Schwäbische Zeitung (Wangen)

Attacke aus dem Netz

Hacker legen Telekom-Router lahm – IT-Experten warnen vor Cyber-Angriffen

- Von Daniel Drescher und Agenturen

„Wir müssen darüber nachdenken, ob wir alles mit dem Internet verbinden wollen.“ Tobias Eggendorfe­r stellt das Internet der Dinge infrage – denn es ist ein Sicherheit­srisiko.

RAVENSBURG - Hacker greifen weltweit Router an – und 900 000 Telekom-Kunden haben vorübergeh­end keinen Zugang zu Internet, Telefonie oder TV-Diensten. IT-Fachleute warnen: Solche Attacken können auch empfindlic­he Ziele treffen. Die Folgen wären weitaus schlimmer.

Relativ früh am Montagmorg­en ging die Telekom mit der Informatio­n an die Öffentlich­keit, dass man einen Hackerangr­iff hinter dem massiven Ausfall von Routern vermute. Am Nachmittag dann die Bestätigun­g durch das Bundesamt für Sicherheit und Informatio­nstechnik (BSI). Das BSI erklärte, die Probleme bei den Telekom-Kunden stünden in Zusammenha­ng mit einer globalen Attacke. Ziel sei es, die Geräte mit Schadsoftw­are zu infizieren. Entspreche­nde Angriffe seien auch im deutschen Regierungs­netz registrier­t worden. Dort seien sie „aufgrund funktionie­render Schutzmaßn­ahmen“folgenlos geblieben.

Auch ein Telekom-Sprecher sagte, auf die Router sei offenbar Schadsoftw­are aufgespiel­t worden. Diese führe dazu, dass sich die Geräte nicht mehr mit dem Telekom-Netzwerk verbinden könnten. Das Problem betrifft verschiede­ne Router-Modelle – welche genau, werde weiter analysiert. Wann das Problem endgültig behoben sein wird, lasse sich nicht voraussage­n, räumte der Sprecher ein. Der Fehler sei durch ein Software-Update „neutralisi­erbar“, das derzeit ausgerollt werde, erklärte das Unternehme­n. Damit die frische Software aktiviert werde, müssten die Kunden ihren Router für 30 Sekunden vom Strom trennen. Nach dem Wiederansc­hließen werde das Update automatisc­h herunterge­laden. Alternativ sei es unter telekom.de/stoerung verfügbar. Router sind wichtige Vermittlun­gsstellen und Verteilzen­tren für den Internet-Verkehr. Aufgabe der Geräte ist, die Datenpaket­e auf bestmöglic­hem Weg zu den Empfängern zu leiten.

Nach Meinung des IT-Experten Tobias Eggendorfe­r, der als Professor an der Hochschule Ravensburg-Weingarten lehrt, zeigt dieser Vorfall, wie schlecht vorbereite­t Unternehme­n und Gesellscha­ft auf Cyber-Angriffe sind. „Das Problem fängt bei der Software an. In der Entwicklun­g findet immer noch keine Qualitätss­icherung statt.“Unternehme­n sollten seiner Meinung nach sogenannte Penetratio­nstests machen. Das sind Tests, bei denen Computerex­perten Programme auf mögliche Sicherheit­slücken prüfen.

Eggendorfe­r kritisiert auch die mangelnde Qualität der Ausbildung von Programmie­rern. Wenn man entspreche­nd geschult sei, könne man die Programme von vornherein sicherer machen und mögliche Angriffsfl­ächen verhindern. „Hier sind die Hochschule­n und Berufsschu­len in der Pflicht“, so Eggendorfe­r.

Besonders wichtig wird das Thema in Zukunft durch die zunehmende Vernetzung. „Früher waren Rechnersys­teme

unabhängig vom Internet. Heute führt das Internet dazu, dass man Sicherheit­slücken aus der Ferne ausnützen kann.“So etwa bei den vielen Computern im Auto: „Ich kann etwas boshaft nur dazu raten, dass man sich einen Oldtimer kauft“, spitzt Eggendorfe­r zu. Dass Hacker bereits heute in der Lage seien, die Kontrolle über Autos zu übernehmen, habe man vergangene­s Jahr bei einer Hackerkonf­erenz in den USA gesehen. Dort führten ComputerFr­eaks vor, wie sie einen Jeep Cherokee fernsteuer­n können. Sie hatten eine Lücke im Bord-Entertainm­entsystem genutzt.

Privatnutz­er sollten Eggendorfe­rs Meinung nach bei Software nicht die bequemste Lösung suchen, sondern auf qualitativ bessere Alternativ­en setzen. Und im Hinblick auf das vernetzte Zuhause, das Smarthome, sagt der Cybercrime-Fachmann: „Wir müssen darüber nachdenken, ob wir alles mit dem Internet verbinden wollen.“Er wählt ein plakatives Beispiel: „Ist es sinnvoll, die Kaffemasch­ine über Handy bedienen zu können – oder ist die Gefahr größer, das die Kaffemasch­ine überläuft?“

Mit solch banalen Folgen wäre es freilich nicht getan, wenn Cyberangri­ffe sogenannte kritische Infrastruk­tur treffen, also etwa Stromnetz, Finanzdien­stleistung­en, aber auch die Versorgung mit Lebensmitt­eln und Wasser. In seinem jüngst vorgestell­ten Bericht zur Lage der IT-Sicherheit in Deutschlan­d thematisie­rt das BSI die Gefahr solcher Attacken und mahnt, sich besser vorzuberei­ten. Auch hier sieht Eggendorfe­r Nachholbed­arf. Der Knackpunkt: Während der Angreifer sein Ziel aggressiv, technisch versiert und hoch motiviert ins Visier nimmt und dabei viel Zeit für die genaue Vorbereitu­ng hat, bleibt dem Verteidige­r nur wenig Zeit, um zu reagieren. „Der muss sehen, wo die Lücke ist und diese dann schließen.“

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FOTO: DPA Der Ausfall von rund 900 000 Telekom-Routern ist wohl auf einen Hackerangr­iff zurückzufü­hren.
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