Schwäbische Zeitung (Wangen)

EnBW darf Hafen am Atommeiler bauen

Umweltschü­tzer prüfen Klage gegen Genehmigun­g für Bau in Neckarwest­heim

- Von Katja Korf

STUTTGART - Der Rückbau der Atommeiler entlang des Neckars bietet Stoff für ein jahrzehnte­langes Ringen zwischen Naturschüt­zern, Anwohnern und dem Energierie­sen EnBW. Nächste Etappe: der Streit um eine Schiffsanl­egestelle am Meiler Neckarwest­heim. Von dort sollen Teile des Reaktors über den Neckar transporti­ert werden – und möglicherw­eise auch strahlende Brennstäbe in Castor-Behältern.

Das Landratsam­t Heilbronn hatte den Bau des Anlegers Ende März genehmigt. Die Umweltschu­tzorganisa­tion BUND Baden-Württember­g erwägt nun eine Klage gegen die Behörde. Diese habe ohne die notwendige­n Prüfungen den Bau voreilig erlaubt, so der Vorwurf. Das Landratsam­t weist dies zurück. „Unsere Juristen stützen unsere Rechtsauff­assung“, so Hubert Waldenberg­er, Sprecher des Landratsam­tes.

Transporte über den Neckar

Die strittige Frage: Muss eine Umweltvert­räglichkei­tsprüfung vorgenomme­n werden? Nein, hat das Landratsam­t nach einer Vorprüfung entschiede­n. Obwohl es nicht zwingend vorgeschri­eben war, habe man auch ein förmliches Planfestst­ellungsver­fahren betrieben, so Waldenberg­er. Dabei wurden Bürger und Verbände angehört, Pläne und Gutachten lagen öffentlich aus.

Aus Sicht des BUNDs liegen aber durchaus Gründe für eine Umwelt- verträglic­hkeitsprüf­ung vor. Diese muss durchgefüh­rt werden, wenn „erhebliche Eingriffe in die Natur“zu erwarten sind. „Diese Frage bejaht sich von selbst, wenn der Neckar auf einer Länge von 200 Metern mit Spundwände­n begrenzt, das Flussbett ausgehoben und ein Hektar Wald abgeholzt werden sollen“, so Gottfried May-Stürmer vom BUND.

Den Naturschüt­zern geht es weniger um den Bau des Anlegers als um den Zweck, zu dem er errichtet wird. Die Kraftwerks­blöcke in Neckarwest­heim werden bald abgerissen. Dabei fallen nach Schätzung von EnBW 1,2 Millionen Tonnen Baumateria­l an. 98 Prozent davon könnten, so heißt es, vor Ort aufbereite­t und an anderer Stelle wieder genutzt werden. Dieses nicht radioaktiv be- lastete Material könnte per Schiff besser transporti­ert werden als per Lkw. Auch Maschinen aus dem Kraftwerk in Philippsbu­rg könnten so nach Neckarwest­heim gelangen, um dort zerlegt zu werden.

EnBW hat außerdem beantragt, Brennstäbe aus dem stillgeleg­ten Kraftwerk Obrigheim per Schiff nach Neckarwest­heim zu schicken. Dort könnten sie zwischenge­lagert werden. Noch ist die Entscheidu­ng darüber nicht gefallen. „Wir haben die Anträge aber eingereich­t, um die Pläne auf Machbarkei­t zu prüfen“, so EnBW-Sprecherin Friederike Eggstein. Wenn ein genehmigun­gsfähiges Konzept für die Schiffstou­r mit Castoren vorliegt, will die EnBWSpitze entscheide­n. Aus Sicht des Konzerns wäre der Transport auf dem Wasser nicht so aufwendig wie jener auf Schiene und Straße. Weil Neckarwest­heim keinen Gleisansch­luss hat, müssten die Castoren über knapp zwei Kilometer vom nächsten Bahnhof mit Tiefladern transporti­ert werden.

Widerstand aus der Gemeinde

Der BUND hält den Weg über Land für sicherer. Mit solchen Transporte­n habe man in Deutschlan­d Erfahrung. Ein Frachter könne jedoch kentern. „Das geschieht auf dem Neckar alle paar Jahre mal. Einen Castor aus dem Fluss zu bergen, wäre technisch höchst aufwendig“, so BUND-Mann May-Stürmer. Der Neckar münde in den Rhein, der wiederum eine halbe Million Menschen mit Trinkwasse­r versorge. EnBWSprech­erin Eggstein hält die Bedenken für überzogen: „Wenn so ein Transport genehmigt wird, dann nur unter Einhaltung aller Sicherheit­svorschrif­ten.“Die Vorgaben seien äußerst streng.

In der Gemeinde Neckarwest­heim regt sich ebenfalls Widerstand. „Wir lassen uns nicht zweimal von den Behörden hinters Licht führen“, sagt Bürgermeis­ter Mario Dürr (parteilos). Beim Bau des Kraftwerks habe man versproche­n, dort keinen Atommüll zu lagern. Diese Zusage wurde später gebrochen – aber nur für Abfälle aus dem Meiler Neckarwest­heim. Sollten nun 15 Castoren mit Brennstäbe­n aus Obrigheim eingelager­t werden, will die Gemeinde rechtliche Schritte einleiten.

 ?? ARCHIVFOTO: DPA ?? Abriss eines Zellenkühl­turms in Neckarwest­heim im Jahr 2012: Ein Block des Atomkraftw­erks im Landkreis Heilbronn ist bereits abgeschalt­et und wird zurückgeba­ut. Der Prozess verursacht immer wieder Streit – zuletzt um den Bau einer Schiffsanl­egestelle...
ARCHIVFOTO: DPA Abriss eines Zellenkühl­turms in Neckarwest­heim im Jahr 2012: Ein Block des Atomkraftw­erks im Landkreis Heilbronn ist bereits abgeschalt­et und wird zurückgeba­ut. Der Prozess verursacht immer wieder Streit – zuletzt um den Bau einer Schiffsanl­egestelle...

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