Der Kampf ums Arbeitszeugnis
Beschäftigte haben einen gesetzlichen Anspruch auf eine Beurteilung vom Arbeitgeber
BERLIN - Der Anspruch von Beschäftigten auf ein Arbeitszeugnis ihres Arbeitgebers ist klar geregelt. Doch immer wieder stellen sich Vorgesetzte quer, wenn Mitarbeiter eine schriftliche Beurteilung wünschen. Dabei sollte selbst ein Zwischenzeugnis kein Problem darstellen.
Dem Paragrafen 109 der Gewerbeordnung fehlt es nicht an Deutlichkeit. „Der Arbeitnehmer hat bei Beendigung eines Arbeitsverhältnisses Anspruch auf ein schriftliches Zeugnis“, heißt es dort. Dann unterscheidet die Regelung einfache und qualifizierte Zeugnisse. Auch die zweite Variante können die Beschäftigten von den Firmen laut Gewerbeordnung verlangen.
„Ein einfaches Zeugnis soll die Art und Dauer der Beschäftigung enthalten“, sagt Christian Götz, Arbeitsrechtler beim Bundesvorstand der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi. Im qualifizierten Zeugnis stehen darüberhinaus beispielsweise Informationen über die soziale Kompetenz im Umgang mit Kollegen, Kunden, Vorgesetzen und Untergebenen, sowie die Leistungen des Arbeitnehmers in den einzelnen Arbeitsbereichen, so Götz.
„Auch auf ein Zwischenzeugnis haben Arbeitnehmer bei berechtigtem Interesse einen Anspruch“, sagt der auf die Durchsetzung von Arbeitszeugnissen spezialisierte Berliner Rechtsanwalt Christoph M. Müller. Mitunter lässt man sich ein solches ausstellen, wenn man darüber nachdenkt, den Arbeitgeber zu wechseln. Diesen Grund muss man dem Chef aber nicht verraten, auch wenn er diese Motivation ahnen mag. Allerdings sind die Beschäftigten gehalten, den Wunsch nach einem Zwischenzeugnis zu begründen. Beispielsweise kann man argumentieren, zur Überprüfung des beruflichen Fortkommens eine Einschätzung der eigenen Arbeitsleistung erhalten zu wollen.
Andere plausible Gründe sind etwa ein Wechsel in der Position des Vorgesetzten, die Versetzung des Angestellten in eine andere Abteilung oder Veränderungen im Tätigkeitsfeld. Praktisch sei es meist unproblematisch, ein Zwischenzeugnis zu erhalten, sagt Verdi-Jurist Götz. Die Unternehmen würden diesem Wunsch ihrer Mitarbeiter in der Regel entsprechen.
Doch sowohl beim Zwischen- wie auch beim Abschlusszeugnis kann es zu Problemen kommen. Vielleicht schwelt ein Konflikt zwischen Firma und Mitarbeiter. Oder jene will diesen nicht gehen lassen. Kommt der Arbeitgeber dem mündlichen Wunsch des Arbeitnehmers, ein Zeugnis zu erhalten, nicht nach, so muss dieser im nächsten Schritt sein Anliegen schriftlich vortragen, erklärt Götz. Das macht man am besten per Postbrief. Ist man mit den Formulierungen des Zeugnisses schließlich nicht zufrieden, besteht die Möglichkeit, Korrekturen einzufordern. Dafür sollte man gegenüber dem Unternehmen wiederum schriftlich einzelne Redewendungen exakt benennen und Argumente für die Umformulierung anführen. Auch Vorschläge kann man machen.
Geht das Unternehmen darauf nicht ein, kann als dritter Schritt die Klage vor dem Arbeitsgericht folgen. In solchen Auseinandersetzungen helfen beispielsweise Rechtsanwälte oder die örtlichen Beratungsstellen der Gewerkschaften, die ihren Mitgliedern Rechtsschutz gewähren.
Was Formulierungen bedeuten
Was aber sind Formulierungen im Zeugnis, die Mitarbeiter nicht akzeptieren müssen? „Die Vorgesetzten sind grundsätzlich gehalten, dem jeweiligen Beschäftigten ein wohlwollendes Zeugnis auszustellen“, sagt Anwalt Müller. So soll vermieden werden, dass die Firma einem Mitarbeiter Steine in den weiteren Berufsweg legt. Unter dem Adjektiv wohlwollend versteht das Bundesarbeitsgericht ein mindestens befriedigendes Zeugnis, das dem Durchschnitt entspricht.
Will der Betrieb einem Arbeitnehmer gegen dessen Willen eine schlechtere Beurteilung aussprechen, muss jener nachweisen, dass dies wirklich gerechtfertigt ist. Meint hingegen der Beschäftigte, er verdiene eine bessere Benotung als befriedigend, die die Firma verweigert, muss er belegen, dass das positivere Urteil realistisch ist. Vor Gericht finden deshalb Verhandlungen über einzelne Wörter und Redewendungen statt.
Codierte Formulierungen
Allerdings stehen nicht die aus der Schule bekannten Noten in einem Arbeitszeugnis. Die entsprechenden Einstufungen werden mit bestimmten Formulierungen umschrieben. So bedeutet beispielsweise die Beschreibung, man habe die Aufgaben „stets zur vollsten Zufriedenheit“der Geschäftsleitung erfüllt, ein „sehr gut“. „Stets zur vollen Zufriedenheit“heißt „gut“und „zur vollen Zufriedenheit“kommt einem „befriedigend“gleich.
Weitere Formulierungen finden sich auf der Seite www.arbeitszeugnis.de unter dem Stichwort Notenskala. Hellhörig werden sollten die Beschäftigten demnach, wenn Formulierungen auftauchen wie „Ihre Leistungen fanden unsere Zufriedenheit“oder „Aufgaben, die ihm übertragen wurden, erledigte er in der Regel zu unserer Zufriedenheit“. Diese Beurteilungen deuten auf unterdurchschnittliche Einstufung hin und sollten, wenn begründbar, revidiert werden.
Nach oben sind guten Beurteilungen kaum Grenzen gesetzt. Man kann sich auch selbst schöne Formulierungen ausdenken, die man dem Arbeitgeber vorschlägt. Lässt er sich auf diese Kooperation ein, kann ein eindrucksvolles Beurteilungsschreiben entstehen. Vor allzu viel Lobhudelei sollte man sich freilich in Acht nehmen – sie wirkt unglaubwürdig.