Hoffen auf Gerechtigkeit
Pleite der Waltenhofener Traditionsfirma Gusswerk wird vor Gericht verhandelt
WALTENHOFEN/AUGSBURG - Die meisten ehemaligen Mitarbeiter des Gusswerks in Waltenhofen haben wieder einen Job. „Einige sind aber weiter arbeitslos und manche hat die Sache so mitgenommen, dass sie psychisch krank geworden sind.“Immer noch ist die Pleite des Traditionsunternehmens vor dreieinhalb Jahren ein Thema, wenn Carlos Gil, zweiter Bevollmächtigter der Gewerkschaft IG Metall in Kempten, mit ehemaligen Mitarbeitern spricht. Worum es ihnen vor allem geht: Gerechtigkeit. Dafür, dass sie alle plötzlich auf der Straße standen und ihre Firma – einst eines der führenden Unternehmen der Branche in Deutschland – innerhalb kürzester Zeit ruiniert war. Ab heute wird der Fall Gusswerk in Augsburg vor Gericht verhandelt.
Rückblende: Im Dezember 2009 meldet Gusswerk-Geschäftsführer Christoph von Platen Insolvenz an. Das Unternehmen steht vor dem Aus, 137 Mitarbeiter bangen um ihre Zukunft. Vier Monate später dann die Wende: Im April 2010 kauft Dr. Ruja Ignatova das Gusswerk. Gemeinsam mit ihrem Vater Plamen Ignatov kündigt sie große Investitionen an und verspricht, das Unternehmen aus der Krise zu führen. Doch die Aufbruchstimmung hält nicht lange. Eineinhalb Jahre später verkauft Ignatova das Gusswerk. Nur vier Tage später stellt der neue Geschäftsführer Insolvenzantrag. Zu dem Zeitpunkt sind wichtige Produktionsanlagen bereits abgebaut und verkauft.
Es geht unter anderem um Betrug
Die IG Metall erstattet im Februar 2012 Anzeige gegen die ehemalige Gusswerkchefin wegen Insolvenzverschleppung und Betrugs. Währenddessen beginnt ein zähes Ringen um einen neuen Investor, doch sämtliche Verhandlungen .scheitern. Im Oktober 2012 steht endgültig fest: Das Gusswerk, Traditionsunternehmen seit 1947, hat keine Zukunft mehr. Insgesamt verlieren über 80 Menschen ihren Job. Ruja Ignatova und ihr Vater haben Waltenhofen da schon längst den Rücken gekehrt, seit Monaten hat sie niemand mehr gesehen.
Jetzt wird gegen beide verhandelt. Zwar nennt das Gericht die Namen nicht, doch angeklagt sind eine Frau Mitte 30 und ein Mann Ende 50. Das Alter trifft auf Tochter und Vater Ignatov zu. Vorsätzliche Pflichtverletzung bei Zahlungsunfähigkeit, Betrug, Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt sowie Verletzung der Buchführungspflicht: Das legt die Staatsanwaltschaft den Angeklagten zur Last.
Dadurch, dass nicht rechtzeitig ein Insolvenzantrag gestellt worden sei, sei ein Schaden von fast 430 000 Euro entstanden. Denn trotz Zahlungsunfähigkeit seien weiterhin Leistungen und Waren in Auftrag gegeben worden. Dazu kommen nicht gezahlte Sozialbeiträge in Höhe von 160 000 Euro. In dem Fall wurde laut Staatsanwaltschaft aber bereits Wiedergutmachung geleistet.
Gewerkschaftsvertreter Gil, der auch an einem der fünf angesetzten Verhandlungstage als Zeuge geladen ist, freut sich darauf, dass das Verfahren endlich beginnt, wie er sagt. Denn für die ehemaligen Mitarbeiter sei diese Verhandlung enorm wichtig, um auch gedanklich abschließen zu können. Sie erhoffen sich eben Gerechtigkeit. Die Gewissheit, dass der Rechtsstaat handelt, wenn Unrecht geschieht. Auf dem alten GusswerkGelände indes geht es schleppend voran. Im Herbst 2013 hatte Bauingenieur Hans-Peter Hold das gesamte Areal gekauft, um dort langfristig einen Gewerbepark zu schaffen. Immerhin sei das Gelände mittlerweile weitestgehend geräumt. Doch wegen der Zufahrt liegt Hold im Rechtsstreit mit einem Nachbarn, deshalb gibt es nach wie vor nur ein Unternehmen, ein Autohaus, auf dem Gelände.
Ruja Ignatova indes präsentiert sich im Internet als erfolgreiche Geschäftsfrau. Die gebürtige Bulgarin hat offenbar eine neue so genannte Kryptowährung, also elektronisches Geld, auf den Markt gebracht. Ob auf ihrer Facebook-Seite oder auf anderen Homepages: Die ehemalige Gusswerk-Chefin ist stets in Abend- oder zumindest eleganter Garderobe zu sehen. In ihren Lebensläufen taucht stets das Studium in Oxford auf und auch ihre Tätigkeit bei einer namhaften Management-Beratungsfirma. Ihre Aufgabe als Geschäftsführerin des Gusswerks spielt dabei keine Rolle. Bei dem Prozess, der morgen beginnt, dürfte das anders sein.