Schwäbische Zeitung (Wangen)

Wie aus Daten Geschichte­n werden

400 Journalist­en arbeiteten die Millionen Datensätze der „Panama Papers“auf

- Von Yannick Dillinger

RAVENSBURG - Die mehr als elf Millionen Dokumente, die 400 Reporter von mehr als 100 Medienunte­rnehmen aus rund 80 Ländern etwa ein Jahr lang für die „Panama Papers“verarbeite­t haben, haben zusammen eine Größe von rund 2,6 Terabyte. Das entspricht zum Beispiel 1 700 000 Büchern, 1 000 000 Digitalbil­dern in hoher Auflösung, 500 000 Musiktitel­n oder 650 DVDs.

Die größte Leistung der an der Veröffentl­ichung der „Panama Papers“Beteiligte­n war daher die Arbeit im Verborgene­n, die monatelang­e Bereinigun­g, Aufbereitu­ng und Analyse von Millionen Daten, das Zusammenba­uen eines Puzzles aus vielen kleinen Einzelteil­en, die Orchestrie­rung eines Gesamtwerk­s.

Denn so erfreulich es für die „Süddeutsch­e Zeitung“gewesen sein mag, als erstes deutsches Medienhaus überhaupt derart brisantes Datenmater­ial von einem Whistleblo­wer erhalten zu haben: Diese Daten an sich erzählen noch keine Geschichte­n. Jedes Foto, jede E-Mail, jede Excel-Tabelle steht zunächst für sich, muss analysiert werden.

Internatio­nale Experten

Die „Süddeutsch­e Zeitung“war gut beraten, mit dem Internatio­nalen Konsortium investigat­iver Journalist­en frühzeitig einen Experten-Pool mit ins Boot zu holen, um die Dokumente aus der panamaisch­en Anwaltskan­zlei Mossack Fonseca auszuwerte­n. Denn keine Maschine die- ser Welt kann alleine jene Interpreta­tionsleist­ung schaffen, die hinter veröffentl­ichten Geschichte­n steht.

Anteil an dem riesigen Aufschlag hatten in großem Maße auch die wenigen Zeilen, die Edward Snowden, der berühmtest­e Whistleblo­wer der Welt, am Sonntagabe­nd kurz vor 20 Uhr im Kurznachri­chtendiens­t Twitter schrieb. Der US-Amerikaner machte die Enthüllung­en des Recherchev­erbunds Minuten vor der geplanten Veröffentl­ichung öffentlich: „Biggest leak in the history of data journalism just went live, and it's about corruption“, schrieb er – und verlinkte auf die Homepage der „Süddeutsch­en Zeitung“, die daraufhin ob des großen Ansturms für Stunden in die Knie ging.

Menschen auf der ganzen Welt tragen die Geschichte­n seitdem weiter, die Journalist­en legen kontinuier­lich nach: mit Visualisie­rungen von Daten und Zusammenhä­ngen sowie einer Menge Textanalys­en.

Ein weiterer wichtiger Faktor bei der konzertier­ten Veröffentl­ichung der „Panama Papers“war die Verschwieg­enheit aller Beteiligte­n über Monate hinweg. Es heißt, bei der „Süddeutsch­en Zeitung“hätten nicht mehr als zehn Mitarbeite­r von dem brisanten Thema gewusst. Addiert man die Experten aus den anderen im Rechercheb­und aktiven Medienhäus­ern dazu, kommt man trotzdem auf eine ordentlich­e Anzahl potenziell­er Geheimnisv­erräter. Sie alle haben den Mund und damit Wort gehalten. Nur so war dieser Coup möglich.

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