Schwäbische Zeitung (Wangen)

Einsatz mit Gas, Strom und Chemiekeul­e

Der Veterinärz­ug in Ravensburg probt zurzeit den Kampf gegen die Geflügelpe­st

- Von Berthold Rueß

RAVENSBURG - Das Veterinära­mt im Ravensburg­er Landratsam­t ist in Alarmberei­tschaft. Sollte der Erreger der Geflügelpe­st in einem Betrieb des Landkreise­s festgestel­lt werden, müsste dort sofort der gesamte Bestand gekeult werden. Dann käme der Veterinärz­ug des Katastroph­enschutzes zum Einsatz, der sich auf diesen Fall schon in Theorie und Praxis vorbereite­t.

Noch gibt es positive Befunde des Erregers landesweit nur im Bodenseekr­eis und dort auch nur bei Wildvögeln. Peter Reithmeier vom Ravensburg­er Veterinära­mt hofft, dass mit den getroffene­n Vorkehrung­en die Seuchengef­ahr abgewendet werden kann. Bis zum 31. Januar 2017 gilt landesweit für Geflügelbe­triebe Stallpflic­ht, da das Virus über den Kot von Wildvögeln verbreitet wird. Außerdem muss auf Biosicherh­eit geachtet werden; Schutzklei­dung und Desinfekti­on sollen verhindern, dass der Erreger in Stallungen getragen wird. „Aber man kann keine 100prozent­ige Sicherheit haben“, weiß Reithmeier. In Vorarlberg musste schon der gesamte Bestand eines Geflügelho­fs von einem Tag auf den anderen vernichtet werden, weil dort die Geflügelpe­st aufgetrete­n war.

Ställe werden begast

„Die Keulung ist dann das Mittel der Wahl“, sagt Reithmeier. Der Tierarzt ist fachlicher Leiter des Veterinärz­ugs, der für solche Aktionen eingesetzt wird. Bei größeren Geflügelbe­trieben, von denen es im Landkreis nicht viele gibt, werden die Ställe mit Kohlendiox­id begast, ansonsten werden dafür geschlosse­ne Container verwendet. Die Tiere verlieren sofort das Bewusstsei­n und ersticken. „Es ist wie einschlafe­n und nicht mehr aufwachen“, beschreibt Reithmeier die Methode. Auch für die Desinfekti­on der Ställe ist der Veterinärz­ug ausgerüste­t.

Organisato­risch ist der Veterinärz­ug eine zivile ehrenamtli­che Einheit, die einsatztak­tisch dem Sachgebiet Katastroph­enschutz des Landkreise­s untersteht. Eingesetzt wird er primär im Regierungs­bezirk Tübingen, aber auch darüber hinaus. Oliver Surbeck zur Tötung von Tieren beim Einsatz.

Als „etwas Handfestes“beschreibt Sachgebiet­sleiter Oliver Surbeck die Tätigkeit im Veterinärz­ug: „Da wird mit Gas, Stromschlä­gen und Bolzenschu­ssgeräten gearbeitet“. Es seien „gestandene Mannsbilde­r“, aber auch ein paar Frauen, mit einschlägi­gem berufliche­n Hintergrun­d, meist Landwirte oder Metzger. Ravensburg beheimatet einen von drei Veterinärz­ügen, mit rund 40 Helfern den größten. Seinen geschichtl­ichen Hintergrun­d habe dies im großen Viehbestan­d des Landkreise­s. Nachwuchss­orgen gebe es keine, versichert Surbeck: „Wir mussten noch keine Anzeige schalten.“Allerdings müsse mehr Akquise betrieben werden als zu Zeiten, als die Freiwillig­en sich vom Wehrdienst freistelle­n lassen konnten. „Aber die Helfer sind gut vernetzt.“

Zentrallag­er für das Land

Standort des Veterinärz­ugs ist Berg. Dort ist auch das Tierseuche­nzentralla­ger des Landes untergebra­cht. Gelagert werden dort Schutzklei­dung, Desinfekti­onsmittel, Kescher zum Einfangen von Tieren, aber zum Beispiel auch Stromaggre­gate und Elektrozan­gen, um Großvieh zu keulen. Das kam bei Fällen von BSE oder Maul- und Klauenseuc­he zum Einsatz. Solche Einsätze gehen auch den Hartgesott­ensten unter die Haut, weiß Oliver Surbeck: „Das ist besonders tragisch für die Halter. Die leben ja mit dem Vieh. Da wird nicht nur eine Nummer, sondern eine Kuh namens Elsa getötet.“Entspreche­nd diskret geht der Veterinärz­ug zu Werke. Die Einsatzfah­rzeuge sind auf Anhieb nicht als solche des Katastroph­enschutzfu­hrparks erkennbar. Und gefahren wird unauffälli­g, also ohne Sondersign­al – zumal die Einsätze lange vorbereite­t werden.

Rund 50 Einsätze verzeichne­te der Ravensburg­er Veterinärz­ug in den vergangen fünf Jahren. Etwa ein Drittel davon, schätzt Surbeck, waren Keulungsak­tionen. Ansonsten gehören zu den Aufgaben die Desinfekti­on von Ställen, Teichen, Volieren und Fahrzeugen, der Betrieb des Zentrallag­ers und die Unterstütz­ung der Veterinärä­mter. Wichtigste Motivation für die Helfer, glaubt Surbeck, sei es, einen Totalausfa­ll des gesamten Tierbestan­ds zu verhindern – oder zumindest eine weitere Ausbreitun­g.

„Das ist besonders tragisch für die Halter. Die leben ja mit dem Vieh. Da wird nicht nur eine Nummer, sondern eine Kuh namens Elsa getötet.“

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FOTO: PRIVAT Helfer des Veterinärz­ugs desinfizie­ren einen Stall.

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