Staatsanwaltschaft registriert mehr Kriminalfälle
Spürbar mehr Straftaten werden angezeigt – Starke Zunahme bei politischen Strafsachen
RAVENSBURG - Die Staatsanwaltschaft Ravensburg hat 2015 einen spürbaren Anstieg der Fallzahlen registriert. Eine deutliche Zunahme ist bei politischen Strafsachen festzustellen, die Zahl der Jugendstrafverfahren nahm hingegen ab. Die Kriminalität unter Flüchtlingen ist nach Einschätzung der Staatsanwaltschaft nicht überproportional hoch.
„Man kann nicht sagen, es ist alles super, natürlich gibt es auch unter den Flüchtlingen Straftäter“, sagte der Leitende Oberstaatsanwalt Alexander Boger bei einer Pressekonferenz in Ravensburg. Dennoch sei die Zahl der Verfahren nicht höher als bei Deutschen vergleichbarer Altersgruppen. Im Zusammenhang mit den Silverstervorfällen von Köln verwies Boger darauf, dass es 2015 lediglich zwei Ermittlungsverfahren von Asylbewerbern im Bereich der Sexualdelikte gegeben habe.
Der Leitende Oberstaatsanwalt wandte sich auch ausdrücklich gegen die in Teilen der Bevölkerung verbreitete Meinung, Polizei und Justiz würden das wahre Ausmaß der Kriminalität von Flüchtlingen „unterdrücken“: „Es gibt keinerlei Anweisungen ,von oben’“, so Alexander Boger. „Gleichzeitig sehe ich es aber auch als unsere Aufgabe, keine Stimmung zu machen.“Daher werden Nationalität, Religion oder Hautfarbe von Verdächtigen nur öffentlich genannt, wenn das von Belang sei.
Die Zahl der politischen Straftaten, zum Beispiel Volksverhetzung sowie politisch motivierte Körperverletzungen oder Beleidigungen, hat sich 2015 im Bereich der Staatsanwaltschaft im Gegensatz zum Vorjahr verdoppelt – auch durch Hetze im Internet. Und die Zahl steigt weiter. Allein in den ersten drei Monaten 2016 gab es mehr Verfahren als im ganzen Jahr 2014.
Insgesamt hatte die Staatsanwaltschaft Ravensburg 2015 über 39 000 Verfahren zu bearbeiten, rund 2100 landeten letztlich vor Gericht. Einige spektakuläre Fälle:
Im Februar tötete ein 44-Jähriger in Riedlingen vor den Augen der Enkelin seine 85-jährige Mutter mit einem Küchenmesser. Der Mann war psychisch krank.
Vier Jahre lang missbrauchte ein Mann aus Friedrichshafen seine Tochter sexuell und stellte Fotos und Filme davon ins Internet. Das Mädchen war zu Beginn des Missbrauchs erst drei Jahre alt. Der Mann wurde zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und neun Monaten verurteilt.
Zu einer Freiheitsstrafe mit anschließender Sicherheitsverwahrung wurde ein Mann aus dem württembergischen Allgäu verurteilt, der im Mai 2014 einen 19-Jährigen in Friedrichshafen vergewaltigte. Der Täter hatte wegen Sexualdelikten bereits mehrere Jahre im Gefängnis gesessen und galt als nicht resozialisierbar.
Noch nicht abgeschlossen sind die Ermittlungen eines Raubüberfalls auf einen Juwelier in der Ravensburger Bachstraße im April 2015, bei dem vier Männer am helllichten Tag Uhren im Wert von rund 116 000 Euro erbeuteten. Nach Aussage der Staatsanwaltschaft stehe man hier aber „unmittelbar vor dem Durchbruch“.
Eine Cannabisplantage und ein Gewächshaus zur Aufzucht bewusstseinserweiternder Pilze nahm die Polizei im Sommer 2015 bei Bodnegg hoch. Allein das bereits abgeerntete und zum Trocknen ausgelegte Marihuana hätte für rund 3300 Joints gereicht. Ein 37-Jähriger wurde dafür zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten verurteilt.
Weil sie ihre behinderte 45-jährige Tochter nach dem eigenen Tod nicht mehr ausreichend versorgt glaubte, erstickte eine 86-Jährige im Oktober im Kreis Biberach die Frau. Dann versuchte sie, sich selbst zu töten. Gegen die Seniorin beginnt der Prozess im April.
Der Zuständigkeitsbereich der Staatsanwaltschaft Ravensburg umfasst die Amtsgerichtsbezirke Ravensburg, Tettnang, Biberach, Riedlingen, Wangen, Leutkirch, Bad Saulgau und Wangen. In dem Gebiet leben rund 630 000 Menschen. Bei der Staatsanwaltschaft Ravensburg arbeiten 73 Personen, davon 23 Staatsanwälte. Neun Staatsanwälte sind Frauen.