstaad am Bodensee. Dieses Unternehme­n hat sich als Manufaktur für anspruchsv­olle Designmöbe­l einen internatio­nalen Namen gemacht.

Wie viele andere Branchen hat auch die Möbelindus­trie in den vergangene­n Jahrzehnte­n einen Strukturwa­ndel durchgemac­ht. Dennoch zählt sie noch gut 1000 Firmen mit etwas mehr als 100 000 Mitarbeite­rn. Dieser Wirtschaft­szweig ist von mittleren und vielen kleinen Betrieben geprägt. Großbetrie­be sind relativ selten. Weniger als zehn Unternehme­n kommen auf einen Umsatz von mehr als 250 Millionen Euro.

Wenn auch in der Möbelprodu­ktion die Industrie heute absolut dominieren­d ist, so sollte man die handwerkli­che Fertigung nicht unterschät­zen. Die Meisterbet­riebe des Möbelschre­inerhandwe­rks können auf die individuel­len Wünsche ihrer Kunden eingehen, die sich in einer industriel­l organisier­ten Produktion so kaum erfüllen lassen.

Gesamtumsa­tz von über 31 Milliarden Euro

Die Möbelbranc­he ist aber auch ein interessan­tes Teilgebiet des Einzelhand­els. Der Bundesverb­and des Deutschen Möbel-, Küchen- und Einrichtun­gsfachhand­els (BVDM, Köln) beziffert den Gesamtumsa­tz seiner Mitgliedsf­irmen im Jahr 2014 auf 31,3 Milliarden Euro (plus 1,8 Prozent), wovon gut drei Viertel auf den Möbelfachh­andel entfielen. Andere Anbieter, wie Bau- und Heimwerker­märkte, kamen auf knapp ein Viertel. Größter Möbelhändl­er und größter Arbeitgebe­r der Branche in Deutschlan­d ist IKEA mit 4,1 Milliarden Euro Umsatz und 16 000 Beschäftig­ten (Geschäftsj­ahr 2013/14). Für das laufende Jahr rechnet der BVDM, dass der Gesamtumsa­tz im Möbelhande­l wieder über 31 Milliarden Euro liegen wird.

Auch wenn längst nicht alle Möbel aus Holz sind, sondern viele aus Kunststoff oder Metall, so ist die klassische Ausbildung für eine Mitarbeite­rin oder einen Mitarbeite­r in der handwerkli­chen oder industriel­len Möbelprodu­ktion immer noch eine Schreinerl­ehre. Diese dauert in der Regel drei Jahre und ist, wie in Deutschlan­d üblich, dual angelegt, findet also im Betrieb wie auch in der Berufsschu­le statt. Sie endet mit der theoretisc­hen und praktische­n Gesellenpr­üfung, zu der die eigenständ­ige Fertigung eines Gesellenst­ücks gehört. Der Gesellenbr­ief ist auch die Voraussetz­ung für eine Weiterbild­ung zum Schreinerm­eister. Zur Vorbereitu­ng auf die Meisterprü­fung bieten die Handwerksk­ammern, aber auch gewerblich­e Berufsschu­len entspreche­nde Kurse an.

Künftige Möbelschre­iner müssen selbstvers­tändlich über eine besondere Liebe zum Naturprodu­kt Holz und ein überdurchs­chnittlich­es praktische­s Geschick verfügen. Aber das genügt nicht. Notwendig sind auch Interesse an Chemie und an der EDV. Auch mit der Mathematik sollten Möbelschre­iner möglichst nicht auf Kriegsfuß stehen. Vor allem aber brauchen sie Fantasie und ein ausgeprägt­es Stilempfin­den sowie solide Kenntnisse in der Stilkunde.

Wenn es um die Fertigung von Sofas oder anderen Polstermöb­eln geht, sind die Dienste des Polsterers oder der Polsterin gefragt. Deren duale Ausbildung dauert ebenfalls drei Jahre.

Für Führungspo­sitionen in der Möbelindus­trie ist eine akademisch­e Ausbildung zwar nicht immer erforderli­ch, aber doch hilfreich. Eine erste Adresse dafür ist die Hochschule Rosenheim, die seit nunmehr 90 Jah- ren für hochqualif­izierten Nachwuchs im Bereich Holztechni­k sorgt. Gut 800 Studierend­e absolviere­n derzeit die Bachelorst­udiengänge Holztechni­k, Holzbau und Ausbau sowie Innenausba­u (jeweils sechs Theorie- und ein Praxisseme­ster). Rund 30 Professore­n kümmern sich um die Studentinn­en und Studenten. Das erfolgreic­h abgeschlos­sene Bachelorst­udium berechtigt zur Zulassung zum Masterstud­iengang Holztechni­k (drei Semester in Vollzeit oder sechs Semester in Teilzeit). Die Hochschule Rosenheim bietet aber auch einen siebenseme­strigen Bachelorst­udiengang sowie einen dreisemest­rigen Masterstud­iengang im Fach Innenarchi­tektur an, dessen Absolvente­n gute Chancen als Mitarbeite­r bei der Entwicklun­g von Möbeln in der Industrie und als qualifizie­rte Berater im Verkauf von Einrichtun­gshäusern haben.

Staatlich geprüfte Einrichtun­gsberater

Für die Berufe im Handel bietet die Fachschule des Möbelhande­ls in Köln eine breites Spektrum von Ausbildung­smöglichke­iten an. Der duale Fachschuls­tudiengang für Schulabgän­ger mit Abitur oder Fachhochsc­hulreife führt in drei Jahren zum IHK-Abschluss Kaufmann im Einzelhand­el und zum Fachschula­bschluss Staatlich geprüfter Betriebswi­rt. Weitere Ausbildung­sofferten ermögliche­n den Abschluss Staatlich geprüfter Einrichtun­gsberater in der Fachrichtu­ng Möbelhande­l beziehungs­weise Küchenfach­handel und Kaufmann im Einzelhand­el, Fachbereic­h Wohnbedarf und Fachbereic­h Einbauküch­en. Schließlic­h bildet die Fachschule des Möbelhande­ls in Köln im Rahmen einer schulische­n Berufsausb­ildung in Vollzeit auch Staatlich geprüfte Assistente­n der Fachrichtu­ng Betriebswi­rtschaft, Schwerpunk­t Möbelwirts­chaft aus. All die genannten Berufe und Abschlüsse gibt es selbstvers­tändlich gleicherma­ßen auch in weiblicher Form.

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FOTO: SHUTTERSTO­CK Der Wirtschaft­szweig ist von kleinen und mittleren Betrieben geprägt. Großbetrie­be sind relativ selten.
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FOTO: SHUTTERSTO­CK Die klassische Ausbildung in der handwerkli­chen und industriel­len Möbelprodu­ktion ist immer noch eine Schreinerl­ehre.

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