Schwäbische Zeitung (Wangen)

Verdacht auf Suizid im Fall Hamilton

David Hamilton tot in seiner Wohnung gefunden – Missbrauch­svorwürfe seiner Modelle

- Von Christian Böhmer, Sabine Glaubitz(dpa) und AFP

PARIS (AFP) - Der britische Fotograf David Hamilton ist nach Missbrauch­svorwürfen früherer Modelle tot in seiner Pariser Wohnung aufgefunde­n worden. Die Ermittler gehen von einem Suizid des 83-Jährigen aus, wie am Samstag aus dem Umfeld der Untersuchu­ngen verlautete. Hamilton war in den 1960er- und 1970er-Jahren durch Nacktaufna­hmen junger Mädchen weltberühm­t geworden. Einige warfen ihm nun sexuellen Missbrauch vor. Er selbst bestritt dies vehement.

PARIS - Der britische Fotograf und Filmemache­r Fotograf David Hamilton hatte seinen unverkennb­ar eigenen Stil: Aktbilder junger Mädchen in Weichzeich­ner-Optik. Das brachte ihm den Vorwurf der Pornografi­e ein; erst kürzlich wurde er sogar des Missbrauch­s bezichtigt. Am Freitagabe­nd wurde der 83-Jährige tot in seiner Pariser Wohnung gefunden.

Französisc­he Medien berichtete­n, Hamilton habe sich selbst getötet, was am Wochenende jedoch nicht offiziell bestätigt wurde. Bekannt geworden war Hamilton mit weichgezei­chneten Aktbildern junger Frauen und Mädchen. Erst vor wenigen Tagen hatten einige seiner ehemaligen Modelle ausgesagt, Hamilton habe sie als junge Mädchen sexuell missbrauch­t. Der Fotograf bestritt diese Vorwürfe.

Hamilton beteuerte Unschuld

Die französisc­he TV-Moderatori­n Flavie Flament schreibt in einem im Oktober veröffentl­ichten Buch, sie sei 1987 im Alter von 13 Jahren von einem berühmten Fotografen vergewalti­gt worden. In der vergangene­n Woche sagte sie dann, dieser Fotograf sei Hamilton gewesen. Danach beschuldig­ten ihn zwei weitere Frauen. Hamilton wies die Vorwürfe zurück: „Ich bin unschuldig und habe das Recht, auch so betrachtet zu werden“, sagte er noch am vergangene­n Mittwoch, wie der Sender Europe 1 berichtete.

Am Freitagabe­nd fand ein Nachbar Hamilton bewusstlos in dessen Wohnung, wie der Sender weiter meldete. Die herbeigeru­fenen Sanitäter hätten ihn nicht wiederbele­ben können. Nach Informatio­nen der Wochenzeit­ung „Journal de Dimanche“stand die Tür von Hamiltons Wohnung im schicken 6. Stadtbezir­k offen.

Flament sagte dem Blatt, sie empfinde nach dem Tod des Fotografen keine Schuld. „Dieser Mann hat uns zerstört“, sagte sie. Er habe das Leben von Mädchen im Alter von 13 bis 15 Jahren kaputt gemacht, lautet ihr Vorwurf. „Die Täterschaf­t darf nicht das Lager wechseln, wir sind die Opfer“, sagte die 42-jährige Flament. Ihre Lektorin Karina Hocine meinte zuvor laut Medienanga­ben, Flament sei durch die Todesnachr­icht am Boden zerstört. Man sei entsetzt und zugleich empört. Es sei keine Zeit geblieben, die Wahrheit ans Licht zu bringen.

Hamilton begann seine Karriere auf Umwegen. Nach einer Lehre als Schreiner war der Brite in einem Architekte­nbüro angestellt, bevor er nach Paris zog und als Grafikdesi­gner und Fotograf arbeitete. Die Motive seiner Aktfotos in den 1960er- und 1970er-Jahren waren vorzugswei­se blonde Mädchen zwischen zwölf und 16 Jahren. Seine Alben und Poster wurden millionenf­ach verkauft, seine Arbeiten in hochwertig­en Modemagazi­nen gedruckt.

Von Kunstwerke­n inspiriert

Motive wie dieses zählen zu seinem Werk: Ein junges Mädchen lehnt sich gegen einen Fels. Um die Hüften ein Gazetuch, das die Schamhaare nur knapp bedeckt. Das offene Haar fällt zwischen die Brüste. Motiv und Pose erinnern an das Gemälde „Odysseus und Kalypso“des Schweizer Symboliste­n Arnold Böcklin. Zeit seines Schaffens spielte Hamilton mit dem Lolita-Effekt, ahmte in seinen erotischen Fotos berühmte Kunstwerke nach. Seine Kunst war stark von der Malerei inspiriert, nicht nur, weil er früher eine Karriere als Maler ins Auge gefasst hatte. Seine Vorliebe für das Ballett erinnert an Edgar Degas, und sein nebelhafte­s Ambiente an die Stimmung impression­istischer Bilder.

Auch ins Kino ging Hamilton mit erotischem Material: Sein Film „Bilitis“(1976) wurde ebenso ein Erfolg wie der Streifen „Zärtliche Cousinen“(1980) mit der Hamburgeri­n Anja Schüte in einer der Hauptrolle­n.

Doch seit den 1990er-Jahren wurde Hamiltons Werk auch zunehmend kritisch gesehen. Ihm wurde Pornografi­e und latente Pädophilie vorgeworfe­n. „Meine Arbeit hat nichts mit der Vulgarität unserer derzeitige­n Epoche zu tun“, verteidigt­e sich der Brite noch im Jahr 2015 in einem Interview mit dem Magazin „Gala“.

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FOTO: IMAGO In letzter Zeit gab es Vergewalti­gungsvorwü­rfe von mehreren Frauen gegen David Hamilton. Am Freitagabe­nd wurde er tot in seiner Wohnung aufgefunde­n.

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