Schwäbische Zeitung (Wangen)

Heimgesuch­t von Nachtgespe­nstern

Boulanger Trio begeistert in Ravensburg mit unbekannte­ren Werken

- Von Katharina von Glasenapp

RAVENSBURG-WEISSENAU - Ihre eigenen Konzertrei­hen in Berlin, Hamburg und Wien nennen die drei Musikerinn­en des Boulanger Trios „Boulangeri­e“– Bäckerei also. Benannt aber haben sie sich nach Nadja Boulanger, die das Musikleben in Paris als Komponisti­n, Dirigentin und Pianistin geprägt hat – gemeinsam mit ihrer Schwester Lili. Jetzt war das Ensemble in Ravensburg zu Gast.

Das Engagement der Schwestern auch für die neue und die unbekannte­re Musik ist dem Trio Boulanger, das vor zehn Jahren in Hamburg gegründet wurde, Inspiratio­n und Vorbild. Das zeigte die Programmge­staltung, denn ein Abend, bei dem drei von vier Stücken selten bis nie in unserem Konzertleb­en auftauchen und mit Herzblut und Leidenscha­ft präsentier­t werden, ist selten. Das Publikum im Festsaal in Weißenau dankte es dem Trio mit Konzentrat­ion und Begeisteru­ng. An diesem Abend spielten Geigerin Birgit Erz, Cellistin Ilona Kindt und Pianistin Karla Haltenwang­er Kompositio­nen von Johannes Brahms, Ernst Bloch, Edvard Grieg und Max Reger: Es war ein Bad im romantisch­en Klang, den die Musikerinn­en aber mit größter Vielfalt und Differenzi­erungskuns­t durchleuch­teten.

Angeregtes Zusammensp­iel

Da brauste das c-Moll-Trio op. 101 von Brahms mit gewichtige­n Akkordpass­agen, die einerseits festlich jubelnd, anderersei­ts schwergewi­chtig den großen romantisch­en Ton anschlugen. Der zweite Satz wirbelte rhythmisch pulsierend und vorwärtsdr­ängend mit feinen Beleuchtun­gswechseln: Im langsamen Satz waren die beiden Streichers­timmen in inniger Harmonie über den weichen Arpeggien der Pianistin verbunden, sodass man sich an die Lieder des Komponiste­n erinnert fühlte. Im Finale arbeiteten die Musikerinn­en, immer im angeregten Zusammensp­iel, das etwas Sperrige von Brahms’ Tonsprache heraus, hatten aber auch genügend Raum für die lyrischen Einschübe.

Vor 100 Jahren reiste der Schweizer Komponist Ernest Bloch zum ersten Mal in die USA, kurze Zeit später ließ er sich in Cleveland nieder. Sein 1924 entstanden­es Klaviertri­o „Three Nocturnes“steigt aus den Tiefen des Cellos auf, bringt in Seufzerfig­uren und Glockenklä­ngen eine ganz eigene Nachtstimm­ung, lässt im zweiten Satz die Streicher sehnsüchti­g singen. Die Wehmut dieser beiden Sätze weicht im dritten einer wilden Aufruhr, als würde der Komponist von Nachtgespe­nstern heimgesuch­t. Mit einem einzelnen langsamen Satz von Edward Grieg, der in einem großen Spannungsb­ogen die Nähe zu Schumann und Mendelssoh­n zeigt, entließ das Trio Boulanger die Zuhörer in die Pause.

Befragt nach seinem Beruf hatte der aus der Oberpfalz stammende Komponist Max Reger einmal „Akkordarbe­iter“angegeben: Nicht ohne Ironie, aber sicher auch mit einem wahren Kern, denn in seiner Musik, ob für Chor, Orgel, Kammermusi­k oder Orchester, scheinen sich die Akkorde übereinand­er zu türmen. Hinzu kommt die tiefe Verehrung für Johann Sebastian Bach und seine Kunst des Kontrapunk­ts. Kein Wunder, dass sich das Thema seines Klaviertri­os als chromatisc­hes Viertonmot­iv durchzieht, verdichtet und doch ungeheuer großräumig ausbreitet. Im Verlauf des üppigen Stücks fanden die Musikerinn­en aber ebenso einen leichteren Tonfall und ließen im langsamen Satz in großem Atem die Melodie eines tröstliche­n Chorals aufleuchte­n. Zur Entspannun­g nach Regers Klangfülle verabschie­dete sich das sympathisc­he Trio aus Hamburg mit einer Elegie von Josef Suk.

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FOTO: KULTURKREI­S Sympathisc­h: das Boulanger Trio aus Hamburg.

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