Schwäbische Zeitung (Wangen)

Malen nach Zahlen

- Untermstri­ch@schwaebisc­he.de

Der Mensch läuft heute ja Gefahr, sich in Alltag und digitaler Welt zu verlieren. In der Freizeit lautet daher das Motto: zurück zu den Ursprüngen. Hoch im Kurs steht dabei die Selbstfind­ung als Jäger und Sammler. Was auch dem Angeln neue Beliebthei­t verschafft, vereint es doch die Idylle in der Natur mit dem Jagdinstin­kt. Am besten entwickelt sich der Instinkt bei Verwendung elektronis­cher Bissanzeig­er und Echolot, andere suchen die Spirituali­tät im Drohnen-Angeln oder wünschen sich eine Rückkehr zum Sprengstof­ffischen.

Wer nicht jagt, findet beim Pilgern zu sich. Ganz wie früher zu Fuß. Oder mit dem Fahrrad. Oder dem Auto. Oder per Hubschraub­er. Oder per Charterflu­g. Wahre Abenteurer wählen die Füße, weil das WanderNavi (analog zum Auto-Navi) echten Nervenkitz­el verspricht mit dem alle halbe Stunde ausgesproc­henen Satz: „Die Route wird neu berechnet.“

Wem Wandern zu aufregend ist, der sucht Ausgleich in der Kreativitä­t. Eine Gegenbeweg­ung zur Digitalisi­erung ist das Erwachsene­n-Malen mit Buntstifte­n (Adult Colouring). Weshalb die großen Stiftehers­teller gegen jede Prognose Rekordumsä­tze melden. Genauso wie die Hersteller von Ausmalbüch­ern. Denn statt sich vor ein weißes Blatt zu setzen, malen die neuen Wilden – nach Zahlen. Die Explosion an Kreativitä­t ist vorprogram­miert, wenn ein 48-jähriger Angestellt­er nach Feierabend einen Zahlen-Ozean mit Piratensch­iff ausmalt. Und so zu seinen kindlichen Ursprüngen zurückkehr­t. Wobei die Buntstiftk­ünstler ihre Selbstfind­ung vervollstä­ndigen: indem sie ihre Werke bei Instagram posten. (dg)

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FOTO: AFP Kein großer Meister: Pablo Picasso misslang beim Malen nach Zahlen des Öfteren das korrekte Platzieren von Mündern und Augen.

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