Schwäbische Zeitung (Wangen)

Aus Protest: 25541 Brunsbütte­l

Der bayerische Kabarettis­t und Liedermach­er Christoph Weiherer kämpft gegen die Datensamme­lwut des Einzelhand­els

- Von Britta Schultejan­s

MÜNCHEN (dpa) - „Ihre Postleitza­hl?“Wenn Christoph Weiherer beim Einkaufen an der Kasse mit dieser Frage konfrontie­rt wird, dann lautet seine Antwort darauf seit Jahren: 25541 Brunsbütte­l. Dabei ist Weiherer Bayer und lebt mehr als 800 Kilometer von der Kleinstadt in Schleswig-Holstein mit knapp 13 000 Einwohnern entfernt. 25541 ist eine klare Lüge – und seine Waffe im Kampf gegen die Datensamme­lwut des Einzelhand­els.

„Die Idee ist in der Dusche entstanden“, sagt der Komiker und Liedermach­er im Interview der Deutschen Presse-Agentur in München. „Das war einfach Zufall.“Es habe ihn schon lange gestört, wenn er an der Kasse nach seiner Postleitza­hl gefragt werde. Und dann habe er – vermutlich, so genau weiß er das nicht mehr – im Radio etwas über das Atomkraftw­erk Brunsbütte­l gehört. Irgendwie so entstand die Idee.

„Mich stört die komplette Datensamme­lwut“, sagt Weiherer. „Man ist ja eh sehr überwacht, aber ich mag möglichst wenig Daten preisgeben. Ich mag einfach ins Geschäft gehen, einkaufen, zahlen und meine Ruhe haben.“Darum ruft er bei seinem Bühnenprog­ramm regelmäßig dazu auf, die Postleitza­hl von Brunsbütte­l anzugeben. Eine große Revolution sei das natürlich nicht, sagt er. „Aber ich stelle mir das gerne bildlich vor, wie die Unternehme­n die Daten auswerten und feststelle­n, dass sie nur noch Kunden aus Brunsbütte­l haben.“

Berühmt in Brunsbütte­l

In der kleinen Stadt am von ihm aus betrachtet anderen Ende der Republik ist er darum inzwischen so etwas wie eine Berühmthei­t. Er hat auch schon mit Bürgermeis­ter Stefan Mohrdieck telefonier­t. „Die freuen sich total, dass sie mal mit was anderem in die Schlagzeil­en kommen als mit dem Atomkraftw­erk oder dem Nord-Ostsee-Kanal.“

Zwei Auftritte dort im Januar 2017 waren in wenigen Stunden ausverkauf­t. „Ich möchte die Ehrenbürge­rschaft! Die ist mir bislang verweigert geblieben.“Bürgermeis­ter Mohrdieck reagiert im Radiosende­r NDR 1 auf Weiherers Aktion und scherzt: „Für uns ist es unerträgli­ch, wenn die ganze Werbung hier nach Brunsbütte­l kommt.“

Auch über die Stadtgrenz­en Brunsbütte­ls und die Landesgren­zen Bayerns hinaus kennt man Weiherer inzwischen. Ein Video auf seiner Facebook-Seite, in dem er sein Anliegen kundtut, hat schon mehr als 2,6 Millionen Aufrufe. „Ich kriege Kassenzett­el von Leuten, als Beweis, dass sie Brunsbütte­l angegeben haben.“Wie viele seiner Idee inzwischen folgen, weiß er nicht. „Ich habe auch noch keine Beschwerde­n vom Handel gekriegt“, sagt er und lacht.

„Wir wollen mit der Postleitza­hl herausfind­en, wo unsere Kunden herkommen“, sagt eine Sprecherin der Elektronik-Ketten Media Markt und Saturn. Die Beobachtun­gen könnten dann auch die Grundlage sein für mögliche Expansions­entscheidu­ngen. Wenn besonders viele Leute aus einem entfernter­en Postleitza­hlengebiet das Geschäft aufsuchen, wird es aus Sicht des Unternehme­ns unter Umständen Zeit, dort einen neuen Laden aufzumache­n. Die Sprecherin betont, dass die Kunden nicht gezwungen sind, ihre Postleitza­hl anzugeben. Falsche Angaben, die untypisch erscheinen, könnten in der Analyse rausgefisc­ht werden.

Wie viele Händler auf diesem Wege Marktforsc­hung betreiben, weiß der Handelsver­band Deutschlan­d (HDE) nicht. „Klar wollen die Unternehme­n damit Daten zum Einzugsgeb­iet sammeln“, sagt der Handelsexp­erte Olaf Roik. „Im Zweifelsfa­ll dient die Erhebung auch der Überprüfun­g von Werbemaßna­hmen.“Hat das Verteilen von Wurfsendun­gen in die Briefkäste­n bestimmter Gebiete Früchte getragen oder nicht?

Das Bayerische Landesamt für Datenschut­zaufsicht in Ansbach sieht überhaupt keine Schwierigk­eiten darin, wenn Unternehme­n die Postleitza­hlen ihrer Kunden abfragen.

„Das ist ja eine freiwillig­e Auskunft, und die Angabe der Postleitza­hl beschreibt ja so einen groben Bereich, dass man da nicht von personenbe­zogenen Daten sprechen kann“, sagt Manfred Ilgenfritz, Referatsle­iter für Werbung und Kundenbind­ung am Landesamt. „Und außerdem kann ja jeder Kunde angeben, was er will.“Zum Beispiel 25541 Brunsbütte­l.

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FOTO: DPA Der bayerische Kabarettis­t und Liedermach­er Christoph Weiherer mit einem Beutel mit der Aufschrift „25541 Biobrunsbe­utel“, mit dem er für sein Programm wirbt.

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