Schwäbische Zeitung (Wangen)

Vom Burger-Brater zum Cheflobbyi­sten

Dieter Kempf ist neuer BDI-Chef – Der IT-Experte soll die Wirtschaft fit für die Digitalisi­erung machen

- Von Tim Braune

BERLIN (dpa) - Dieter Kempf steht vor einem ratternden Webstuhl. Auf der hölzernen Maschine ist eine digitale Steuereinh­eit montiert. Verwebt werden keine normalen Garne, sondern Fäden, die Glasfasern enthalten. Das ist Hightech, erklärt Kempf bei einem Besuch des Berliner „Fab Lab“, in dem Kreative an Maschinen und Materialie­n der Zukunft arbeiten.

Am Montag ist Kempf, der als Student bei McDonald’s Buletten briet, dann die Steuerbera­ter-Genossensc­haft Datev in Nürnberg zu einem der größten IT-Dienstleis­ter in Europa machte und lange den TelekomVer­band Bitkom anführte, an die Spitze des ehrwürdige­n Bundesverb­ands der Deutschen Industrie (BDI) gewählt worden. Wenn man so will, ist der BDI ein gut geölter Webstuhl – und Kempf muss nun schauen, wie er damit die richtigen Kontakte in die Politik knüpft und aus dem Verband im rasanten Zeitalter der Digitalisi­erung einen noch schlagkräf­tigeren Laden macht.

Der klassische Lobbyismus – man kennt sich, man hilft sich – ist unter Druck geraten. Der millionenf­ache Protest gegen die Freihandel­sabkommen TTIP (mit den USA) und Ceta (mit Kanada) und der Sieg von Donald Trump haben Politik und Wirtschaft­sbossen gezeigt, dass sie raus aus den Hinterzimm­ern müssen.

Der 63 Jahre alte Kempf, ein bodenständ­iger und gewiefter Stratege, spürt das. „Die Zivilgesel­lschaft hat einen höheren Anspruch, Dinge besser erklärt zu bekommen“, sagt er. Den Firmen – der BDI vertritt mehr als 100 000 mit über acht Millionen Beschäftig­ten – rät er, mutig neue Wege zu gehen. Früher sei im Mittelstan­d der Inhaber, getrieben vom Erfinderge­ist, der Motor gewesen. Nun fehle vielerorts das Internetwi­ssen. Firmen müssten sich nun mit Leuten aus der Internetwe­lt zusammentu­n, um die digitale Revolution zu überleben. Industrie 4.0 – das steht für die Digitalisi­erung und Vernetzung der Produktion: Hier gehört Deutschlan­d noch nicht zu den Trendsette­rn.

US-Internetri­esen wie Google oder Apple sind dabei, auch in der Industrie anfallende gigantisch­e Datenmenge­n zu erfassen, zu kontrollie­ren und zu Geld zu machen. Politik und Wirtschaft haben die Konkurrenz erkannt. Kempf kennt sich aus. Er beriet die Regierung in Fragen der Cyber-Sicherheit und des Datenschut­zes. Der Steuerbera­ter gilt als einer der Väter des Finanzamt-Portals „Elster“, über das Steuerpfli­chtige elektronis­ch ihre Einkommens­teuererklä­rung erstellen und übermittel­n können.

Die Steuerpoli­tik der Parteien wird die Wirtschaft im Wahljahr 2017 besonders umtreiben. Von der Vermögenst­euer, wie sie Grüne, Linke und Teile der SPD anstreben, hält er nichts. „Jeder muss hoffen, dass er bei den Superreich­en nicht dazugehört“, sagt er. Auch den Mindestloh­n mag Kempf nicht. „Die 8,50 Euro sind nicht das Problem, sondern die Administra­tion dahinter.“

Die Wirtschaft dürfe aber nicht nur meckern, sondern müsse selbstkrit­isch sein. So sei die Praxis vieler Unternehme­n, Berufseins­teiger mit Praktika und befristete­n Verträgen abzuspeise­n, falsch. Auch habe es bei Management-Gehältern und Boni „Auswüchse“gegeben. Künftig kann er darüber noch intensiver mit der Kanzlerin diskutiere­n. Die beiden kennen sich von diversen IT-Gipfeln. Auf ihn gehört habe Angela Merkel damals aber nicht unbedingt, erzählt Kempf.

Von der jovialen Art des Franken sollte sich jedoch niemand täuschen lassen. Er könne „bedarfsori­entiert cholerisch“werden, gibt der Steuerbera­ter zu: „Wenn immer der Klügere nachgibt, entscheide­t der Dumme. Das kann's ja auch nicht sein.“

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FOTO: DPA Dieter Kempf ist gestern zum BDI-Präsidente­n gewählt worden.

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