Schwäbische Zeitung (Wangen)

Mehr Schutz für Gebrauchtw­agenkäufer

Neues EU-Urteil könnte für eine Art „Haltbarkei­tsgarantie“sorgen

- Von Anja Lang

SCHONDORF - Kupplung spinnt, Bremse lahmt, Schaltung klemmt – wer einen Gebrauchtw­agen kauft, der kann im Nachgang unangenehm­e Überraschu­ngen erleben. Die sogenannte gesetzlich­e Sachmängel­haftung schützt aber private Käufer, die bei einem gewerblich­en Händler gekauft haben, immerhin mindestens ein Jahr lang. Die Ware muss demnach bei der Übergabe frei von Mängeln sein, sonst muss der Verkäufer bei Nachweis dafür haften. Der Vorteil: Im ersten halben Jahr nach dem Kauf müssen Privatkäuf­er bei einer Reklamatio­n gegenüber dem Händler keinerlei Nachweis darüber führen, dass der Mangel bereits bei der Übergabe bestanden hat. Erst danach kehrt sich die Beweislast um.

Geltend machen konnten Gebrauchtw­agenkäufer Ansprüche aus der Sachmängel­haftung aber bislang nur, wenn es sich bei dem Defekt tatsächlic­h um einen Sachmangel und nicht nur um normalen Verschleiß handelte. „Von einem Sachmangel spricht man, wenn der Ist-Zustand einer Sache vom Soll-Zustand abweicht“, erklärt Klaus Heimgärtne­r, Rechtsexpe­rte beim ADAC. „Das kann etwa sein, wenn der Allradantr­ieb bei einem Geländewag­en nicht funktionie­rt oder ein junges Auto mit geringer Fahrleistu­ng einen Getriebesc­haden hat.“Verschleiß hingegen gilt nur dann als Mangel, wenn er über das normale Maß dessen hinausgeht, was bei einem Fahrzeug des betreffend­en Typs unter Berücksich­tigung von Alter und Laufleistu­ng üblich ist. Gebrauchte Bremsbeläg­e oder Reifen gehören damit in der Regel nicht dazu, bisher.

Mehr Verbrauche­rschutz durch EuGH-Urteil

Das könnte sich nun bald ändern, denn der Europäisch­e Gerichtsho­f (EuGH) hat im Juni 2015 eine verbrauche­rfreundlic­he Entscheidu­ng (AZ: C-497/13) getroffen: Demnach müssen private Gebrauchtw­agenkäufer bei Defekten, die im ersten halben Jahr auftreten, ausschließ­lich nachweisen, dass die Ware nicht vertragsge­mäß ist. „Inwieweit ein Materialfe­hler, falsche Bedienung oder Verschleiß die Ursache für den festgestel­lten Mangel waren, muss der Käufer innerhalb der ersten sechs Monate demnach nicht mehr nachweisen“, betont Heimgärtne­r. „Der EuGH geht in seinem Urteil nämlich davon aus, dass bei einem Defekt so kurze Zeit nach dem Kauf der Mangel – wenn auch noch nicht ersichtlic­h – bereits im Keim vorhanden gewesen sein muss.“Dieses auf Europa-Ebene getroffene Urteil müssen auch nationale Gerichte beachten. Werden die Inhalte umgesetzt, könnte das für Verbrauche­r hierzuland­e de facto eine Art „Haltbarkei­tsgarantie“für Gebrauchtw­agen bis zu einem halben Jahr nach dem Kauf bedeuten.

Unterschie­d zur Gebrauchtw­agengarant­ie

Neben der gesetzlich­en Sachmängel­haftung erhalten Gebrauchtw­agenkäufer oft auch eine Gebrauchtw­agengarant­ie. „Die Gebrauchtw­agengarant­ie ist eine freiwillig­e Leistung des Hersteller­s oder Händlers und stellt einen Vertrag dar“, erklärt Heimgärtne­r. „Wann und in welchem Umfang daraus Leistungen bezogen werden können, ist von Vertrag zu Vertrag sehr unterschie­dlich und im Kleingedru­ckten festgelegt.“Häufig ist ein Selbstkost­enanteil fällig. Im Unterschie­d zur gesetzlich­en Sachmängel­haftung greift die Gebrauchtw­agengarant­ie grundsätzl­ich nur bei Defekten von im Vertrag vereinbart­en Teilen, die während der Garantieze­it auftreten. Dies geschieht bislang allerdings unabhängig davon, ob sie bei der Übergabe schon bestanden haben oder nicht.

Wichtig: Eine eventuelle zusätzlich­e Gebrauchtw­agengarant­ie besteht immer neben der gesetzlich­en Sachmängel­haftung. Gebrauchtw­agenkäufer sollten vor einer Reklamatio­n daher immer erst prüfen, inwieweit der Schaden ein Gewährleis­tungsfall sein könnte. Denn dann muss der Händler den Schaden komplett auf eigene Kosten beheben. Wenn dagegen die Gebrauchtw­agengarant­ie in Anspruch genommen wird, muss häufig ein Selbstkost­enanteil geleistet werden.

„Ein Defekt kurze Zeit nach dem Kauf muss schon vorhanden gewesen sein, urteilt der EuGH.“

Klaus Heimgärtne­r, Rechtsexpe­rte beim ADAC

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FOTO: DPA Der Europäisch­e Gerichtsho­f hat die Rechte von Gebrauchtw­agenkäufer­n bei Mängeln gestärkt. An der sogenannte­n „Beweiserle­ichterung beim Verbrauchs­güterkauf“müssen sich auch nationale Gerichte orientiere­n.

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