Unheimliche Leipziger, erbärmliche Wolfsburger
Löw
Von Jürgen Schattmann
Preisfrage: Greifen die Leipziger die Rekordmeister aus Bayern an oder umgekehrt? Antwort: Auf dem Platz geben derzeit eher die Emporkömmlinge des deutschen Fußballs den Ton an. Nach
Feind-Aussagen (siehe Kasten oben), die der neue alte BayernChef über den Aufsteiger RB Leipzig nach dessen 4:1-Sieg in Freiburg getroffen hatte, reagierten die Sachsen jedenfalls erstaunlich gelassen – sie nahmen die Kampfansage aus München als Auszeichnung. „Wenn eine Persönlichkeit wie Uli Hoeneß das über uns und unsere Mannschaft sagt, freuen wir uns darüber, dass man so wahrgenommen wird, dass man für Bayern eine kleine Konkurrenz sein kann“, sprach der 20 Jahre junge
der mit seinem Doppelpack der Mann des Abends in Freiburg war.
Uli Hoeneß’ Timo Werner,
Werner blüht seit seinem Wechsel vom VfB Stuttgart im Sommer für zehn Millionen Euro Ablöse nicht nur auf, er explodiert. Mit sieben Treffern ist er inzwischen bester deutscher Bundesligaschütze, wenn das so weitergeht, werden ihm Bundestrainer
(und die Bayern) spätestens im Januar ein Angebot machen. Außerhalb des Rasenball-Rasens bleibt der gebürtige Stuttgarter genauso demütig, wie er auf dem Platz quirlig und pfeilschnell
Joachim
ist. „Ich bin in der Vorsaison abgestiegen. Ich habe sicher nicht erwartet, die Liga aufzumischen. Ich bin mit Ehrfurcht gekommen“, gesteht der oberste Senkrechtstarter der Senkrechtstarter. Beim VfB braucht Werner noch 95 Spiele für 13 Tore. „Stuttgart war eine andere Zeit“, sagt er. „Jetzt freue ich mich, hier sein zu dürfen. Ich fühle mich sehr wohl. Und mit dem Erfolg des Teams kommt auch der eigene Erfolg – auch wenn ich nie gedacht hätte, dass es sportlich so gut läuft.“
In der Tat wird der Lauf der Leipziger langsam unheimlich. Neun Siege und drei Remis haben sie auf dem Konto, am Freitag stellten sie sogar einen 51 Jahre alten Bayern-Uralt-Rekord ein – sieben Siege in Serie schafften als Aufsteiger nur die Münchner 1965. Die Vehemenz, mit der RB vorne attackiert und die gegnerische Abwehr unter Druck setzt, erinnert an den Stil des ExVfB-Trainers einst ebenfalls in Leipzig aktiv – nur,
Alexander Zorniger,
dass Leipzig in der Defensive wesentlich sicherer und konsequenter verteidigt als Zornigers VfB im Vorjahr. Und ein bisschen mehr gewinnt.
Ralph Hasenhüttl,
RB-Coach der selbst bei den Bayern spielte, reagierte auf die Hoeneß-Aussagen ebenfalls cool: „Ich weiß, dass Uli Hoeneß unsere Arbeit sehr schätzt“, sagte der Österreicher, keineswegs fühle man sich als Gejagter. „Wir wissen auch, dass wir nicht unschlagbar sind. Aber ich glaube, wenn jemand gegen uns gewinnen muss, muss er sehr viel sehr richtig machen. Durch all die Siege werden wir nur noch hungriger. Seit dem Aus im Pokal haben wir eine atemberaubende Entwicklung genommen.“Sportdirektor der mit geschickten Transfers den kometenhaften Aufstieg des Clubs einleitete, hatte es kommen sehen: „Mir war von Beginn an klar, dass eine Entwicklung, auch eine schnelle, möglich ist“, sagte Rangnick. Ob sie zum Titel führen
Ralf Rangnick,
kann? Am 21. Dezember, wenn die Bayern auf Leipzig treffen, weiß man mehr.
Wenn man so will, hat RB im Rekordtempo einen anderen als Plastikclub beschimpften deutschen (Ex-)-Spitzenverein ersetzt: den VfL Wolfsburg, der neuerdings in Abstiegsgefahr schwebt. Die Leistung des VfL in Ingolstadt war erbärmlich, mit viel Dusel rettete das VW-Team ein Remis. „Man sieht, welchen Tabellenregionen wir angehören. Wir stehen zu Recht da unten. Das reicht nicht für unsere Ansprüche“, räumte Weltmeister ein. Manager gestand: „Uns fehlen die Mittel.“Wer auf Ironie steht, könnte anfügen: Die dürften auch in Zukunft fehlen, diese Mittel. Bis zu 30 Millionen Euro weniger (von derzeit 100 Millionen) dürfte Hauptsponsor VW dem VfL künftig aufgrund seiner Krise zahlen. Man darf gespannt sein, wie der Klub das verkraftet. Stars wie Draxler könnten jedenfalls bald weg sein.
Julian Draxler Klaus Allofs
Weil auch andere langjährige Champions-League-Teilnehmer schwächeln – Gladbach, Leverkusen und Schalke –, dürfen kleine Außenseiter 2017 auf die große Bühne und großes Geld hoffen: Berlin etwa, das nach dem 2:1 über Mainz Dritter ist vor Frankfurt. Auch
glückte ein Doppelpack, sein zweites Tor war sein 100. in der Bundesliga im 240. Spiel, später flog er mit Gelb-Rot vom Platz. Ibisevics Erfolgsgeheimis? Spötter würden sagen: Auch er hat Stuttgart verlassen. Dort ging der Bosnier (32) einst mit einem gewissen Timo Werner auf Torejagd.
Vedad Ibisevic