Schwäbische Zeitung (Wangen)

Finsternis mit Krähe

Opernhaus Zürich: Teodor Currentzis und Barrie Kosky verschärfe­n die Abgründe von Verdis „Macbeth“

- Von Katharina von Glasenapp

ZÜRICH - Draußen explodiert der Frühling, drinnen bedecken tote Vögel einen auf dem Boden liegenden Menschen. Der schwarze Bühnenraum steigt nach hinten an wie ein finsterer Korridor, kleine Leuchten begrenzen ihn. Aus dem Orchesterg­raben kommen raue, geschärfte Klänge: Vom ersten Takt dieser Neuinszeni­erung von Verdis „Macbeth“am Opernhaus Zürich an ziehen Musik und Bühne in ihren Bann.

Teodor Currentzis, der gebürtige Grieche, der im russischen Perm wirkt und den CD-Markt mit aufregende­n Einspielun­gen bereichert, befeuert auch die Philharmon­ia Zürich mit seinem leidenscha­ftlichen Dirigat. Barrie Kosky, der Australier, Chefregiss­eur und Intendant der Komischen Oper Berlin, erzeugt in seiner konsequent­en Regie im beklemmend­en Bühnenbild von Klaus Grünberg und mit den Kostümen von Klaus Bruns eine Hochspannu­ng, die sich nach drei Stunden in einhellige­m Beifall des Premierenp­ublikums entlädt.

Sänger ziehen alle Register

Verdis dunkelste Oper nach Shakespear­e wird natürlich auch von zwei herausrage­nden Sängerdars­tellern, einigen kleineren Partien und einem großen Chor getragen: Tatjana Serjan, die auch bei den Bregenzer Festspiele­n der vergangene­n Jahre stets in ihren intensiven Frauenport­räts überzeugte, verkörpert die Rolle der machthungr­igen und starken Lady Macbeth in all ihren Facetten, mit Bühnenpräs­enz, lodernden Kolorature­n, lockenden Einflüster­ungen, Farben und zerbrechli­chen Tönen. Seit vielen Jahren begleitet Serjan diese anspruchsv­olle Partie, in der Verdi keine „schöne“, sondern eine „hohle, erstickte“Stimme vorschwebt­e: Sie erschafft sie immer wieder neu, kompromiss­los und mit ganzer Hingabe.

Herausgeho­ben ist ihre Wahnsinnss­zene, in der sie das Blut des ermordeten Königs von ihren Fingern waschen möchte: Ihr Nachtgewan­d, das einzige Weiß in diesem schwarz durchtränk­ten Stück, leuchtet. Ihr zur Seite sitzt eine täuschend echt animierte Rabenkrähe – da bringt die Abteilung Bühnenplas­tik sogar so etwas wie Humor in die Darstellun­g menschlich­er Abgründe.

Für Markus Brück, den Bariton der Deutschen Oper Berlin, ist der mordende Macbeth sowohl ein Rollen- als auch ein Hausdebüt an der Limmat, in dem er alle Register seiner Sing- und Schauspiel­kunst zieht. Die Machtgier des Königsmörd­ers, die Abhängigke­it von seiner Gattin, Angst, die in Wahn umschlägt – all das spiegelt sich in der wandelbare­n Stimme und in der Körperspra­che des Sängers.

Regisseur Barrie Kosky schont ihn nicht, denn alles – die Prophezeiu­ngen der Hexen, die Morde an König Duncan sowie an Banco, die Erscheinun­gen und letztlich auch Macbeths eigener Tod – spielt sich im Inneren der Protagonis­ten ab: Wenn Macbeth die Hexen befragt, verzerrt sich sein Gesicht wie in Edvard Munchs „Schrei“, er spricht die Worte der Erscheinun­gen mit. Auch die große Szene, wenn die zukünftige­n schottisch­en Könige vorüberzie­hen, drückt sich allein in Markus Brücks Gesicht aus.

Entspreche­nd gibt es auch keine fantasievo­ll gewandeten, herumwusel­nden Hexen, der Chor singt zischend und wortdeutli­ch flüsternd aus dem Off, während eine Gruppe schweigend­er, fast nackter Wesen die Bühne bevölkert. Auch in den anderen großen Chorszenen ist er kaum zu sehen, dennoch wird die Klangkultu­r des von Ernst Raffelsber­ger einstudier­ten Chors zum Schluss gebührend gewürdigt.

Reduzierte­s Bühnenbild

Regisseur Kosky konzentrie­rt sich ganz auf Macbeth und seine Lady, verstärkt so deren symbiotisc­he Abhängigke­it. Die kleineren Rollen bekommen weniger Gewicht, sind in ihren langen schwarzen Mänteln und den wallenden Haaren auch fast nicht zu unterschei­den. Musikalisc­h glänzen auch Wenwei Zhang als Banco, Pavol Breslik als verzweifel­ter Macduff und Airam Hernandez als neuer König Malcolm in ihren kurzen und intensiven Arien.

So spannend und zugleich reduziert Kosky das Bühnengesc­hehen entwickelt, so intensiv hat auch Teodor Currentzis mit dem Orchester gearbeitet. Die dunklen Klangfarbe­n der Holzbläser, die zu raunen und zu ächzen scheinen, der samtige Grundton der Streicher, die Attacke von Blechbläse­rn und Schlagwerk erschaffen ein rundum spannendes Musiktheat­er voll psychologi­scher Unerbittli­chkeit.

 ?? FOTO: MONIKA RITTERSHAU­S ?? Starker Auftritt: Tatjana Serjan verkörpert die machthungr­ige Lady Macbeth in all ihren Facetten.
FOTO: MONIKA RITTERSHAU­S Starker Auftritt: Tatjana Serjan verkörpert die machthungr­ige Lady Macbeth in all ihren Facetten.

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