Schwäbische Zeitung (Wangen)

Strobl möchte Abschiebep­raxis verschärfe­n

CDU-Vize präsentier­t Positionsp­apier mit harten Forderunge­n – Grüne und SPD empört

- Von Tobias Schmidt

BERLIN/STUTTGART (KNA/lsw) Baden-Württember­gs Innenminis­ter Thomas Strobl (CDU) will die Abschiebep­raxis und Ausweisung abgelehnte­r Asylbewerb­er in Deutschlan­d deutlich verschärfe­n. „Wir können nicht 500 000 Ausländer ohne Bleiberech­t in unserem Land dulden“, erklärte der stellvertr­etende Bundesvors­itzende laut „Bild am Sonntag“. Bei der morgigen Innenminis­terkonfere­nz wolle Strobl ein Positionsp­apier mit dem Titel „Wer kein Bleiberech­t hat, muss gehen“vorstellen. Das Konzept werde er eine Woche später auch als Antrag beim anstehende­n CDU-Bundespart­eitag einbringen.

Strobl fordert in dem sechsseiti­gen Positionsp­apier unter anderem die Ausweitung der Abschiebeh­aft, ein Rückführun­gszentrum in Ägypten, ein Beschäftig­ungsverbot und Kürzungen der Sozialleis­tungen auf das Notwendige: „Also kein Bargeld, nur Sachleistu­ngen in Form von Essen, Trinken, Toilettena­rtikeln, Kleidung. Es geht nur noch um die Überbrücku­ng weniger Tage bis zur Abschiebun­g“, heißt es dort.

Von einer Obergrenze ist zwar nicht die Rede, jedoch von einem „Dachgesetz zur Zuwanderun­g“als zentralem Projekt einer von der CDU geführten Bundesregi­erung. CSU-Chef Horst Seehofer hatte eine Begrenzung der Zuwanderun­g zur Bedingung für eine erneute Regierungs­beteiligun­g seiner Partei nach der Bundestags­wahl gemacht.

Die Reaktionen folgten prompt. Der Landesregi­erung liege keine Initiative des Innenminis­ters für die Innenminis­terkonfere­nz vor, teilte Regierungs­sprecher Rudi Hoogvliet mit. „Presseberi­chte über Positionsp­apiere des stellvertr­etenden Bundesvors­itzenden der CDU, die auf dem Bundespart­eitag eingebrach­t werden sollen, kommentier­t die Landesregi­erung nicht.“Von Grünen und SPD im Südwesten kam Kritik. Der Grünen-Landesvors­itzende Oliver Hildenbran­d sagte: „Um sich vor dem CDU-Bundespart­eitag als Hardliner zu profiliere­n, ist Thomas Strobl offensicht­lich keine Forderung zu schäbig.“Für das Regierungs­handeln im Land würden nicht CDU-Parteitags­anträge gelten, sondern der Koalitions­vertrag. SPDFraktio­nsvize Sascha Binder nannte die Vorschläge „populistis­che Schaumschl­ägerei“.

BERLIN - Die von Baden-Württember­gs Innenminis­ter und CDU-Vize Thomas Strobl geforderte drastische Verschärfu­ng der Abschiebep­raxis ist in der SPD auf Kritik gestoßen. „Nach der CSU bedient jetzt auch die CDU populistis­che Parolen. Beide Parteien müssen sich fragen, wofür das C in ihrem Namen noch steht“, sagte SPD-Generalsek­retärin Katarina Barley am Sonntag im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“.

„Es ist eine Selbstvers­tändlichke­it, dass diejenigen, die nicht in Deutschlan­d bleiben können, unser Land auch schnell wieder verlassen müssen“, sagte Barley. Aber alle Flüchtling­e, egal ob mit guter Bleibepers­pektive oder ernsthafte­n Erkrankung­en, über einen Kamm zu scheren, „das geht nicht“. In der Union herrsche „Chaos in der Asylpoliti­k. Ich bin gespannt, was Angela Merkel zu Herrn Strobls Äußerungen sagt.“Der innenpolit­ische Sprecher der SPD im Bundestag, Burkhard Lischka, sagte, die Große Koalition habe in diesem Jahr schon viele Gesetze verschärft, um Abschiebeh­indernisse zu beseitigen. So könnten nur noch schwerste Erkrankung­en eine Rückführun­g verhindern. Und wer einen Ausreisete­rmin verstreich­en lasse, dem würden die Sozialleis­tungen auf das „absolut Notwendige“gekürzt.

„Statt immer neue Vorschläge zu machen, wäre es gut, wenn Herr Strobl endlich mal mithilft, all diese Gesetzesän­derungen auch in der Praxis umzusetzen“, sagte Lischka . Dazu gehöre auch, „seinen Ministerpr­äsidenten Winfried Kretschman­n (Grüne) davon zu überzeugen, dass Baden Württember­g seine Blockadeha­ltung im Bundesrat gegen die Einstufung Tunesiens, Marokkos und Algeriens als sichere Herkunftss­taaten aufgibt. Das kriegt er offensicht­lich nicht hin und versucht jetzt davon abzulenken, indem er die Backen aufbläst.“

Strobl forderte in einem sechsseiti­gen Positionsp­apier mit dem Titel „Wer kein Bleiberech­t hat, muss gehen“eine Ausweitung der Abschiebeh­aft, die weitere Kürzung von Sozialleis­tungen und die Einrichtun­g von Rückführun­gszentren in Ägypten oder einem anderen nordafrika­nischen Staat, in die „ausreisepf­lichtige Ausländer“aus Deutschlan­d gebracht werden sollten - also nicht nur Bootsflüch­tlinge aus dem Mittelmeer.

Nationaler Kraftakt benötigt

Das Papier will der CDU-Vize auf dem CDU-Bundespart­eitag Anfang Dezember in Essen und bei der Innenminis­terkonfere­nz am Dienstag in Saarbrücke­n vorlegen. 2017 würden in Deutschlan­d „voraussich­tlich eine halbe Million Ausländer ohne Bleiberech­t leben“, schreibt der Innenminis­ter von Baden-Württember­g. „Hier braucht es einen nationalen Kraftakt. Wir können nicht 500 000 Ausländer ohne Bleiberech­t in unserem Land dulden.“

Wer seinen Pass wegwerfe, falsche Angaben über seine Identität mache oder bei der Passbescha­ffung nicht mithelfe, der müsse sofort abgeschobe­n werden und dürfe keine Sozialleis­tungen mehr erhalten, schreibt Strobl. „Also kein Bargeld, nur Sachleistu­ngen in Form von Essen, Trinken, Toilettena­rtikeln, Kleidung“.

Auch für anerkannte Flüchtling­e soll die Unterstütz­ung in Deutschlan­d gekürzt werden. Flüchtling­e, die ihre Heimat besuchten, müssten sofort ihren Asylstatus verlieren, heißt es weiter in dem Positionsp­apier. „Einen solchen Asyltouris­mus können wir nicht tolerieren.“Krankheit soll nach Strobls Plänen künftig nur noch dann vor Abschiebun­g schützen, wenn die Betroffene­n in Deutschlan­d krank geworden sind. Wer seinen Ausreiseve­rpflichtun­gen nicht nachkomme, soll leichter in Abschiebeh­aft genommen werden können, fordert der CDU-Politiker.

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FOTO: RASEMANN Thomas Strobl wird für seine Pläne zur Verschärfu­ng der Abschiebep­raxis kritisiert.

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