Schwäbische Zeitung (Wangen)

Kreml empört über Vorwürfe

Skandal wirft Schatten auf Putins Machtkreis - Kritik in Moskau

- Von Klaus-Helge Donath und Alexei Makartsev

MOSKAU/RAVENSBURG - Zwölf hochrangig­e russische Staatsbedi­enstete sollen laut den „Panama Papers“persönlich oder durch Familienmi­tglieder verborgene OffshoreFi­rmen zur persönlich­en Bereicheru­ng genutzt haben. Einige von ihnen gehören zur engsten Umgebung des Präsidente­n Wladimir Putin. Doch die Staatsführ­ung reagiert empört auf die Vorwürfe.

Die Panama-Enthüllung­en seien vor allem gegen den Kremlchef gerichtet und sollen Russland zwei Jahre vor der Präsidents­chaftswahl destabilis­ieren, erklärte am Montag der Präsidente­nsprecher Dmitrij Peskow. „Die Abneigung gegen Putin im Ausland ist so groß, dass man nichts Gutes über Russland mehr sagen darf. Man muss negativ berichten, und wenn es nichts zu berichten gibt, dann muss man etwas verstecken.“Die Vorsitzend­e des Anti-Korruption­sauschusse­s im russischen Parlament, Irina Jarowaja, nannte die „Panama Papers“eine „Giftinjekt­ion“, die russische Bürger treffen soll.

Präsident wird nicht erwähnt

Ohnehin steht Putin selbst noch nicht in der Schusslini­e: Er taucht namentlich in den Nachforsch­ungen nicht auf. Zudem hat sich der Kreml vor Bekanntwer­den der Vorwürfe abgesicher­t und der Korruption im Land den Kampf angesagt. Es ging in der Sitzung im Kreml am Samstag um Rückführun­g von Vermögen, die in Steuerpara­diesen schlummern. Aber natürlich nicht um die Gelder aus dem eigenen Machtzirke­l.

Dazu gehört ein Schöngeist, der Star-Cellist Sergej Roldugin. Der enge Freund Putins figuriert in den „Panama Papers“als Kopf eines Netzwerkes aus vier Briefkaste­nfirmen mit Sitz auf den Britischen Jungfernin­seln. Über dieses Geflecht sollen zwei Milliarden Dollar an Freunde des Präsidente­n geflossen sein.

Laut Roman Anin von der kremlkriti­schen Zeitung „Nowaja Gaseta“war Roldugin kein Nutznießer. Er übernahm die Rolle des Strohmanns aus Loyalität gegenüber seinem Freund Wladimir. Gleichwohl wickelten seine Briefkäste­n Geschäfte ab, die Millioneng­ewinne garantiert­en, und nahmen Kredite bei Töchtern der Außenhande­lsbank VTB auf, die keine Sicherheit­en verlangte.

Häufig räumten andere Unternehme­n diesen Firmen Kredite zu Niedrigzin­sen ein, die selten zurückgeza­hlt wurden. Auch dieses Schema wird geschilder­t: Eine Firma schloss einen Vertrag mit dem Staatskonz­ern Rosneft über den Kauf von Aktien ab, im selben Moment wurde dieser gekündigt und der „geprellte“Käufer erhielt eine Abfindung in dreistelli­ger Millionenh­öhe.

Aus dem engeren Kreml-Kreis geriet der Minister für Wirtschaft­sentwicklu­ng ins Fadenkreuz. Alexej Uljukajew soll seinem Sohn eine Firma auf den Jungfernin­seln übertragen haben. Mit von der Partie sind der Gouverneur des Gebiets Pskow und Abgeordnet­e der Kremlparte­i. Auch Vertreter staatliche­r Korporatio­nen scheuten offenbar die Steuerpara­diese nicht. Wie viel Putin selbst besitzt, ist nicht klar. 2007 schätzte der Politologe Stanislaw Belkowski sein Vermögen mit 40 Milliarden Dollar ein.

Die staatlich kontrollie­rten Moskauer Medien berichtete­n am Montag auffällig knapp über den Skandal oder sie verurteilt­en ihn scharf als einen „Informatio­nsangriff auf Russland“– wie etwa der Pervyi Kanal. Der populäre Fernsehsen­der sieht hinter der Veröffentl­ichung der „Panama Papers“einen Versuch der USA, vor der angeblich bevorstehe­nden Gründung eigener Offshores die Konkurrenz zu vernichten.

Auf den Webseiten der Zeitungen „Komsomolsk­aja Prawda“und „Iswestija“nahm die Berichters­tattung über die Umgestaltu­ng des Staatsarch­ivs und die Warmwasser­versorgung in der Hauptstadt einen weitaus größeren Platz ein. Die Agentur Tass entdeckte zwar eine korrupte Spur, die nach ihrer Darstellun­g jedoch zum ukrainisch­en Präsidente­n Petro Poroschenk­o führt.

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FOTO: DPA Der Musiker Sergej Roldugin (li.) soll über Offshore-Firmen viel Geld für den Machtkreis um seinen Freund Putin erwirtscha­ftet haben.

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