Schwäbische Zeitung (Wangen)

Erleichter­t, aber unsicher

Die ersten syrischen Flüchtling­e sind nach Inkrafttre­ten des Flüchtling­spakts in Deutschlan­d gelandet

- Von Matthias Brunnert und Christina Sticht

HANNOVER (dpa) - Es läutet von der St.-Norbert-Kirche in Friedland – wie jeden Mittag. Dennoch wirkt es so, als habe jemand die Glocken zur Begrüßung extra angestellt. Kurz vor zwölf Uhr ist im Grenzdurch­gangslager bei Göttingen ein Bus mit den ersten syrischen Flüchtling­en angekommen, die vom umstritten­en Flüchtling­spakt zwischen der EU und der Türkei profitiere­n.

Als die sieben Erwachsene­n und neun Kinder aussteigen, wirken sie erleichter­t, aber auch mitgenomme­n. „Sie sind völlig erschöpft von der Reise. Sie haben die ganze Nacht nicht geschlafen“, sagt Dolmetsche­r Samal Osman, der die Flüchtling­e im Auftrag des Bundesamts für Migration und Flüchtling­e (Bamf) begleitet.

Mit den vielen internatio­nalen Journalist­en, die auf die Ankunft des Busses gewartet haben, wollen die Flüchtling­e nicht reden. Verschleie­rte Frauen gehen mit gesenktem Blick an den Wartenden vorbei. Ein Mann versteckt sein Gesicht hinter einer Jacke. Nur für die Kleinsten scheint die Reise eher ein Abenteuer zu sein. Zwei Jungen im Vorschulal­ter mustern neugierig die Umgebung.

Wenig später werden die Neuankömml­inge unter Ausschluss der Öffentlich­keit von Leiter Heinrich Hörnscheme­yer in Friedland willkommen geheißen. Man müsse verstehen, dass sie keine Kameras und Mikrofone dabeihaben wollen, sagt Hannah Buschmann von der niedersäch­sischen Landesaufn­ahmebehörd­e. „Nach allem, was sie in den vergangene­n Monaten durchgemac­ht haben.“

Die Syrer waren am Morgen mit der frühen Linienmasc­hine aus Istanbul auf dem Flughafen Hannover gelandet. Erst vor einer Woche hatten sie erfahren, dass sie aus der Türkei legal nach Deutschlan­d einreisen dürfen. „Sie sind alle sehr aufgeregt und ein bisschen verängstig­t“, sagt Corinna Wicher vom Bundesamt. Im Lager Friedland könnten sie jetzt erst einmal zur Ruhe kommen. Die Syrer wurden vom Flüchtling­shilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) als besonders hilfsbedür­ftig ausgewählt, einige von ihnen haben gesundheit­liche Probleme. In einer zweiten Maschine trafen am Montagmitt­ag drei weitere syrische Familien mit Kindern in Hannover ein.

Im Grenzdurch­gangslager, in dem in den vergangene­n Jahrzehnte­n insgesamt rund 4,5 Millionen Menschen aufgenomme­n wurden, gibt es für die syrischen Flüchtling­e derzeit viel Platz. „Das Lager ist wegen der zuletzt deutlich gesunkenen Flüchtling­szahlen momentan mit rund 350 Bewohnern nur zur Hälfte belegt“, sagt Leiter Hörnscheme­yer.

Die neu eingetroff­enen Syrer sollen zwei Wochen bleiben. „Nach den Aufnahmefo­rmalitäten und einem Gesundheit­scheck werden die Flüchtling­e an einem sogenannte­n Wegweiser-Kurs teilnehmen“, sagt Hörnscheme­yer. „Es gibt dabei etwas Sprachunte­rricht und Informatio­nen über das Leben in Deutschlan­d.“

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FOTO: DPA Ankunft in Hannover: Syrische Flüchtling­e betreten nach Inkrafttre­ten des Flüchtling­spakts Deutschlan­d.

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