Rentner wird „dem Ziehsohn zuliebe“kriminell
76-Jähriger hilft, Rauschmittel zu beschaffen
KREIS LINDAU - Einen nicht alltäglichen Fall hatte Richterin Ursula Brandt jetzt am Amtsgericht Lindau zu verhandeln. Der Angeklagte aus einer Westallgäuer Gemeinde stand wegen der Beteiligung an mehreren Drogen-Beschaffungsfahrten in die Schweiz vor Gericht und war zugleich wegen des Besitzes kinderpornografischer Schriften angeklagt. Die Besonderheit: Beim Angeklagten handelte es sich um einen 76-jährigen Rentner.
Der Angeklagte ließ aufgrund seines schlechten Gesundheitszustandes eine Erklärung durch seinenVerteidiger verlesen. Danach handele es sich bei den kinderpornografischen Schriften um Zeitschriften aus den 70er Jahren, die nicht von ihm, sondern von einem inzwischen verstorbenen Mitbewohner stammten. „Ich habe gar nicht mehr daran gedacht“, ließ der Angeklagte erklären. In der Folge spielten die Zeitschriften auch kaum eine Rolle im Verfahren. Intensiver beschäftigte sich die Richterin gemeinsam mit zwei Schöffen mit den Drogenbeschaffungsfahrten, die 2014 stattgefunden hatten. Für insgesamt rund 10 000 Franken wurden dabei Haschisch und Marihuana in der Schweiz eingekauft und nach Deutschland eingeführt. Das Geld dafür stammte vom Angeklagten. Der erklärte, selbst niemals Drogen konsumiert zu haben.
Vielmehr habe er sich als Fahrer für seinen „Ziehsohn“zur Verfügung gestellt. Das Verhältnis zu diesem Mann war schließlich auch der Schlüssel in dem Fall. Der Verteidiger sprach von einem „besonders intensiven Verhältnis“, das bereits seit 20 Jahren andauere.
Der „Ziehsohn“verfüge über keine eigenen finanziellen Mittel und so habe der Angeklagte über die Jahre auch den Drogenkonsum vom „Ziehsohn“finanziert, ließ der Angeklagte erklären. „Aber warum?“, fragte die Richterin mehrfach nach. Eine Erklärung konnte der Rentner nicht liefern. „Ich habe das ihm zuliebe getan“, sagte der 76-Jährige. Und der Staatsanwalt mutmaßte, dass er damit „für gute Stimmung“sorgen wollte. Von einer gewissen „Abhängigkeit“sprach der Verteidiger.
Vor diesem Hintergrund kam es auch noch zu einer dritten Anklage. Hier lautete der Vorwurf, dass der 76Jährige seine Versicherung betrogen hatte. Der Hintergrund: Der Angeklagte hatte seinen „Ziehsohn“mit seinem Auto fahren lassen, obwohl dieser keinen gültigen Führerschein besaß. Dabei kam es zu einem Unfall und der Angeklagte machte seiner Versicherung gegenüber falsche Angaben. Dies wertete das Gericht am Ende als versuchten Betrug. Ein echter Schaden war am Ende nicht entstanden.
Richterin Brandt ging schließlich von einer Beihilfe, aber keinem eigenen Tatwillen aus. Hinsichtlich der Strafe folgte sie dem Antrag des Staatsanwaltes. Er hatte eine Freiheitsstrafe von 18 Monaten auf Bewährung gefordert – und eine Geldauflage von 8000 Euro.