Kreml empört über Vorwürfe
Skandal wirft Schatten auf Putins Machtkreis - Kritik in Moskau
MOSKAU/RAVENSBURG - Zwölf hochrangige russische Staatsbedienstete sollen laut den „Panama Papers“persönlich oder durch Familienmitglieder verborgene OffshoreFirmen zur persönlichen Bereicherung genutzt haben. Einige von ihnen gehören zur engsten Umgebung des Präsidenten Wladimir Putin. Doch die Staatsführung reagiert empört auf die Vorwürfe.
Die Panama-Enthüllungen seien vor allem gegen den Kremlchef gerichtet und sollen Russland zwei Jahre vor der Präsidentschaftswahl destabilisieren, erklärte am Montag der Präsidentensprecher Dmitrij Peskow. „Die Abneigung gegen Putin im Ausland ist so groß, dass man nichts Gutes über Russland mehr sagen darf. Man muss negativ berichten, und wenn es nichts zu berichten gibt, dann muss man etwas verstecken.“Die Vorsitzende des Anti-Korruptionsauschusses im russischen Parlament, Irina Jarowaja, nannte die „Panama Papers“eine „Giftinjektion“, die russische Bürger treffen soll.
Präsident wird nicht erwähnt
Ohnehin steht Putin selbst noch nicht in der Schusslinie: Er taucht namentlich in den Nachforschungen nicht auf. Zudem hat sich der Kreml vor Bekanntwerden der Vorwürfe abgesichert und der Korruption im Land den Kampf angesagt. Es ging in der Sitzung im Kreml am Samstag um Rückführung von Vermögen, die in Steuerparadiesen schlummern. Aber natürlich nicht um die Gelder aus dem eigenen Machtzirkel.
Dazu gehört ein Schöngeist, der Star-Cellist Sergej Roldugin. Der enge Freund Putins figuriert in den „Panama Papers“als Kopf eines Netzwerkes aus vier Briefkastenfirmen mit Sitz auf den Britischen Jungferninseln. Über dieses Geflecht sollen zwei Milliarden Dollar an Freunde des Präsidenten geflossen sein.
Laut Roman Anin von der kremlkritischen Zeitung „Nowaja Gaseta“war Roldugin kein Nutznießer. Er übernahm die Rolle des Strohmanns aus Loyalität gegenüber seinem Freund Wladimir. Gleichwohl wickelten seine Briefkästen Geschäfte ab, die Millionengewinne garantierten, und nahmen Kredite bei Töchtern der Außenhandelsbank VTB auf, die keine Sicherheiten verlangte.
Häufig räumten andere Unternehmen diesen Firmen Kredite zu Niedrigzinsen ein, die selten zurückgezahlt wurden. Auch dieses Schema wird geschildert: Eine Firma schloss einen Vertrag mit dem Staatskonzern Rosneft über den Kauf von Aktien ab, im selben Moment wurde dieser gekündigt und der „geprellte“Käufer erhielt eine Abfindung in dreistelliger Millionenhöhe.
Aus dem engeren Kreml-Kreis geriet der Minister für Wirtschaftsentwicklung ins Fadenkreuz. Alexej Uljukajew soll seinem Sohn eine Firma auf den Jungferninseln übertragen haben. Mit von der Partie sind der Gouverneur des Gebiets Pskow und Abgeordnete der Kremlpartei. Auch Vertreter staatlicher Korporationen scheuten offenbar die Steuerparadiese nicht. Wie viel Putin selbst besitzt, ist nicht klar. 2007 schätzte der Politologe Stanislaw Belkowski sein Vermögen mit 40 Milliarden Dollar ein.
Die staatlich kontrollierten Moskauer Medien berichteten am Montag auffällig knapp über den Skandal oder sie verurteilten ihn scharf als einen „Informationsangriff auf Russland“– wie etwa der Pervyi Kanal. Der populäre Fernsehsender sieht hinter der Veröffentlichung der „Panama Papers“einen Versuch der USA, vor der angeblich bevorstehenden Gründung eigener Offshores die Konkurrenz zu vernichten.
Auf den Webseiten der Zeitungen „Komsomolskaja Prawda“und „Iswestija“nahm die Berichterstattung über die Umgestaltung des Staatsarchivs und die Warmwasserversorgung in der Hauptstadt einen weitaus größeren Platz ein. Die Agentur Tass entdeckte zwar eine korrupte Spur, die nach ihrer Darstellung jedoch zum ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko führt.