Schwäbische Zeitung (Wangen)

Fillon will Frankreich überzeugen

Der Front National und die Sozialiste­n bringen sich gegen den Kandidaten der Konservati­ven in Stellung

- Von Christine Longin

PARIS - François Fillon dürfte Alain Juppé gut zugehört haben, als der am Abend seiner Niederlage bei den Vorwahlen vor seine Anhänger trat. Der Ex-Regierungs­chef richtete eine Warnung an den Gewinner: „Um zu befrieden und zu versöhnen, muss man auch Hoffnung geben, seine Kräfte für den gegenseiti­gen Respekt einsetzen und die Gerechtigk­eit.“

Monatelang hatte der Bürgermeis­ter von Bordeaux als Kandidat dafür geworben, Frankreich zusammenzu­bringen. Das gemäßigte Programm des 71-Jährigen überzeugte am Sonntag jedoch nur rund 33 Prozent der Wähler der Konservati­ven, die Fillon mit seinem stramm rechten Kurs zu ihrem Präsidents­chaftskand­idaten machten. „Der Abgeordnet­e von Paris hat sein Lager geeint, wird aber das Land spalten“, schrieb die Zeitung „Libération“am Montag.

Schlössche­n in der Sarthe

Das liberale Wirtschaft­sprogramm des Kandidaten der konservati­ven Republikan­er zeigt, wo die Linien verlaufen werden: zwischen dem eher wohlhabend­en Bürgertum, das Fillon mit seinem Schlössche­n in der Sarthe verkörpert, und dem Rest der Gesellscha­ft. Der wertkonser­vative Fillon ist ein willkommen­er Gegner für Sozialiste­n und den Front National (FN), der sich als Anwalt der „kleinen Leute“sieht.

FN-Chefin Marine Le Pen kritisiert­e Fillons Vorschläge als „schlimmste­s Programm des sozialen Kahlschlag­s, das es je gab.“Alle Umfragen sagen derzeit ein Duell zwischen Fillon und Le Pen 2017 voraus. Das Meinungsfo­rschungsin­stitut Harris Interactiv­e veröffentl­ichte am Sonntag eine Umfrage, wonach der Konservati­ve die erste Runde der Präsidents­chaftswahl mit 26 zu 24 Prozent für sich entscheide­n könnte. Die Stichwahl gewänne Fillon dann mit einer Zweidritte­lmehrheit.

Für Marine Le Pen ist Fillon eine Herausford­erung, denn der skandalfre­ie 62-Jährige bietet anders als beispielsw­eise der Verlierer der ersten Runde, Nicolas Sarkozy, keine Angriffsfl­äche. Mit seinem Programm zielt der Kandidat eines katholisch­en, provinziel­len Frankreich­s auf eine ähnliche Wählerscha­ft wie sie. „Die Wähler der Rechten und des Zentrums haben in meinem Programm die französisc­hen Werte wiedergefu­nden“, sagte Fillon in seiner Rede nach dem Sieg. Genau diese Werte will auch Le Pen verkörpern.

Deshalb bleiben dem FN als Angriffsfl­äche nur die sozialen Auswirkung­en des Programms vor allem auf die ärmere Bevölkerun­g. Die haben auch die Sozialiste­n im Visier, die in den vergangene­n Jahren massiv die Stimmen der Arbeiter an den FN verloren haben. Eine Entwicklun­g, die die Parteilink­e kritisiert. Ihr Aushängesc­hild ist der frühere Wirtschaft­sminister Arnaud Montebourg, der die Vorwahlen der Sozialiste­n im Januar gewinnen könnte.

Für die Regierungs­partei könnte die Kandidatur Fillons nun eine Chance sein, sich gemeinsam gegen einen Gegner zu wenden, der besser zu fassen ist als der gemäßigte Juppé. „Für die Linke ist der Sieg Fillons eine göttliche Überraschu­ng“, zitierte „Le Monde“einen Präsident François Hollande nahestehen­den Abgeordnet­en. Der Staatschef muss sich allerdings in den eigenen Reihen immer stärkere Kritik gefallen lassen.

Am Sonntag erklärte auch Premiermin­ister Manuel Valls seine Bereitscha­ft zur Kandidatur und positionie­rte sich damit klar gegen Hollande. Fillon teilt unterdesse­n nach links und rechts aus. „Die Linke steht für Versagen und die extreme Rechte für den Bankrott“, bemerkte er in seiner nüchternen Art noch am Wahlabend. Der einstige Regierungs­chef weiß aber, dass er allein mit Kritik keine Wahlen gewinnen kann. „Ich habe die Pflicht, das ganze Land zu überzeugen.“Eine schwere Aufgabe, für die Fillon nun fünf Monate Zeit hat.

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FOTO: AFP Der Konservati­ve François Fillon verkörpert das wohlhabend­e Bürgertum in Frankreich.

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