„Menschen sind Aasgeier“
Die Monsters of Liedermaching machen sich gegenseitig fertig, aber vertragen sich im Anschluss wieder
Seit 2003 sorgen die sechs Musiker von Monsters of Liedermaching mit ihrer Mischung aus Gesang, Gitarren und humoristischen Texten für Lagerfeureratmosphäre in den Klubs des Landes. Mit ihren Titeln wie „Hartz IV“, „Tod in der Nordsee“oder „Auflaufform“vereinen die Liedermacher Comedy und Kleinkunst bei ihren Auftritten. Der zu Scherzen aufgelegte Totte Kühn erklärt Marvin Weber, was die Monsters of Liedermaching für ihn bedeuten, welchen Stellenwert die Produktion von Alben hat und warum er lieber schläft als wach zu sein.
Ihr hattet von Anfang 2014 bis Sommer 2015 eine eineinhalbjährige Pause. Wie hast du die monstersfreie Zeit genutzt?
Ich hatte mal wieder Zeit darüber nachzudenken, was ich sonst alles noch so ausprobieren möchte. Vor allem war es auch ganz schön, einmal keine Verpflichtungen mit der Band zu haben. Da wir quasi andauernd auf Tour waren und Platten veröffentlicht haben, haben wir irgendwann so einen Tunnelblick bekommen, den wir durch die Pause wieder ablegen konnten.
Der Titel des neuen Albums ist „Wiedersehen macht Freude“. Ist er der Wiedersehensfreude nach der Bandpause gewidmet?
Genau, wir haben einfach wieder Lust auf Tour zu gehen und auch zu schauen, ob unser Publikum noch da ist.
Wie würdest du „Wiedersehen macht Freude“beschreiben?
Es ist auf jeden Fall das neueste Album von uns und in der Auswahl der sieben besten Alben, die wir bisher gemacht haben. Eigentlich haben wir unseren Stiefel weiter durchgezogen. Es ist ein konsequenter Schritt in die Richtung, um unsere eigene Oase im unbarmherzigen Popbusiness aufzubauen.
Wo entstanden die Aufnahmen für das aktuelle Album?
Die sind auf der Tour im November 2015 entstanden. Wir nehmen immer die kompletten Auftritte der Tour auf und schneiden dann die besten Versionen zusammen. Das müssen aber auch nicht immer die am schönsten gespielten Versionen sein. Manchmal sind das auch Songs, in denen etwas Besonderes passiert oder auch mal ein Texthänger für eine lustige Situation sorgt.
Gab es auch schon mal die Überlegung ein klassisches Studioalbum aufzunehmen?
Die Überlegungen gibt es immer wieder mal, aber die sind nicht besonders ernsthaft. Da müsste uns schon wirklich etwas Besonderes einfallen. Wenn wir mal ein klassisches Studioalbum herausbringen, dann wird es eher etwas Obskures und keine klassische deutsche PopPlatte. Es würde dann vielleicht so wie „Einstürzende Neubauten“klingen, die die „Erste Allgemeine Verunsicherung“daten. Außerdem müssten wir das dann anders arrangieren und einen Bass und ein Schlagzeug dazunehmen. Dann wären wir halt schnell eine deutschsprachige Popband und eigentlich ist ja unser Charme, dass wir sechs Frontleute auf der Bühne sind, die einen musikalischen Stammtisch abfeuern.
Vom 15. April bis 1. Mai spielt ihr jeden Tag in einer anderen Stadt. Wie steht ihr das durch, ohne euch auf die Nerven zu gehen?
Da hilft es, sich vor Augen zu halten, dass es ungefähr eine Milliarde schlimmere und anstrengendere Jobs gibt, als sich im Tourbus ein bisschen auf die Nerven zu gehen und abends dafür bejubelt zu werden, dass man Reime in Akkorde gepackt hat. Es ist einfach sehr entspannt. Wir haben den ganzen Tag frei, können schlafen, schwimmen oder joggen und geben abends ein Konzert.
Bist du eher der Schwimmer oder der Jogger?
Ich sitze eigentlich die ganze Zeit nur irgendwo mit einem Kaffee und lese, ansonsten schlafe ich. Ich bin aber auch nicht so ein großer Freund vom Wachsein. Ich habe früh an der Kunst des Surrealismus Gefallen gefunden und seitdem versuche ich 90 Prozent des Lebens zu verschlafen.
Ihr habt alle neben den Monsters of Liedermaching andere Bands und Soloprojekte. Sind die Monsters für euch eine Art Ventilprojekt, bei dem ihr Ideen und Songs verwirklichen könnt, die ihr in den anderen Projekten nicht realisieren könnt?
Nein, eigentlich nicht. Bei den Monsters können wir das, was wir machen, vor einem relativ großen Publikum machen. Bei den Soloprojekten haben wir genauso krude Gedanken wie bei den Monsters, nur haben wir da nicht so viele Zuschauer.
Du bist in den vergangenen Wochen als Solokünstler unterwegs gewesen. Was hat für dich Priorität? Deine eigenen Projekte oder die Monsters of Liedermaching?
Das eine bedingt das andere. Es besteht eine gewisse Form der Abhängigkeit, weil die Monsters wirtschaftlich der größte Erfolg sind. So Sachen wie meine Band „Die Intelligenzia“sind eher Projekte, in denen ich Geld versenke. Ich brauche das alles, um glücklich durchs Leben gehen zu können. Wenn ich wieder ein bisschen allein auf Tour gewesen bin oder ein Buch geschrieben habe, freue ich mich auch wieder, mit den Monsters auf der Bühne zu sitzen und die Songs zu spielen.
Bei den Monsters seid ihr sechs Musiker auf der Bühne. Gibt es da eine Art Hackordnung wie in einer klassischen Band mit Sänger, Gitarristen, Bassisten und Schlagzeuger?
Jeder hackt immer auf das schwächste Glied. Das schwächste Glied ist aber immer jemand anderes. Menschen sind Aasgeier, da bilden wir keine Ausnahme. Wer Mist baut oder angreifbar ist, wird fertig gemacht. Aber danach vertragen wir uns natürlich wieder.
Plattenkiste
Mit „Wiedersehen macht Freude“(Notolose/Soulfood) erscheint am Freitag, 8. April, das siebte Album in der 13-jährigen Bandgeschichte von Monsters of Liedermaching. Wie auch die Vorgänger ist das neueste Werk eine Zusammenstellung aus Live-Mitschnitten von neuen Titeln der sechs Liedermacher. Während andere Bands auf ihren Alben nach dem höchstmöglichen Grad der Perfektion streben, schaffen es bei den Monsters auch einmal Live-Mitschnitte auf das Album, bei denen nicht alles glatt gelaufen ist. Mit „Wiedersehen macht Freude“erfinden sich die Liedermacher keinesfalls neu. Vielmehr bleiben sie ihrem Stil weiterhin treu. Gitarrenklänge und Gesang mit teils poetischen Texten nehmen den Hörer mit auf ein Konzert der Band. Ernsthaft sind die Monsters of Liedermaching dabei selten. Ob gemeingefährliche Waschbären, Lärm durch kopulierende Nachbarn oder das Anfertigen eines Pfeils: Die Monsters vereinen auch auf ihrem siebten Album Liedermachertum, Kleinkunst und Comedy. Live: 22.4. Stuttgart, Im Wizemann. (mwe)